Porno im Exil?
Adult-Webmaster wollen auswandern
Der vorliegende Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMSTV) wird von vielen Seiten kritisiert. Eine Branche sieht sich besonders bedroht, sollte der Vertrag im nächsten Jahr in der vorliegenden Form in Kraft treten: die Adult-Webmaster, die ihr Geld mit Pornographie im Internet verdienen. Nun drohen sie mit kollektiver Auswanderung. Erste Firmen im Ausland bieten schon vorgefertigte Exil-Pakete an.
“Undemokratisch und amateurhaft" sei die Entscheidung, poltert der Interessenverband Neue Medien (IVNM), der trotz des neutralen Namens nur die sehr speziellen Interessen der Online-Erotik-Branche vertritt. Besonders stört man sich an dem Vorhaben der Landesregierungen, nur noch zertifizierte Selbstkontrolleinrichtungen zuzulassen. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter hat es im voraus abgelehnt, sich von staatlicher Seite zertifizieren zu lassen.
Flotter Verbands-Dreier
Um Einfluss auf solche politische Entscheidungen zu nehmen wurde vor einem Jahr der IVNM gegründet. Zwar gibt es den Bundesverband Erotik Handel (BEH) schon seit über 50 Jahren, die Mitglieder der New Economy fanden ihre Interessen nicht angemessen vertreten. Nach eigenen Angaben repräsentieren die 60 Mitglieder des neuen Verbandes 60 bis 70 Prozent des deutschen Adultbusiness.
Es gibt einen Schönheitsfehler in der Rechnung: niemand weiß, wie groß die Branche ist. Genaue Zahlen gibt es nicht, nicht einmal grobe Schätzungen. So werden viele Seiten von Privatpersonen in ihrer Freizeit betrieben. Über so genannte Partnerprogramme sind allerdings viele dieser kleinen Webmaster an größere Firmen gebunden, die zum Beispiel Altersverifikationssysteme oder Dialer vertreiben. Viele Mitglieder im IVNM sind solche Big Player.
Um das Trio komplett zu machen, wurde im Dezember vergangenen Jahres noch ein dritter Interessenverband gegründet: das Adultwebmaster-Netzwerk (AWMN), das allerdings bis heute nur sieben aktive Mitglieder verzeichnet. Initiator Torsten Wenzel legt weniger Wert auf Lobbyarbeit im Hintergrund, er will die Interessen seiner Branche mehr in die Öffentlichkeit tragen.
Die Zwickmühle
Schon seit langem fürchten sich die Pornoanbieter vor dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag (Vgl.Verbände protestieren gegen Jugendschutzgesetzgebung). Die neue Fassung, die noch im September unterschrieben werden soll, soll die Position von staatlichen Jugendschützern stärken. Freiwillige Selbstkontrolle soll weiter bestehen aber nur unter Vorbehalt und staatlicher Aufsicht.
Eins ist allen Verbänden gemeinsam: Die Erotik-Anbieter fürchten staatliche Eingriffe in ihr Geschäft. Jahrelang hatten sie die Rechtsunsicherheit in ihrem Gewerbe beklagt die neue Sicherheit mag ihnen aber auch nicht schmecken. Denn nach wie vor droht jedem Anbieter von pornographischen Inhalten ein Verfahren wegen Verbreitung pornographischer Schriften. Es gab zwar bisher schon einige Strafanzeigen die wurden jedoch in der Regel von den Staatsanwaltschaften eingestellt. Bis zum August: im Amtsgericht Neuss wurde zum ersten Mal ein Erotikanbieter verurteilt, weil er jugendgefährdendes Material allein mit einer Abfrage der Personalausweisnummer abgesichert hatte. (Vgl. Gericht: Personalausweisnummer reicht als Alterssicherungssystem nicht) Seitdem ist die Branche in hellem Aufruhr. Die Probleme stecken im Detail. Sollte der Vertrag in Verbindung in Verbindung mit Paragraph 184 StGB zusammen rechtskräftig werden, wäre das Angebot von pornographischen Angeboten gegen Geld unmöglich, denn dies zählt als Versandhandel. Der ist jedoch verboten, erläutert Uwe Kaltenberg vom BEH.
Kostenlose Angebote wären auch nicht möglich, denn nach Auffassung der staatlichen Jugendschützer gibt es ohne Geldfluss keine sichere Altersverifizierung. Auf der Seite von Jugendschutz.net heißt es:
Nach unserer, mit allen obersten Landesjugendbehörden abgestimmten Auffassung, bietet es jedoch ein Mindestmaß an Sicherheit, wenn der Zutritt zu der geschlossenen Benutzergruppe kostenpflichtig ist und mit der Kopie des Personaldokuments zugleich eine Scheck-, Konto- oder Kreditkarte vorgelegt wird, die auf den gleichen Namen lautet. Natürlich können beide - Personaldokument und Karte - auch entwendet sein: die Täuschung würde jedoch wegen der erfolgenden Abbuchungen nicht lange aufrechterhalten werden können.
Aktionen und Aussichten
Um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, haben die Verbände zwei Aktionen gestartet. Der AWMN machte den Anfang mit der Webseite wir-wollen-bleiben.de, wenig später ging die Aktion für Jugendschutz des IVNM online. Doch so recht will keine Ansatz funktionieren. Schon bald wird der JMSTV unterschrieben, das offizielle Anhörungsverfahren ist beendet. Zwar kann noch jeder Vorschläge machen, doch Priorität hat die Zustimmung der Länderchefs. Auch der erhoffte Aufschrei in den Medien blieb bisher aus dank Spam und Dialerprogrammen haben Adult-Webmaster nicht den besten Ruf.
So sehen auch viele Webmaster wenige Chancen, die neue Jugendgesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie sehen sich nach Möglichkeiten um, ihre Firmen im Ausland anzusiedeln um ganz auf die deutschen Bestimmungen verzichten zu können. Doch dieser Aufwand lohnt nur für größere Firmen. Deshalb haben sich verschiedene Anbieter jenseits der Grenzen entschlossen, aus der Not ein Geschäft zu machen. Sie bieten den deutschen Adult-Webmastern an, die Domains zu übernehmen und unter österreichischem, niederländischem oder Schweizer Recht zu führen. Der deutsche Webmaster muss dazu seine Domain an die Firma überschreiben, er selbst wird dann als freier Webdesigner bei dem ausländischen Anbieter unter Vertrag genommen.
Formal die perfekte Lösung: Die Erotikanbieter können ihre Arbeit auch weiterhin fast unverändert weiterführen und das deutsche Recht wird umgangen. Es gibt einen Haken: die Geschäftspartner müssen großes Vertrauen ineinander haben. Im Webmasterforum von Jan Ginhold zeigt sich jedoch, dass Vertrauen in der Branche Mangelware ist. Denn dort kann man zum Beispiel lesen, dass selbst Adult-Webmaster manchmal dumm genug sind, sich einen teuren Dialer einzufangen. Und was schadet dem Vertrauen mehr?