Propaganda und Kriegsalltag in der Ost-Ukraine
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Auf verschlungenen Wegen bezieht die Ukraine Steinkohle aus den "Volksrepubliken"
"Aufhören", schreit Sergej Anatolijewitsch. Nun sind die Presslufthämmer still und wir können uns unterhalten. Wir befinden uns in 750 Meter Tiefe im Schacht Cholodnaja Balka (Kalte Schlucht). Das Bergwerk des staatlichen Unternehmens Makejewugol befindet sich zwanzig Autominuten östlich von Donezk im Gebiet der Stadt Makejewka.
Um zu dem im März neu erschlossenen Flöz zu kommen, brauchen wir eine geschlagene Stunde. Mit einem Aufzug, einem Sessellift und einem langen Fußmarsch ging es in nur schwach beleuchteten Stollen immer weiter nach unten.
Schichtführer Sergej Anatolijewitsch hat 240 Mann unter sich. Er verdient umgerechnet 520 Euro im Monat. Schon sein Vater habe in diesem Schacht gearbeitet, erzählt Sergej, auf den zuhause eine Frau und zwei Kinder warten.
Zehn Bergarbeiter meldeten sich zur Front ab
Wie es mit der "Volksrepublik Donezk" (DNR) weiter geht? "Ich wurde in einem großen Land geboren, der UdSSR, und ich träume davon, wieder in einem großen Land mit verschiedenen Republiken zu leben", sagt der Schichtleiter. Er sagt das ohne zu zögern mit einem Grinsen, so als sei es die größte Selbstverständlichkeit der Welt. Putin könne den Donbass "zur Zeit" nicht aufnehmen. Dafür hat Sergej Verständnis.
Zehn Bergarbeiter seiner Abteilung hätten sich als Freiwillige zur Front abgemeldet, erzählt der Schichtleiter. Von der Maidan-Revolte in Kiew habe er nie etwas gehalten, erzählt Sergej. Er selbst habe in Donezk gegen den Maidan demonstriert. Immer wieder hört man in der DNR von den einfachen Leuten die Meinung, "während wir arbeiteten, haben die in Kiew demonstriert". Der Donbass war wirtschaftlich, auch nach der Auflösung der Sowjetunion, mit Russland verbunden, weshalb sich die Ost-Ukrainer von einer EU-Assoziation nichts versprachen.
Den Konflikt mit der Ukraine könne man nur mit Gesprächen lösen, meint Sergej. Aber eine Wiedervereinigung der "Volksrepublik" mit der Ukraine hält er nicht mehr für möglich. "Das ist unumkehrbar."
Über die Lohnrückstände redet Sergej nicht. Die Kumpel bekommen offiziell umgerechnet 300 Euro monatlich. DAN, die Nachrichtenagentur der Volksrepublik Donezk, meldete Ende Juni, die Bergarbeiter hätten für die ersten drei Monate dieses Jahres 70 Prozent ihres Lohnes erhalten.
Doch dass im Kriegsgebiet überhaupt Löhne gezahlt werden, ist absolut nicht selbstverständlich. Viele Fabriken sind beschädigt und stehen still, weshalb viele Menschen von den Renten ihrer Großeltern leben, die sie sogar noch im ukrainischen Gebiet abholen müssen, weil Kiew in die "Volksrepubliken" nichts überweist.