Preise runter!
Die Verlagsbranche will elektronische Bücher genauso teuer anbieten wie gedruckte
Einen Tag vor Beginn der Leipziger Buchmesse (12. – 15. März 2009) () geht die erste deutsche E-Book-Plattform bei Libri.de an den Start. Gleichzeitig tritt der Börsenverein des deutschen Buchhandels mit der eigenen Plattform Libreka in Erscheinung. Konkurrenz belebt das Geschäft – so hofft man in der Branche. Doch das Geschäftsmodell lässt Zweifel am Erfolg aufkommen.
Manch einer wird sich verdutzt die Augen reiben, wenn er in Leipzig ein E-Book in den Händen hält, und ein klassisches Déjà-vu-Erlebnis haben. Gab es das nicht alles schon einmal? Vermutlich wird es Sonys Modell PRS-505 sein, das schön flach und matt silbrig glänzend in der Hand liegt. Das E-Book wird derzeit aktiv von Libri.de und Thalia vermarktet, entspricht aber längst nicht mehr dem state of the art, da es bereits einen besseren Nachfolger gibt. Auch Firmen wie BeBook, txtr und Amazon werden in Leipzig mit ihren E-Readern vertreten sein. Die Geräte, zum Teil schon länger auf dem Markt, kosten ab 300 Euro aufwärts. Nicht zu vergessen das i- und das G-Phone, die ebenfalls beide E-Book-tauglich sind.
Parallel zur Geräteoffensive begleiten zwei Content-Plattformen den deutschen Marktstart. Bei Libri.de sollen ab 11. März mehrere tausend Titel, darunter Bestseller von Ken Follett, Henning Mankell und Eva-Maria Zurhorst, im EPUB-Format, einem offenen Standard für E-Books, zum kostenpflichtigen Download bereitstehen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels bietet auf einem eigenen Portal namens Libreka ebenfalls E-Books an. „Der E-Book-Markt soll keinen Monopolcharakter bekommen“, sagt Detlef Bluhm, Geschäftsführer der Landesstelle Berlin-Brandenburg im Börsenverein. „Alle Marktteilnehmer, sowohl auf Seiten der Verlage wie auch auf Seiten der Buchhandlungen, sollen die Möglichkeit haben, an diesem Markt zu partizipieren.“
Fehlende Inhalte
Etwa 5.000 Buchtitel sind für den Marktstart von Libreka digitalisiert worden. Bis Ende des Jahres könnten es bereits 15.000 Titel sein - wenn alles gut läuft und die Konsumenten mitspielen. Indes sind die Käufer die große Unbekannte in der Rechnung. Bereits vor zehn Jahren, als überall euphorisch vom Rocketbook und Apples Newton die Rede war (Das Zeitalter des elektronischen Buchs), blieb ein erhoffter Kaufrausch aus. Das mag mit der unzureichenden Lesbarkeit auf den kleinen LCD-Bildschirmen zusammengehängt haben. Am heutigen E-Ink-Verfahren, das eine flackerfreie Auflösung bis 200 dpi erlaubt, gibt es allenfalls mangelnde Grauwerte und einen zeitverzögerten Seitenaufbau auszusetzen. Die Lesequalität entspricht fast der von herkömmlichem Papier.
Angesichts des Erfolges von Kindle 1 und 2 bei Amazon in den USA hatte man sich ohnehin gewundert, warum der deutsche Buchmarkt mit den digitalen Lesegeräten gar nicht bedacht wird. Der Grund ist einfach: Es fehlten die Inhalte. „In der Branche wird seit langem überlegt, ob und wie man mit dem Thema umgeht“, berichtet Detlef Bluhm. „Erst als in Amerika der Kindle herauskam, sind die deutschen Verlage richtig wach geworden. Bis man dann zu einer Strategie findet und eine Plattform wie Libreka aufbaut, vergeht eben viel Zeit.“
Abenteuerliche Preisgestaltung
Momentan sind alle großen Publikumsverlage und auch viele kleinere Fachverlage mit der Produktion von E-Books befasst. Viel Geld wird in die Serverarchitektur und in die Umformatierung der Bücher investiert - Geld, das die Branche wieder einspielen will. Dazu hat sie sich ein abenteuerlich anmutendes Geschäftsmodell einfallen lassen. Obwohl keine Herstellungskosten für Druck, Papier, Lagerung und Logistik anfallen, sollen E-Books genau so teuer angeboten werden wie eine Printversion. Detlef Bluhm erklärt dazu:
Wir sind der Meinung, und es gibt da auch keine nennenswerte rechtliche Stimme, dass elektronische Bücher preisgebunden sind. Man muss die Bücher jetzt erst mal einzeln verkaufen, weil die Investitionen so hoch sind. Betriebswirtschaftlich wäre es Wahnsinn, E-Books preiswerter anzubieten. Man spart zwar den Prozess der körperlichen Herstellung, hat aber ganz andere Vorlaufskosten. Von daher sind auch Subskriptionsmodelle preisbindungsrechtlich schwierig. Die Zeit ist auch noch nicht reif, um über solche Geschäftsmodelle nachzudenken.
Detlef Bluhm
Theoretisch ist jeder Verlag frei in seiner Preisgestaltung und könnte elektronische Bücher günstiger anbieten als gedruckte. Schließlich handelt es sich um unterschiedliche Ausgaben. Doch es fehlt an Willen und Einsicht. Die Branche gibt zwar vor, von der Musikindustrie gelernt zu haben, die noch immer schwer an der Digitalisierung trägt. Deswegen sollen deutsche E-Books keinen Kopierschutz per Digital Rights Management (DRM) aufweisen. „Es hat sich gezeigt, dass jede Form von DRM sinnlos und letztlich immer zu knacken ist“, sagt Bluhm. „Es kompliziert nur den Umgang mit elektronischen Büchern.“
Wasserzeichen statt DRM
Folglich wird man auch ein E-Book weiterhin Freunden ausleihen können, ohne gleich den teuren Reader aus den Händen geben zu müssen. Allerdings werden die E-Books Wasserzeichen aufweisen, die den Namen des Erwerbers, des Verkäufers sowie eine Vorgangsnummer beinhalten. In Sachen Piraterie gibt sich die Buchbranche traditionell abgeklärter als die Musikindustrie. Sie ist sich bewusst, dass bei Pirate Bay quasi alle gängigen Titel als handgescannte PDFs vorliegen. Als der Hörbuchverlag ein Jahr lang recherchieren ließ, wie viele illegale Exemplare eines Harry-Potter-Bandes im Netz kursieren, kam die stolze Zahl 256.000 heraus. Die Geschichte des Buchdrucks ist voller Beispiele für Piraterie: vom Jahrhunderte langen Abschreiben und Plagiieren bis zur Raubdruckszene in den 1968er-Jahren.
Umso mehr verwundert es, dass die Verlage nicht einen Schritt weiter gehen: Von Apple lernen, heißt siegen lernen. Der iTunes-Store könnte als Beispiel dafür dienen, dass nur kostengünstige digitale Angebote auf dem Markt eine Chance haben. Hätte Apple Musikstücke für zwei Euro angeboten und ein komplettes Digitalalbum zum gleichen Preis wie eine CD, wäre die Plattform wohl kaum so erfolgreich geworden. Für die Verlagsbranche muss die Losung daher lauten: Preise runter. Sonst wird das nichts.
Die meisten Leseratten wollen auf die sinnliche und ästhetische Qualität eines realen Buches nicht verzichten, das sie beim Lesen, anders als eine Musik-CD, fest in den Händen halten. Schon im Fall von digitaler Musik bezweifeln manche, ob es sich hierbei – mangels Tauschwert – um Waren handelt, für die ein Preis verlangt werden kann. Bei digitalen Büchern verschärft sich dieses Problem. Fast scheint es, als würden Verlage darauf setzen, dass ihre Klientel zu alt für die Tauschbörse ist, anstatt junge Leser durch attraktive Angebote ins Boot zu holen.