Premiere sendete live Judenwitze aus der Big-Brother-Show

Die Süddeutsche Zeitung war fast dabei

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Michele wohnt und arbeitet in Hamburg als Kellner. Er ist 22 Jahre alt, hat vier Schwestern und zwei Stiefbrüder, und seine Familie stammt aus Italien. Und Michele hat nun für einen Skandal gesorgt, der den deutschen Blätterwald rauschen lässt und der zwei Redakteuren des TV-Senders Premiere inzwischen sogar den Job gekostet hat. Zwar liegt das, was nun den Skandal verursacht hat, bereits zehn Tage zurück. Aber gut Ding braucht halt Weile. Und richtig schnell sind eben auch nicht die Kollegen der Süddeutschen Zeitung, die am heutigen Mittwoch als erste über das Skandalöse berichtet haben. Sie sind vermutlich eher zufällig beim Netzsurfen auf das Big-Brother-Forum bei Ioff.de gestoßen, wo schon seit Tagen ausführlich über Micheles Verfehlungen gestritten wird.

In dem erwähnten Forum gibt es auch ein Tagebuch, das die Gespräche im Big-Brother-Container genauestens dokumentiert. Und dokumentiert ist dort natürlich auch der Skandal:

Jetzt erzaehlt Michele grade Judenwitze. Sie nennen sie "Jugendwitze", weil jemand in der Runde "Judenwitze" sagte und jemand anderer so getan hat als wuerde er es missverstehen (hab nicht mitgekriegt, wer das gesagt hat). Alle lachen ueber die Witze. Mark meint: Oh, wie geil!

Ich geb die nicht wieder, aber er erzaehlt grade den 4. oder 5. Witz. Nennt sie jetzt "die Jots" ("J.").

Mark fragt nach mehr Witzen von J. Wirft zwischendurch ein, "Witze, die die Welt nicht braucht".

Pk (also: persönlicher Kommentar des Tagebuchschreibers): Unglaublich. Der gute Michele gehoert sofort rausgenommen, die, die drueber gelacht haben, mit massenhaft Geschichtsstunden bestraft.

Empört war nicht nur der Tagebuchschreiber, sondern auch die meisten Forumsteilnehmer. Und viele forderten den sofortigen Rauswurf des kleinen Italieners, der übrigens wenige Tage später von den Zuschauern sowieso aus dem Spiel herausgewählt wurde. Danach war der Vorfall so gut wie vergessen, bis die Süddeutsche ihn jetzt entdeckte. Und inzwischen hat nicht nur Premiere reagiert, sondern auch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die nach Angaben der Süddeutschen den Vorgang als "Verletzung der Menschenwürde" einstuft und den Fall streng ahnden will.

Dass ausgerechnet ein italienischer Kellner im deutschen Fernsehen geschmacklose Judenwitze erzählt, ist ja nicht ohne Komik. Aber noch komischer ist die enorme Aufregung, die dieser Tabubruch jetzt verursacht hat. Und Schuld haben angeblich vor allem die damals verantwortlichen Redakteure, die die nächtliche Live-Übertragung nicht rechtzeitig abgebrochen haben. Vermutlich sind sie bei dem Dumpfbacken-Geschwätz im Container einfach kurz eingenickt. Dadurch wurde nun also unser ach so unschuldiges Land mit etwas konfrontiert, was in deutschen Kneipen, auf Fußballplätzen oder Schulhöfen fast täglich geschieht: Das Erzählen von menschenfeindlichen Witzen, deren Opfer Juden, Schwarze, Türken und Frauen sind. Und davor schützt uns übrigens kein noch so wacher Redakteur. Nein, das müssen wir dann schon selber tun.