Prima Klima mit Merkel?

Beim Streit um die Klimaziele beim G8-Gipfel geht es schon um die Verantwortung für ein Scheitern

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Die Bush-Regierung galt schon in der Vergangenheit in der Frage des Klimaschutzes als absoluter Buhmann. Schließlich hatte sie das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet und sich auch sonst kaum bereit gezeigt, sich als Klimaretter zu profilieren. Noch vor nicht zu langer Zeit galt die Annahme einer weltweiten Klimaänderung als unbewiesene Behauptung. Die aufgeregten Debatten der letzten Monate um die Rettung des Klimas haben diese Stimmen zwar nicht zum Verstummen gebracht, allerdings haben sich auch in den USA mittlerweile auf regionaler Ebene breite Koalitionen gebildet, die offen Europas Vorreiterrolle in Sachen Klimapolitik loben.

Besonders der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Al Gore hat sich in der letzten Zeit als Sprecher einer ökologischen Marktwirtschaft viel Sympathie in aller Welt verschafft. Auch die mächtigste Oppositionspolitikerin der USA, die Sprecherin des US-Senats Nancy Pelosi, sprach sich bei ihrem Kurzbesuch in Deutschland in recht allgemeiner Form für einen besseren Klimaschutz allerdings unter „Berücksichtigung der Bedürfnisse des Marktes“ aus. Pelosi würdigte auch die deutsche Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz und ging damit auf Distanz zur Regierungsposition. Merkel versäumte es nicht, Pelosi als ihre Verbündete in Sachen Klimaschutz gegen die US-Regierung in Stellung zu bringen. Doch eine solche Positionierung ist nicht ohne Probleme für US-Oppositionspolitiker.

Sicherlich werden die klimapolitischen Bestrebungen, die ja von Oppositionsgruppen bis zum Gouverneur Schwarzenegger reichen, von breiten Teilen der Bevölkerung in den USA unterstützt. Doch es gibt vor allem in konservativen Kreisen noch immer genügend Menschen, die die harte Haltung der Regierung mittragen, in der Debatte um die Klimaziele vor allem den Versuch der Konkurrenten sehen, die US-Wirtschaft zu schwächen und schon mal gar nicht auf einen moderaten Klimakurs einschwenken, wenn das von den europäischen Staaten gefordert wird. Oppositionspolitiker, die in den USA Karriere machen wollen, können diese Stimmen nicht einfach ignorieren, deshalb gab Pelosi in Berlin auch nicht Al Gore Recht, sondern blieb bei allem Lob für Deutschland in der Sache letztlich doch eher vage.

USG OVERARCHING AND FUNDAMENTAL CONCERNS WITH CLIMATE LANGUAGE: The U.S. still has serious, fundamental concerns about this draft statement. The majority of our comments on the previous draft have not been addressed and some new, problematic text has been added. The treatment of climate change runs counter to our overall position and crosses multiple “red lines” in terms of what we simply cannot agree to. This document is called FINAL, but we have never agreed to any of the climate language present in the document. Our comments and reasoning are in the document below. We have tried to “tread lightly” but there is only so far we can go given our fundamental opposition to the German position.

Vorspann zum von der US-Regierung überarbeiteten und zusammen gestrichenen Textentwurf der Bundesregierung

Keine konkreten Verpflichtungen

Die US-Regierung hat den Textentwurf der Bundesregierung gründlich verändert und in wesentlichen Punkten zusammengestrichen. Nichtregierungsorganisationen haben das Dokument mit den Veränderungen nun veröffentlicht. In dem überarbeiteten Dokument wird viel Wert auf technologische Innovationen gegen den Klimawandel gelegt. Doch wo es um konkrete internationale Verpflichtungen auf bestimmte Klimaziele geht, wurde in dem Dokument konsequent alles herausgestrichen. Hinweise auf die Klimaschutzbestrebungen der Vereinten Nationen sollen nach den Vorstellungen der US-Beamten ebenso wegfallen, wie die Absichtserklärung bis zum Jahr 2009 ein internationales Klimaabkommen zu erreichen. Auch der Vorsatz, beim nächsten G8-Gipfel im Jahr 2008 die ersten Fortschritte der Übereinkunft vorzustellen, soll aus der Erklärung verschwinden.

Hier besteht der offene Widerspruch zur Linie von Bundeskanzlerin Merkel, die gerade eine solche konkrete Zahl als großen Erfolg ihrer Verhandlungsdiplomatie herausstellen möchte. Dafür wurden mehrere Abschnitte in den Text hineingeschrieben, in denen die Bedeutung von Organisationen wie der Weltbank bei Verbesserungen des Klimaschutzes festgeschrieben werden soll. Ansonsten setzten die USA vor allem auf den freien Markt und die Technik.

Wie reagierte China und Indien?

Die USA sind dabei längst nicht so isoliert, wie es in Teilen der deutschen Presse scheint. Eher steht in dieser Frage ein Teil Europas gegen den Rest der Welt. Selbst in Europa ist der Vorrang des Umweltschutzes im Sinne Merkels nicht überall gleich stark anzutreffen. Sicherlich würde es bei einer tieferen Kontroverse zu diesem Thema eine Differenzierung in ein altes und neues Europa geben, wie es schon beim Streit um den Irakkrieg deutlich wurde. Ist es denkbar, dass beispielsweise Polen wegen des Klimaschutzes einen Konflikt mit den USA riskiert?

Noch wichtiger aber ist, dass auch Länder wie China und Indien kein großes Interesse an verbindlichen Klimazielen haben, wie sich gerade beim Asien-EU-Treffen (ASEM) in Hamburg wieder gezeigt hat. Sie sehen sich dadurch in ihren wirtschaftlichen Plänen als aufstrebende Schwellenländer behindert. Den Europäern wird unter anderem vorgeworfen, dass sie mit den ehrgeizigen Klimazielen lästige wirtschaftliche Konkurrenz verhindern will. Schließlich mussten die Europäer bei ihren Wirtschaftsaufschwung auf solche Klimaziele keine Rücksicht nehmen.

So könnte sich beim G8-Gipfel eine Situation ergeben, dass sich die USA, China, Indien und auch Russland mit unterschiedlichen Gründen gegen die Vereinbarung verbindliche Klimaziele wehren und jedes Land kann später darauf verweisen, es habe nicht an ihm allein gelegen, dass die hehren Ziele nicht erreicht wurden.

Merkel baut vor

Ein solches Ergebnis wäre vordergründig ein Imageschaden für Merkel, die sich schließlich lange für die Klimaziele stark gemacht und damit auch viele Hoffnungen geweckt hatte. Schon bei der Regierungserklärung in der letzten Woche versuchte sie, diese Hoffnungen zu dämpfen. Die offene Austragung der Kontroverse um die Klimaziele könnte schon ein Teil von Merkels Verteidigung nach einem missglückten G8-Gipfel sein. Es bleiben dann zwei Szenarien. Entweder Merkel gelingt doch noch ein passables Ergebnis. Dann kann sie sich als die Frau feiern lassen, die es geschafft hat, sogar Bush umzustimmen.

Doch selbst wenn das nicht gelingen sollte und konkrete Klimaziele abermals verschoben würden, kann Merkel in Deutschland noch punkten. Es muss nur gelingen, die USA für einen Misserfolg beim Klimaschutz verantwortlich zu machen. Die Debatte vor Beginn des Gipfels hat dafür die Grundlage schon gelegt.

Auch für die Gipfelproteste bleibt die aktuelle Debatte nicht ohne Folgen. Der Teil der globalisierungskritischen Bewegung, der Vorschläge für eine bessere Globalisierung unterbreitet, wird Merkel jetzt mehr oder weniger offen auffordern, beim Klimaschutz gegenüber den USA hart zu bleiben So wie im Jahr 2005 ein Teil der Globalisierungskritiker gemeinsam mit dem britischen Premierminister Blair den Hunger und die Armut zur Geschichte machen wollte (Armut wird nicht der Geschichte angehören), könnte in Heiligendamm ein Teil der NGOs mit Merkel für ein besseres Klima streiten. Dann wäre es auch gar nicht so unverständlich, warum in den letzten Tagen nicht nur Merkel, sondern auch Bundesinnenminister Schäuble friedliche Demonstrationen in Heiligendamm so demonstrativ begrüßten.