Propaganda von Sarkawi

Auf einer Audiodatei spricht der Terroristenchef von angeblich großen Verlusten der Amerikaner im Irak und ruft zum Dschihad auf, der den Islam und die Scharia auf der ganzen Welt verbreiten soll

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Nach einer im Internet veröffentlichten Audiodatei, die von dem Terroristenführer Abu Musab al-Sarkawi stammen soll, behauptet der Sprecher, dass der Angriff im Dezember mit Katjuscha-Raketen vom Libanon auf Israel auf Anweisung vom "Scheich der Mudschaheddin", Osama bin Laden, geschehen sei. Sollte dies zutreffen, so hat die Sarkawi-Gruppe es geschafft, sich in den Libanon auszudehnen. Möglicherweise ist die al-Qaida-Gruppe auch in Verbindung mit der Hisbollah oder aber in Konkurrenz mit ihr getreten.

Eines der wenigen Bilder, die von Sarkawi in den Medien zirkulieren

Nach dem Raketenangriff hatte sich die Sarkawi-Gruppe bereits in einer Mitteilung auf einer Webseite als dafür verantwortlich bezeichnet. Eine Gruppe von "al-Qaida-Löwen" habe es geschafft, die Raketen gegen den "jüdischen Staat" abzufeuern und wieder sicher unterzutauchen. Die "Volksfront für die Befreiung Palästinas/Generalkommando" (PFLP-GC) und die Hisbollah beteuerten, mit dem Angriff nichts zu tun zu haben. Israel hat als Vergeltung ein Lager der PFLP-GC in der Nähe Beiruts mit Flugzeugen bombardiert. In einer Menschen verachtenden Diktion, die der Strategie der Terroranschläge auch gegen Zivilisten entspricht, heißt es in der Audiodatei: "Das Abfeuern der Raketen vom Süden des Libanon auf die Nachfahren von Affen und Schweinen war nur der Beginn eines heiligen tiefreichenden Schlags gegen den zionistischen Feind."

Die Bundesregierung hat die Gerüchte zurückgewiesen, dass die Mitte Dezember erfolgte vorzeitige Freilassung des Libanesen Mohammad Ali Hammadi, der der Hisbollah angehört, mit der Entführung von Osthoff etwas zu tun gehabt habe. Es gab Vermutungen, dass sie gegen die – für die Amerikaner enttäuschende - Freilassung des Terroristen ausgetauscht worden sein könnte. Sie wurde wenige Tage nach seiner Rückkehr in den Libanon von den Geiselnehmern in Freiheit gesetzt. Hammadi hatte 1985 ein Flugzeug der TWA nach Beirut entführt und einen US-Soldaten in der Maschine getötet. Er wurde 1989 in Deutschland verurteilt, nachdem bereits ein Auslieferungsantrag der USA von der damaligen Regierung abgelehnt wurde. Man wollte deutsche Geiseln, die im Libanon festgehalten wurden, schützen. Hammadi wollte mit der Entführung die Freilassung von Hisbollah-Gefangenen in Israel erpressen. 2004 hatte schließlich der Geheimdienstkoordinator und jetzige BND-Chef Ernst Uhrlau einen ersten Gefangenenaustausch - 4 Israeli gegen 430 gefangene Hisbollah-Anhänger – vermittelt. Obwohl schon öfter von einer Kooperation zwischen al-Qaida und Hisbollah gemunkelt wurde, so ist das doch mittlerweile eher unwahrscheinlich, da die Hisbollah eine schiitische Gruppe sind und die al-Qaida-Gruppe von Sarkawi mit Anschlägen gegen Schiiten im Irak versucht, das Land in einen Bürgerkrieg zu ziehen.

Dass Sarkawi – oder wer der Sprecher der 50 Minuten langen Rede auch immer sein mag, schließlich ist nicht gesichert, dass der berüchtigte Terroristenführer noch lebt – mit den Sunniten verbunden ist, geht auch aus der Audiodatei hervor. Der Sprecher kritisiert die moderaten Sunniten, die sich an der Wahl beteiligt hatten, und forderte sie auf, sich dem Dschihad anzuschließen. Die Islamische Partei wird auch kritisiert, weil sie die Verfassung unterstützt hatte. Sie solle diesen Weg verlassen, der zur Zerstörung der Sunniten führe. Überdies wies der Sprecher jede Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung zurück und kritisierte die arabischen Staaten, die während des Treffens der Arabischen Liga im November 2005 in Kairo versucht hatten, die irakischen Konfliktparteien zusammenzuführen und den Aufbau des Landes zu unterstützen, während sie einen Zeitplan für den Rückzug der Koalitionstruppen und eine Freilassung der nicht angeklagten Gefangenen verlangten.

Möglicherweise steht die Sarkawi-Gruppe nach den Anschlägen in Ramadi und Karbala Ende Dezember unter Kritik durch andere Aufständische, da hier neben Schiiten auch Sunniten getötet wurden. Die in London erscheinenden Zeitung al-Hayat will jedenfalls von Spannungen zwischen der Sarkawi-Gruppe und anderen Rebellen wissen, wie Juan Cole berichtet. Umstritten könnte besonders der Anschlag auf Polizeirekruten in Ramadi sein, von denen einige sunnitische Rebellen gewesen sein sollen. Angeblich hätten sich diese nach einem geheimen Abkommen mit den Amerikanern und über die Vermittlung von Stammesführern in den drei sunnitischen Provinzen bewerben können, um so die Sicherheitskräfte mit Sunniten aufzufüllen. Für die Zusammenarbeit würden auch einige inhaftierte Kommandeure der Rebellen und einige Ex-Baathisten-Gefangene freigelassen werden.

Al-Sawahiri verkündet den Sieg über die Amerikaner im Irak

Der Sprecher verbreitet zudem die übliche Propaganda, die an die Verlautbarungen des einstigen irakischen Informationsministers erinnern (Irakische Medienwirklichkeiten). Ähnlich wie man auch in der Bush-Regierung meist nur von Erfolgen und dem kontinuierlichen Fortschritt spricht, wird hier so getan, als stünden die US-Truppen kurz vor dem Ende. Offenbar schließt Sarkawi sich der vorhergehenden Rede von al-Qaida-Chef al-Suwahiri an, der vor kurzem auf einem Videoband sagte, die USA seien im Irak besiegt worden. Sarkawi verkündet, man habe seit dem Sturz des Hussein-Regimes gegen die "Kreuzfahrer-Truppen" fast 800 Selbstmordanschläge ausgeführt. Allein durch diese Anschläge – nicht durch andere Angriffe - seien "mindestens 40.000 Anhänger des Kreuzes im Irak" getötet worden. Und weil die Verluste so hoch gewesen seien, hätten sich die Amerikaner eben mit der Bitte um Unterstützung an die Arabische Liga gewandt. Man hätte durchaus die letzte Wahl mit Anschlägen verhindern können, habe dies aber nicht getan, um keine Sunniten zu gefährden.

Sarkawi – oder wer auch immer – ruft dann die "jungen Muslime überall auf der Welt und besonders in den Nachbarländern des Irak und in Jemen" zum Dschihad auf. Der Irak sei nur ein Schritt für den Westen, die Weltherrschaft zu übernehmen. Verbreitet wird allerdings siegreiche Endzeitstimmung: "O islamische Nation, Amerika macht heute seinen letzten Atemzug." Er gibt aber auch zwei Bedingungen an, nach deren Eintritt der Dschihad, eingestellt werden dürfe. Sie machen die Aggressivität und Radikalität deutlich, die sich durch den Irak-Krieg und die Folgen noch stärker als bislang ausgeprägt haben dürften. Erstens müssten "Invasoren in unser Territorium in Palästina, im Irak und in allen islamischen Ländern" verjagt worden sein. Und zweitens müsste die Scharia "auf der ganzen Welt" eingeführt und das islamische Recht verbreitet worden sein: "Die Angriffe werden erst nach dem Sieg des Islam und der Einrichtung der Scharia aufhören."