Präzisionsangriffe in Afghanistan
Viele Zivilisten sterben durch Luftangriffe der Nato-Truppen, erfolgreiche Bombardements könnten allerdings auch Zielen von Taliban-Gruppierungen dienen
Immer wieder kommt es zu angeblich versehentlichen Luftangriffen auf Zivilisten in Afghanistan und im Irak. Zwar heißt es dann meist offiziell, dass Aufständische getötet worden seien, auch wenn es andere Informationen über diese Vorfälle gibt. So war die Bombardierung einer angeblichen Taliban-Stellung für die Air Force erfolgreich, obgleich es sich offensichtlich um eine Hochzeitgesellschaft handelte (Afghanistan: Bomben auf die Hochzeit).
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit finden die Kriege im Irak und in Afghanaistan zunehmend in Form von Bombardierungen statt (Der Luftkrieg im Irak und in Afghanistan). Wenn man sich die Ínformationen auf der Seite der Air Force ansieht, dann hat Afghanistan derzeit den Irak als Schlachtfeld abgelöst. Typisch sind Meldungen wie dieser Ausschnitt aus einem Bericht vom 27. Juli. Für Außenstehende ist eine Beurteilung nicht möglich:
In Afghanistan, Air Force A-10 Thunderbolt IIs fired canon rounds and dropped general-purpose 500-pound bombs onto anti-Afghan forces in the vicinity of Nagalam. Furthermore, an Air Force B-1B Lancer dropped guided bomb unit-31s and 38s onto additional enemy fighting positions in the area. The joint terminal attack controller confirmed the missions successful.
Allerdings könnten die ISAF-Truppen selbst dann, wenn tatsächlich Bewaffnete getötet worden sind, nur als williges Instrument von Aufständischen und anderen Einheimischen benutzt werden, die Tipps geben, um damit ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Das Problem ist schon lange bekannt, betrifft nicht nur Bombardierungen, sondern auch Razzien in Afghanistan und Pakistan - und ist letztlich auch der Grund, warum die meisten der nach Guantanamo aus Afghanistan oder Pakistan Gebrachten Personen keine gefährlichen Terroristen waren. Allerdings stellen die Nato-Truppen ihre Präzisionsangriffe so dar, dass sie immer genauer würden und immer weniger Kollateralschäden verursachten.
Die letzten "Erfolge" der Nato-Luftangriffe, so ein Bericht des Independent, hätten sich nach Informationen aus britischen Sicherheitskreisen auch Hinweisen aus Reihen der Taliban selbst verdankt, die die ausländischen Truppen benutzen, um interne Konflikte durch Beseitigung von Rivalen zu lösen. Informationen, die zum Tod von Taliban-Anführern führten, seien ursprünglich nicht nur afghanischen und pakistanischen Sicherheitskräften, sondern eben auch von Taliban-Kreisen ausgegangen, mit denen die britischen Militärs entgegen offiziellen Verlautbarungen in Kontakt stünden. Die Taliban-Bewegung sei sehr "amorph", berichtete dem Independent ein Sicherheitsexperte. Es scheine einen Machtkampf in den Grenzgebieten zu Afghanistan zu geben. Verschiedene Gruppen würden Informationen weitergeben, die in ihre Agenda passten.
Auch die Tötung des Taliban-Kommandeurs Mullah Dadullah im letzten Jahr durch britische Spezialeinheiten (Rosa Cover) sei durch Hinweise aus Taliban-Kreisen ermöglicht worden. Übernommen hatte seinen Posten dann sein Bruder Mansoor Dadullah, der vor fünf Monaten aber schwer verwundet vom pakistanischen Militär festgenommen wurde. Dadullah habe in Kontakt mit westlichen Diplomaten und der Regierung Karsai gestanden und sich mit 2000 Kämpfern von den Taliban ergeben wollen. Kurz bevor Michael Semple, der Leiter der EU-Mission in Afghanistan, und der UN-Mitarbeiter Mervyn Patterson des Landes verwiesen wurde, hatte ein Talibansprecher Ende 2007 erklärt. Dadullah sei abgesetzt worden, weil er gegen den Willen von Taliban-Chef Mullah Omar gehandelt habe. Zumindest Teile der pakistianischen Scherheitskräfte haben weiterhin gute Kontakte zu den Taliban. Möglicherweise ist Dadullah ausgeschaltet worden, um andere Taliban-Führer zu warnen, mit der afghanischen Regierung oder westlichen Truppen zu verhandeln.