Preisexplosion bei Düngemitteln – eine Chance für die Agrarwende?

Seite 2: Effizienter düngen – mit Gülle, Jauche und Mist

Wird der Stickstoff hierzulande zu 93 Kilogramm pro Hektar als Kunstdünger auf die Felder gebracht, so besteht er immerhin zu 96 Kilogramm als Gülle und Mist. Die ausgebrachten Mengen konzentrieren sich vorwiegend in den Regionen, in denen Schweine, Rinder und Geflügel intensiv gemästet werden, etwa in Niedersachsen oder in Nordrhein-Westfalen.

Auch bei tierischen Exkrementen gibt es vom Stall bis auf den Acker enorme Emissionen an Ammoniak und Stickoxiden sowie klimaschädlichem Lachgas. All diese Verbindungen werden leicht vom Regen ausgewaschen.

Allerdings bilden im Gegensatz zum Kunstdünger Gülle, Jauche und Mist mehr oder weniger effiziente Stoffkreisläufe, räumt Philipp Löw ein. Ziel müsse es sein, den Wirtschaftsdünger effizienter zu nutzen, erklärt der Agrarforscher des Thünen-Instituts in Braunschweig.

Dafür braucht es ein optimiertes Ackerbaumanagement – zum Beispiel über zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen: neben Zwischenfrüchten wie Leguminosen in sinnvollen Fruchtfolgen mit schonender Bodenbearbeitung und Humusaufbau.

Was die Preissteigerungen bei Kunstdünger angeht, so begreift der Agrarexperte die aktuelle Krise als Chance, effiziente Landwirtschaft und Naturschutz zu verbinden. Denn, so glaubt er, wenn die Bauern Boden, Klima und Umwelt schützen, profitieren am Ende alle davon.

Farm-to-Fork: Weniger Düngermittel – weniger Pestizide

Können wir uns Ökolandbau überhaupt leisten, fragen Agrarexperten häufig. Inzwischen muss die Frage lauten: Können wir uns die konventionelle Landwirtschaft noch leisten?

Teure Düngerpreise sind nur die sichtbaren Kosten in der Gesamtbilanzierung. Ausgelaugte Böden, vergiftete Böden, belastetes Grundwasser und Ähnliches sind die versteckten Kosten, die in keiner betriebswirtschaftlichen Rechnung auftauchen, die aber die nächste Generation wird bezahlen müssen. Die Kosten für die Aufarbeitung des Trinkwassers ist hierin nicht mit eingerechnet.

Die im Rahmen des europäischen Green Deal beschlossenen Farm-to-Fork-Strategie sieht vor, die Mengen an Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren. Europas Bauern sollen 20 Prozent weniger Düngemittel einsetzen.

25 Prozent der europäischen Agrarflächen sollen ökologisch bewirtschaftet werden. Bislang fehlten präzise Angaben darüber, wie und in welchen Zeiträumen die Bauern diese Ziele erreichen sollen, klagte Topagrar-Autor Konstantin Kockerols vor knapp einem Jahr.

Allerdings war da die aktuell kriegsbedingte Verknappung und Verteuerung von Düngemitteln noch nicht abzusehen. Angesichts der enormen Preiserhöhungen bei Düngemitteln forderten der EU-Agrarkommissar und Vertreter des Deutschen Bauernverbandes kürzlich, die oben genannten Ziele "auf den Prüfstand zu stellen" und gegebenenfalls zu "korrigieren".

Doch wenn wir jetzt nicht umsteuern, warnen hingegen Experten, werde die Stickstoffbelastung durch Kunstdünger langfristig enorme ökonomische Schäden verursachen. Die beschriebenen konkreten Ansätze können und sollen helfen, die Farm-to-Fork-Strategie, die die EU-Kommission vor knapp zwei Jahren formulierte, endlich auf den Weg zu bringen.

Ökologische Landwirtschaft – ein Weg aus der Krise?

Eine andere häufig gestellte Frage ist: Kann der Ökolandbau überhaupt alle Menschen ernähren? Wer immer nur auf die geringeren Erträge im Vergleich zum konventionellen Anbau verweist, sollte genauer hinschauen. Denn es gibt große Unterschiede innerhalb der Kulturen. So können die Erträge bei Feldsalat schon mal bei 90 Prozent, bei Äpfeln bei 76 Prozent liegen.

Manchmal ernten Biobauern sogar bis zu einem Drittel mehr Mais, weil ihre Systeme besser mit Trockenheit klarkommen. Im Soja-Anbau konnten Demeter-Bauern bereits größere Ernten einfahren, weil ihr Boden mit mehr Humus angereichert ist.

Auch unter tropischen Klimabedingungen hat sich die ökologische Bewirtschaftung bewährt. Denn hier wird häufig natürlicher Dünger, wie etwa Kompost, eingesetzt. Das zeigt eine Langzeituntersuchung, die von 2007 bis 2019 verschiedene Anbausysteme in Kenia, Indien und Bolivien miteinander verglich.

Mittlerweile sind wir in einer multifaktoriellen Krise angekommen: Neben fortschreitendem Klimawandel sind die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise noch nicht aufgearbeitet.

Als wären das nicht genug Probleme, haben wir nun auch noch einen Krieg in Europa, der Verteuerungen in allen Bereichen mit sich bringt. So entwickelt sich unser Luxus-Leben mit vormals niedrigen Ölpreisen allmählich zu einer Frage des Über-Lebens.

Wie können wir unsere Nahrungsmittelproduktion den sich ändernden Bedingungen anpassen? Diese Frage ist aktueller denn je. Die Antworten liegen auf dem Tisch: Indem wir unsere Lebensmittel ohne synthetische Düngemittel und Pestizide produzieren, in Betrieben mit nachhaltiger Kreislaufwirtschaft, der möglichst wenige Ressourcen von außen zugeführt werden.

An die Stelle von Mineraldünger und Pestiziden treten betriebseigene Wirtschaftsdünger und Futtermittel, mechanische Beikrautregulierung, Nützlinge, Humusaufbau und vielfältige Fruchtfolgen. Eine solche Agrarwende geht natürlich nicht von heute auf morgen. Der Vorteil in Bezug auf das Düngen läge auf der Hand: Wir müssten, um eigene Lebensmittel zu produzieren, zumindest keinen teuren Importdünger mehr einkaufen.