Portugal mit leisen Reformschritten
Die Linksregierung will die Austeritätspolitik beenden, aber die internationalen Vereinbarungen einhalten
Der Drahtseilakt der neuen sozialistischen Regierung in Portugal hat begonnen. Sie will den strengen Austeritätskurs der konservativen Vorgänger beenden, aber den Eindruck vermeiden, dass sie einen Bruch wolle, wie ihn Syriza in Griechenland erfolglos versucht hatte.
Klarer Ausdruck dafür ist, dass der neue Finanzminister Mário Centeno den Sorgen in europäischen Hauptstädten präventiv begegnete. Nach seiner Ernennung erklärte er mit Blick auf den ehemaligen griechischen Finanzminister, er sei kein "portugiesischer Varoufakis", wie ihn seine rechten Kritiker nennen.
Stets hatte die von marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen CDU gestützte Regierung bekräftigt, die Vereinbarungen mit internationalen Geldgebern einhalten zu wollen. Um das zu untermauern, kündigte Centeno nun an, alle Ausgaben würden bis zum Jahresende eingefroren. Damit soll gesichert werden, dass Portugal erstmals wieder das Stabilitätsziel des Maastricht-Vertrags einhält und 3% nicht überschreitet.
Sozialpakt: Niemand soll vergrault werden
Das Ende der Austeritätspolitik soll erst ab 2016 kommen und "kontrolliert und finanziell verantwortlich" durchgeführt werden. "Wir schlagen einen Bruch mit dieser Politik innerhalb des Stabilitätspakts vor", sagte Centeno im Fernsehinterview. Wegen zu hoher Ausgaben der konservativen Vorgänger sei es aber nicht mehr möglich, das von ihnen genannte Defizitziel von 2,7% zu erreichen.
Ministerpräsident António Costa debattiert derzeit mit Unternehmern und Gewerkschaften im Sozialpakt. Denn im Regierungsprogramm wurde mit der radikalen Linken vereinbart, den Mindestlohn schrittweise von bisher 505 auf 600 Euro anzuheben. Die Unternehmen wehren sich gegen die geplante Anhebung auf 530 Euro zum Jahresbeginn, doch der kommunistisch dominierte Gewerkschaftsverband CGTP will die 600 Euro sofort und nicht erst am Ende der Legislaturperiode 2019 sehen.
Ob es ein Abkommen mit den Sozialpartnern über die nächsten vier Jahre gibt, ist unsicher, doch Costa wäre froh, sich wenigstens auf die erste Erhöhung des Mindestlohns für 2016 zu einigen:
Wir werden weiterverhandeln, um zu garantieren, dass es am 1. Januar eine Erhöhung des Mindestlohns geben wird.
Ähnlich wird sein Spagat werden, wenn die Renten- und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst zurückgenommen, Zuschüsse zu Minirenten unter 200 Euro gewährt oder die Sozialhilfe von derzeit 178 auf 187 Euro und damit auf das Niveau von 2011 angehoben werden soll oder wenn einige Steuern gesenkt werden, wie die Mehrwertsteuer und dafür andere erhöht werden, wie die Erbschaftssteuer. Weder sollen die linken Unterstützer noch Unternehmer und internationalen Gläubiger zu vergrault werden.
Hoffen auf selbstragenden Aufschwung
Gehofft wird, dass aus dem bisher schwachen Exportwachstum ein selbsttragender Aufschwung wird, wenn die breite Bevölkerung mehr Geld ausgeben kann. Auch Eurozonen-Volkswirt Christian Schulz der großen US-Bank Citi erwartet, dass zwar "die Grenzen der europäischen Fiskalregeln" ausgetestet würden, sich Portugal aber weiter darin bewegen werde.
Die neue Politik könne sich "positiv auf das Wachstum" auswirken, meint auch Schulz, da Ressourcen in der Wirtschaft brachliegen. Dann würden "Steuereinnahmen nach oben schnellen", meint der Analyst, der unverdächtig ist, irgendwelche Sympathien für die Linksregierung zu haben. Und mit denen will die Regierung die geplanten Maßnahmen genauso finanzieren, wie mit höheren Steuern für Gutverdiener und einer Steuer für Millionenerben.
Konkret umgesetzt ist bisher kaum etwas, da die Regierung das Gespräch und den Konsens sucht. Allerdings wurden bisher weitere Privatisierungen gestoppt und es wird versucht, die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP wieder rückgängig zu machen, die nach den Wahlen von den Konservativen als Übergangsregierung noch eilig gegen alle Widerstände abgeschlossen worden war. Das Ergebnis war, dass sofort Aufschläge von 25 bis 100 Euro sogar für Tickets fällig wurden, die schon gekauft worden sind.
Sparmaßnahme: Schluss mit Todesspritzen für Straßenhunde und Katzen
Eine konkrete Veränderung gibt es schon. Die Linksparteien haben einen Antrag der Tierschutzpartei PAN durchgewunken. Die hat erstmals einen Sitz im Parlament und war ebenfalls dafür, dass Costa zum Ministerpräsident ernannt wird.
Damit wird nun der Massenmord an Straßenhunden und Katzen gestoppt. Sie werden nun nicht mehr eingeschläfert, sondern sterilisiert. Das sei sogar billiger, hatte die PAN vorgerechnet. Als Sparmaßnahme auf Druck der Troika wurde bisher massenhaft zur Todesspritze gegriffen.