Profiteur des Ukraine-Krieges
"War starts here": Bundesweiter Aktionstag gegen Rheinmetall und Arbeiterproteste in Südeuropa, Russland und Belarus im Kontrast zu bürgerlichen Boykott-Debatten
Eine weitere Eskalation im Konflikt um die Ukraine wurde hierzulande kaum wahrgenommen. Bewusst am 8. Mai unterschrieb US-Präsident Biden das Lend-Lease-Gesetz, das weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ermöglichen soll.
Die Ursprungsversion dieses Leih- und Pacht-Gesetzes wurde 1941 im Kampf gegen Hitler-Deutschland geschaffen, um zunächst Großbritannien zu unterstützen.
Mit der aktuellen Version wurde am Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus ein Zeichen dafür gesetzt, dass im globalen Kampf der kapitalistischen Player der sogenannte Westen auf die totale Kapitulation Russlands und dahinter auch Chinas setzt.
Das Schlachtfeld aber wären die Ukraine und Europa. Da fragt man sich schon, wo die Hunderttausenden bleiben, die in den 1980er-Jahren die deutsche Friedensbewegung auf die Straße gebracht hat, als im kalten Krieg die Atomkriegsgefahr längst nicht so groß war, weil die Doktrin der Abschreckung noch funktionierte.
Allerdings träumten schon damals die besonders rechten Kreise in den USA davon, die Sowjetunion zu besiegen, was US-Präsident Ronald Reagan auch öffentlich bekannt machte, als ein Mikrofon irrtümlich eingeschaltet war. Wie heute über die Kriegsgefahr diskutiert wird, konnten wir vor einigen Tagen in der ARD-Talkrunde bei Anne Will beobachten.
Der ukrainische Botschafter und Bandera-Freund Andrej Melnyk, der in der Tradition ukrainischer Nationalisten sein Land als Aufmarschgebiet gegen Russland anbietet, gab den Takt vor. Eine Politikern der Grünen und ein pensionierter CDU-Politiker sekundierten ihm. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert duckte sich ganz weg und war zu keiner klaren Aussage zu bewegen.
Als Vertreter der bürgerlichen deutschen Friedensbewegung war der Soziologe Harald Welzer in der Debatte so etwas wie die Stimme der Vernunft. Doch an seiner Position wird auch das Dilemma deutlich, dass da wenig Bewegung ist. Stattdessen geht es um einen Appell an die Regierung, doch nicht immer mehr Waffen an die Ukraine zu liefern. Dass es um das Schlachtfeld im Kampf der globalen Kapitalfraktion geht, wird von ihm natürlich nicht angesprochen.
"Krieg beginnt hier"
Da war es schon ermutigend, dass am 10. Mai ein bundesweiter Aktionstag gegen den Rheinmetall-Konzern stattfand, organisiert vom Bündnis "Rheinmetall entwaffnen". Unter dem Motto "War starts here" hatte es in den letzten Jahren an verschiedenen Standorten von Rheinmetall als Kriegstreiber markiert.
Der Konzern gehört zu den großen Profiteuren des Ukraine-Konflikts und rechnet aktuell mit einer Verdopplung seiner Geschäfte mit der Bundeswehr. Der Aktienkurs ging steil nach oben, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar ein Sondervermögen in Höhe von 100 Millionen Euro für das Militär in Aussicht gestellt hatte.
Vor der Corona-Pandemie waren Rheinmetall-Jahreshauptversammlungen immer wieder von Protesten begleitet, deshalb behielt der Vorstand auch die digitale Form bei. Die Kritiker protestierten trotzdem am Aktionstag in verschiedenen Städten, in Berlin vor dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, einem Lobbyverband der Rüstungsindustrie.
Rheinmetall macht keine Kunst
Noch 2014 sind Schmiergelder des Konzerns geflossen, um einen 100 Millionen-Auftrag beim russischen Militär zu ergattern. Es ging um Hightech-Ausrüstung für ein Gefechtszentrum im russischen Mulino, 330 Kilometer östlich Moskau. Nach der Annexion der Krim 2014 untersagte die Bundesregierung das Geschäft.
Heute liefert eine Rheinmetall-Tochter in Südafrika indirekt Munition für den Krieg im Jemen. Das sind nur einige Beispiele, die die Parole "War starts here" ("Krieg beginnt hier") belegen. Darüber soll auch auf einem einwöchigen Aktionscamp von "Rheinmetall entwaffnen" diskutiert werden, das vom 30. August bis 4. September 2022 in Kassel stattfinden soll. Parallel zur Kunstmesse Documenta soll hier daran erinnert werden, dass Kassel ein wichtiger Rüstungsstandort ist.
"Dort werden wir gemeinsam diskutieren, uns bilden, Kontakte knüpfen und mit ungehorsamen Massenaktionen die Rüstungsindustrie in Kassel blockieren", beschreibt eine Aktivistin gegenüber Telepolis das Programm.
Arbeiter gegen Krieg und Aufrüstung
Das Camp in Kassel wäre auch eine Gelegenheit für die Diskussion darüber, wie Beschäftigte der Schlüsselbereiche dafür gewonnen werden können, Kriegsvorbereitungen mit Streiks und Blockaden zu verhindern. Schließlich gab es dafür in den letzten Wochen erfolgreiche Beispiele in Griechenland, Italien, Belorussland und Russland.
Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet der Papst in einer Erklärung zum Ukraine-Krieg nicht nur der Nato eine Mitverantwortung gab, sondern auch daran erinnerte, dass Arbeiter in aller Welt den Krieg stoppten könnten.
Umso mehr ist es an der Zeit, dass auch die antimilitaristische Bewegung sich damit befasst. Es ist sicher nicht leicht, Rheinmetall-Beschäftigte für einen Streik gegen die Panzerlieferungen in die Ukraine zu gewinnen. Das sollte aber kein Hinderungsgrund sein, Beispiele, wo sich Arbeiter gegen Krieg und Militarismus engagieren, bekannter zu machen und mit den Protagonisten darüber zu diskutieren.
Dies wäre auf jeden Fall sinnvoller, als sich gemeinsam mit den westlichen Regierungen in Boykott-Debatten zu verlieren. Letztere sind eine Folge davon, dass in den letzten Jahrzehnten auch unter Linken statt auf selbstorganisierte Aktionen von Lohnabhängigen auf illusionäre Konzepte einer angeblichen Konsumentendemokratie gesetzt wird.
Das bedeutet konkret auf die Ukraine bezogen, die Mehrheit der Bevölkerung solle den Gürtel enger schnallen – für politische Ziele die von den Regierungen vorgegeben werden. Dabei wäre es an der Zeit, auf allen Seiten Krieg und Aufrüstung auszubremsen, indem Arbeiter sich weigern, dabei mitzumachen.