Pressefreiheitsindex der Reporters sans frontières

Glück gehabt - Platz 7 für Deutschland

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Langsam nerven die Finnen. Wie üblich geht der erste Platz auch in dieser Statistik an das Land der Rentiere und Saunas (allerdings sind die Werte in Island, Norwegen und den Niederlanden genauso gut, und Finnland hat nur aus alphabetischen Gründen optisch die Nase vorn). Auch der letzte Platz (die Nummer 138), Nordkorea, ist wenig verwunderlich. Aber dazwischen gibt es ein paar nette Überraschungen.

Kennen Sie Benin? Eingequetscht zwischen Togo (da war neulich Bürgerkrieg) und Nigeria (das ist das Land, wo die Islamisten demnächst Frauen steinigen wollen), ist Benin ein kleines, bitterarmes (laut Fischer Weltalmanach: $370 Jahreseinkommen) Land, mit zwei Dritteln Analphabeten, einer bestürzenden Säuglingssterblichkeit von 10% - und einer funktionierenden Demokratie, die Wichtigeres zu tun hat, als die Presse zu gängeln. Das gibt Platz 21.

Den muss sich Benin allerdings teilen, mit Uruguay und dem Vereinigten Königreich. Den Briten scheint vor allem der Contempt of Court Act diesen Platz beschert zu haben, mit dem ein Gericht einen Journalisten zur Preisgabe seiner Quellen zwingen kann. Aber kein Grund, auf der Insel übermäßig bestürzt zu sein. Immerhin kommt Österreich erst auf Platz 26 (obwohl man sich dort viel Mühe gab, die Platzierung weiter nach unten zu schieben, und erfolgreich eine Reihe von Telepolisartikeln generieren konnte) und Italien, das Reich, in dem ein Zapper nie Berlusconi-Kanäle verlässt, (vgl. Berlusconi und die italienischen Medien) auf Platz 40.

Auf dem 99. Platz findet sich EU-Beitrittskandidat in spe Türkei hinter Ländern (und teilweise weit hinter ihnen) wie Israel oder die Palästinensischen Autonomiegebiete, Kongo oder Zentralafrika, Algerien oder Kuweit. Es beruhigt nur wenig, unsere Freunde in der arabischen Welt, Ägypten und Saudi-Arabien, auf den Plätzen 101 und 125 wiederzufinden.

Erstaunlicher, dass es die USA auf Platz 17 gebracht haben. Noch vor wenigen Jahren hätte jedermann unterschrieben, dass die Vereinigten Staaten geradezu die Versinnbildlichung von Pressefreiheit sind, bis hin zum Anything goes. Vanessa Leggett würde vermutlich nicht mehr unterschreiben. Allgemein änderte sich das Klima der Pressefreiheit nach dem 9/11 sehr spürbar. Ob es in den USA wirklich weniger Restriktionen als in Griechenland, Großbritannien oder Spanien gibt?

Regelmäßig ist in Amnesty-International-Berichten der Deutschlandeintrag dicker als der zahlloser Folterländer, weil es einfacher ist, den Splitter im eigenen Auge zu finden als den Balken im Auge eines fernen Landes ohne fließend Wasser und Klimaanlage. Gleichwohl erscheint der 7. Platz für Deutschland sehr schmeichelhaft. Da haben wir einen Spitzenpolitiker namens Müntefering, der Strafanzeige gegen eine Zeitung stellt, weil diese die Selbstbereicherung von Politikern aufdeckt. Zum Glück hielt auch in diesem Fall die Allianz der Medien über die politische Ausrichtung hinweg. So, wie anno 1962 der inhaftierte Augstein die Hilfe der anderen Hamburger Verlage erfuhr (nicht einmal Axel Springer stand abseits, machte diesmal Spiegel-Chefredakteur Aust keinen Hehl aus seiner Meinung.

À propos Hamburg. Dort sollen Journalisten verwanzt werden - was anscheinend in anderen Bundesländern schon langer praktiziert wird.

Eine anscheinend weitgehend ignorierte Form der Einschränkung der Pressefreiheit ist die Industrierepression. Schreib das Falsche über eine Firma ("Gibt'n Problem mit Ihrem Familiennamen"), und du wirst abgemahnt. Setz' Informationen über Scientology ins Internet, und man wird dich freundlich darauf hinweisen, dass deine Informationen geistiges Eigentum eben jener Organisation sind und man dir leider kein Nutzungsrecht einräumen könne.

Wird dem nicht Einhalt geboten, dann könnte in wenigen Jahren in den Industriestaaten diese entstehende und weiter wuchernde Form der Privatgesetzgebung deutlich mehr Repression für den Journalismus bedeuten als staatliche Maßnahmen.