Propagandafeldzug im World-Wide-Web
Bisher ist die Bundeswehr im Web wenig aktiv. Das will sie in Zukunft ändern und macht sich fit, um im Internet neuen Nachwuchs und Zustimmung für ihre Auslandseinsätze zu gewinnen
"Behördenkommunikation digital gestalten - Optimierung von Inhalten, Strukturen und Anwendungen", unter diesem sperrigen Titel lädt die Bundeswehr vom 20. Bis 22. Juni 2011 in ihre Akademie für Information und Kommunikation (AIK) nach Strausberg bei Berlin ein. Gemeinsam mit Kommunikationsexperten aus Wissenschaft und Wirtschaft will die Bundeswehr sich für die digitale Welt herausputzen. Auf der Veranstaltung in Strausberg wird es Vorträge zu "Online Kommunikation - Ausblick auf aktuelle Trends und Entwicklungen" und die "Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung" geben.
Der bekannte Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl wird in seinem Vortrag bei der Bundeswehr den Fragen "Was wollen die Bürger? - Was will die digitale Gesellschaft von den Behörden?" nachgehen. Und mit Blick auf die arabischen Revolutionen wird eine Podiumsdiskussion zum Thema "Facebook und Twitter: Instrumente für gesellschaftliche Revolution" den Abschluss der Veranstaltung bilden. Außerdem wird es bei dem auch "Govermedia" genannten Kongress des Militärs Workshops unter anderem zu "Krisenkommunikation im Netz ", "Erfolgreiche Kampagnen im digitalen Netz", "Strategischer Einsatz in der Behördenkommunikation" und "Technologien für einen erfolgreichen Onlineauftritt" geben. "Die Frage ist heute nicht mehr 'ob', sondern 'wie' Behörden die Möglichkeiten des Internets nutzen", so Dr. Gottfried Linn von der AIK. Auf dem Weg aus den "digitalen Kinderschuhen" wolle man sich über aktuelle Trends und Entwicklungen, aber auch über mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse in der digitalen Welt austauschen.
Bereits im Juni 2010 fand die erste "Govermedia"-Veranstaltung der Bundeswehr statt. Damals tauschten sich die Militärs am Bundeswehrstützpunkt Strausberg drei Tage unter der Überschrift "Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter" mit Medienexperten aus. Ein besonderer Schwerpunkt von "Govermedia 2010" lag auf der Rolle von Onlinemedien wie Social-Networks und (Mikro-)Blogs bei der Beeinflussung der Gesellschaft. Dafür hatte die Bundeswehr Experten geladen: etwa Wissenschaftler von der "Forschungsgruppe Krisenkommunikation" der TU Ilmenau, die Chefs von Spiegel online und Focus online, die Leiterin der ZDF-Onlineforschung und Vertreter diverser IT-Firmen.
Beginn des Feldzugs im Web 2.0
Als Output von "Govermedia 2010" nahm die Bundeswehr zwei Monate nach dem Kongress am 2. August 2010 ihren eigenen YouTube-Premium-Channel in Betrieb. Mit den Kurzfilmen "wird den Bürgerinnen und Bürgern 'aus erster Hand' ein umfassendes, realistisches und vor allem transparentes Bild über den Alltag der Bundeswehr ermöglicht", versprach die Bundeswehr passend damals in einer Pressemitteilung. "Die Einsatzwirklichkeit" der deutschen Soldaten bilde dabei einen besonderen Schwerpunkt. Die Bundeswehr hat daher auch Videos des ISAF-Einsatzes in Afghanistan hochgeladen - natürlich aber keine, die die Bundeswehr negativ dastehen lassen.
Von Transparenz und realistischen Bildern der Einsatzwirklichkeit kann keine Rede sein. Videos vom Kunduz-Massaker oder anderen kritischen Vorfällen sucht man auf der Bundeswehr-Videoplattform vergebens. Ein pikantes Detail: der YouTube-Kanal wird vom Armee-Fernsehsender BundeswehrTV (BwTV) geleitet - die politische Richtung des Senders gibt die Bundesregierung bzw. das Verteidigungsministerium vor. Zahlreiche online verfügbare Videos auf dem Bundeswehr-YouTube-Kanal wurden von dem "Unternehmens"-Fernsehsender erstellt. Dabei ist Regierungsfernsehen in Deutschland verboten (weshalb BwTV auch nur in Kasernen der Bundeswehr über spezielle Decoder empfangbar ist).
Zeitgleich mit dem Videoportal nahm die Bundeswehr auch ein öffentliches Fotoportal beim Internet-Fotodienst flickr in Betrieb. Hunderte Fotos von Militärfahrzeugen, Bundeswehr-Veranstaltungen und aktuellen Einsätzen können angesehen und heruntergeladen werden. Unter der Rubrik "Classix" finden sich auch Fotos von den Anfängen der Armee. Dabei sind die Fotos nicht nur für Privatleute. Das Portal bietet "Presse- und Medienvertretern [die] Gelegenheit, auf aktuelles und autorisiertes Bildmaterial der Bundeswehr zuzugreifen", schreibt die Armee in einer Pressemitteilung.
Auch beim Mikroblog-Dienst Twitter ist die Bundeswehr bereits vertreten - postet dort aber nur die Überschriften der auf ihrer offiziellen bundeswehr.de-Website erschienenen Artikel und verlinkt sie. Ansonsten sieht es bei der Nutzung bekannter Web 2.0-Formate durch die Bundeswehr mau aus - obwohl es sogar einen Facebook-Account der Bundeswehr gibt.
Dubiose Bundeswehr-Facebook-Seite
Allerdings findet man unter www.facebook.com/Bundeswehr keine offizielle Webpräsenz der Armee, sondern eine inoffizielle Fansite - die immerhin über 23.000 Facebook-Usern "gefällt".
Die Inhalte der Seite kommen zwar alle aus offiziellen Armee-Quellen, der Hintergrund der Fansite ist aber dubios. Blogger Sascha Stoltenow, der 12 Jahre bei der Bundeswehr war und heute als Reserveoffizier sowie Kommunikationsberater tätig ist, hat seine Rechercheergebnisse über den Hintergrund des inoffiziellen Facebook-Accounts der Bundeswehr auf seinem "Bendler-Blog" veröffentlicht: die Betreiber der Facebook-Seite würden noch weitere Bundeswehr-Fanseiten betreuen. Als Administrator sei jeweils ein Billy Wong aus Beijing angegeben, wobei es sich um einen per so genannten Domainguard-Service verschleierten Namen handelt, um die Identität des eigentlichen Domain-Inhabers zu verschleiern. Soltenow schreibt:
Interessant wird es aber, wenn man an der Aktion zweifelt und seine Unterstützung zurückziehen will. Dann bekommt man nämlich Post von einem 'David K.' oder 'Feivel'. Und wenn man wissen will, wer das ist, landet man quasi automatisch auf Seiten, deren linke und rechte Grenze mit den Begriffen 'Nazi' und 'Porno' recht treffend beschrieben sind, und bei denen - wen wunderts - wieder Billy Wong der Administrator ist.
Nach langem Schweigen hat sich nun das Verteidigungsministerium bzw. die Bundeswehr eingeschaltet: Personalwerber der Armee sollen sich bei der Fansite gemeldet und angeboten haben, die Seite zu übernehmen. Immerhin hat die Bundesregierung für dieses Jahr 30.000 Euro zur Erstellung - und sicherlich auch zur Betreuung - einer Facebook-Präsenz der Bundeswehr bereit gestellt. Einige Truppenteile haben bereits selbst Initiative ergriffen. So hat etwa das "Regionalkommando Nord" der ISAF-Truppe in Afghanistan eine eigene Facebook-Präsenz.
Multimediale Nachwuchssuche
Statt im weltweiten Social-Network Facebook offiziell für sich zu werben geht die Bundeswehr lieber eigene Wege: auf www.treff.bundeswehr.de hat sie eine eigene Community mit über 30.000 Mitgliedern aufgebaut. Die jungen User haben auf der Rekrutierungswebsite etwa Zugang zu Internetforen, in denen über die Bundeswehr und ihre Einsätze diskutiert wird - Wehrdienstberater und andere Bundeswehr-Angestellte diskutieren mit, so dass kritische Diskussionen im Keim erstickt werden. Zudem können sich Mitglieder der treff.bundeswehr-Community exklusive Videos von Militärfahrzeugen ansehen, an Community-Treffen in Kasernen teilnehmen und Stundenplänen sowie Kalender von der Armee herunterladen.
Der Community können dabei nur Kinder und Jugendliche beitreten, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Neben Namen und Adresse müssen im Beitrittsformular auch die "Staatsangehörigkeit", der "angestrebte oder erreichte Schulabschluss" und das "Ausbildungsende" angegeben werden - eben alles, was die Bundeswehr später zur Rekrutierung der jungen Leute wissen muss.
2005 gab es auf www.treff.bundeswehr.de etwa 60.000 Zugriffe im Monat. Rund 107.000 Zugriffe auf die bunt-gestaltete Website waren es sogar monatlich im Jahr 2009. Für 2010 sprach die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Bundestagsanfrage der Linken allerdings nur noch von 42.000 Zugriffen im Monat. Ursächlich für den deutlichen Rückgang der Zugriffe war laut Regierung ein Wechsel der technischen Plattform und damit die Umstellung der Auswertungssoftware der Website - die realen monatlichen Zugriffszahlen für 2010 waren also höher. Die Website hat für die junge Zielgruppe - besonders Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren - einiges zu bieten, auch wenn man nicht in der Community ist: Online-Spiele, Handy-Logos, Bildschirm-Wallpaper und außerdem kann man sich über die Website die neuesten Militärposter und die Armee-Jugendzeitung "infopost" bestellen - natürlich alles kostenlos.
Weniger Infotainment bietet die sich an junge Erwachsene bis zum Alter von 25 Jahren richtende Website www.bundeswehr-karriere.de des Personalamts der Bundeswehr. 2009 verzeichnete die im Vergleich zur treff.bundeswehr-Seite weniger bunte Website monatlich 155.000 Zugriffe. 2010 wurde monatlich etwa 195.000-Mal auf die Seite, auf der sowohl für einen "zivilen" Arbeitsplatz bei der Bundeswehr als auch für den Soldaten-Beruf geworben wird, zugegriffen. Dabei bietet die bundeswehr-karriere-Website viele Informationen zur Militärlaufbahn und weist den Weg zum nächsten Wehrdienstberater vor Ort.
Dazu steht auch ein virtueller Wehrdienstberater zur Verfügung: ein Computerprogramm, dass auf die Eingabe von Stichwörtern antwortet. Wer etwa einmal "Verwundung" in die Suchmaske eingibt bekommt die Antwort: "Würden Sie mir bitte genauer erklären, was Sie damit meinen?" Gibt man "sterben" in die Maske ein, wird gleich ganz abgewiegelt: "Zu diesem Themenbereich möchte ich mich nicht weiter äußern." Immerhin gibt es beim Stichwort "Afghanistan" eine Antwort: "Auf Grund des neuen Aufgabenspektrums der Streitkräfte ist es schon möglich, dass Sie im Ausland eingesetzt werden. Bündnisse bedeuten nicht nur Rechte sondern auch Pflichten, die erfüllt werden müssen." Allerdings ist auch diese Antwort sehr beschönigend formuliert: denn für den, der heute bei der Armee unterschreibt ist es nicht nur "möglich" in einen Auslandseinsatz geschickt zu werden, er verpflichtet sich mit seiner Unterschrift sogar dafür.
Sowohl die treff.bundeswehr- als auch die bundeswehr-karriere-Website informieren zwar über den Dienst bei der Bundeswehr - ehrliche Informationen sind es aber nicht. Gefahren und Risiken des Soldatenberufs werden verschwiegen. Dabei ist, wie erst kürzlich mit vielen gefallenen Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan bitter belegt wurde, der Soldaten-Beruf kein Beruf wie jeder andere - wohl kein anderer Arbeitgeber verlangt von seinen Angestellten ein solch hohes Gesundheitsrisiko einzugehen. Im Zweifelsfall ist der Beruf als Soldat tödlich.
Ungeschickte Militärwerber
Noch ist die Bundeswehr - im Vergleich beispielsweise zur US Army - kaum im Internet aktiv. Und dort wo die deutsche Armee aktiv ist, fällt sie bisweilen negativ aus.
So nutzt die Bundeswehr das Angebot von Google, beim zum Konzern gehörenden YouTube-Videoportal Online-Werbung zu schalten. Tippt der User auf der Suche nach einem Video bestimmte Wörter oder Wortkombinationen in die Suchmaske ein, erscheint als erstes Suchergebnis ein Video des Bundeswehr-YouTube-Channels. Eigentlich eine kluge Idee, hätte die Armee nur die richtigen Suchwörter gekauft: Wer etwa "Taliban töten" oder auch "Zivilisten töten in Afghanistan" eingibt, bekommt die Bundeswehr-Werbung vorgehalten. Eine Million Euro soll sich die Bundeswehr den Kauf der zweifelhaften "AdWords" in diesem Jahr gekostet haben lassen.
Ein weiterer Vorfall: 2002 entging das treff.bundeswehr-Rekrutierungsportal der Indizierung, nachdem einige Pädagogen und Publizisten beim Jugendministerium einen Verbotsantrag wegen Verharmlosung des Kriegshandwerks gestellt hatten. Besonders das Infotainment-Programm der Website wurde kritisiert. Judith Gerlach vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, tätig im Referat Kinder- und Jugendschutz, Schutz vor Gewalt, blockte den Antrag damals allerdings ab:
Das Verteidigungsministerium verfolgt den konzeptionellen Ansatz, dass Computerspiele hier [auf der treff.bundeswehr-Website] ein gutes Mittel sind, um Erstinformationen zur Bundeswehr mit eher spielerischen Aspekten und Unterhaltung zu verbinden. Unter den vier eingestellten Spielen ist kein Spiel, das aktiv militärisches Handwerk oder Ausrüstungsgegenstände der Bundeswehr aufgreift. Dies ist bewusst so geschehen. Es kommt bei diesen Spielen auf Merkfähigkeit, Schnelligkeit, Geschick und auch Allgemeinwissen an. Dies entspricht auch den Internet-Nutzungsgewohnheiten dieser jüngeren Jugendlichen. Die Spiele werden von der Zielgruppe besonders gut angenommen.
Was Gerlach dabei überging - ob aus Absicht oder schlechter Information - war das auf der Website befindliche Spiel "LUNA-Mission". Dabei konnte der User eine Aufklärungsdrohne des Typs LUNA, wie sie auch in Afghanistan zum Einsatz kommt, steuern. Feindliche Panzer, Kämpfer, Stellungen und Hubschrauber mussten dabei ausfindig gemacht werden, für aufgeklärtes Militärgerät gab es Punkte. Das Spiel verschwand erst 2009 von der treff.bundeswehr-Website.
Militärpropaganda im Web
Die Bundeswehr macht sich fit um ihre Ansichten über das Internet zu verbreiten. Dabei geht es um den Gewinn von Zustimmung zu Militäreinsätzen im Ausland - auch die Bundeswehr ist sich bewusst, dass beispielsweise der Afghanistan-Einsatz laut Umfragen seit Jahren von einer stabilen Mehrheit der deutschen Bevölkerung abgelehnt wird - und nach der Aussetzung der Wehrpflicht auch um den Gewinn neuer Rekruten. Die Bundeswehr wird in Zukunft daher vorwiegend dort werben, wo sich die Rekrutinnen und Rekruten sowie die Wählerinnen und Wähler von Morgen tummeln: im World-Wide-Web. Im zukunftsweisenden Armee-internen Papier Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr vom Januar 2011 heißt es etwa im Punkt 31:
Das Internet (z.B. YouTube) ist gezielt zur Kommunikation in die Zielgruppen sowohl der Informationsarbeit als auch der personalwerblichen Kommunikation so einzusetzen, dass einerseits durch knappe, wissensvermittelnde Bewegtbildbeiträge (sog. Erklärstücke) Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr allgemeinverständlich deutlich werden und andererseits allgemeines Interesse am Dienst in den Streitkräften geweckt wird.
Die "Govermedia"-Veranstaltungen in Strausberg helfen der Bundeswehr dabei, ihre Offensive im Internet zu planen und später auch durchzuführen. Dabei darf man nicht vergessen: Bei den Armee-Informationen handelt es sich um einseitige Propaganda. Die Öffentlichkeit soll nicht informiert, sondern in die von Armee-Führung und regierender Politik gewünschte Richtung beeinflusst werden. Dass sich die Bundeswehr im Web schwer tut und ungeschickt verhält, wird wohl nicht mehr lang andauern.
Einen Schritt dazu macht bereits Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Er beantwortet auf dem YouTube-Channel der Bundeswehr Fragen zur Neuausrichtung der Bundeswehr und zur Einführung des freiwilligen Wehrdienstes". Bis zum 27. Juni kann man Fragen einreichen und abstimmen, welche Fragen der Minister beantworten soll. Dieser so genannte "Bürgerdialog" wird durch die "Google Moderator"-Funktion unterstützt, mit der alle in Textform eingehenden Fragen in Echtzeit aufgelistet werden.