Propagandakrieg in den USA gegen Russland

Screenshot von der Website PropOrNot

Nach Veröffentlichung einer Liste von angeblichen Propaganda-Websites durch eine dubiose Gruppe, verlangen demokratische, aber auch republikanische Abgeordnete Aufklärung und Gegenmaßnahmen

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Viel ist die Rede von russischer Propaganda und von Fakenews, die auch von Russland kommen sollen, um die öffentliche Meinung in den osteuropäischen Staaten und überhaupt in der Nato zu beeinflussen. Die amerikanische Präsidentenwahl soll von Russland durch Hacks und Fakenews beeinflusst worden sein, der deutsche Verfassungsschutz warnt, dass ähnliche Angriffe auf Parteien auch zur Bundestagswahl erfolgen könnten - auch von russischer Seite.

Die EU, die Nato und einzelne Staaten haben Anti-Propaganda-Maßnahmen beschlossen, wobei man oft den Eindruck gewinnt, dass es bei dieser angeblichen Reaktion auf die bedrohlich aufgebaute "hybride Kriegsführung" Russlands ihrerseits vornehmlich um Propaganda geht, zumal die westlichen Versuche der Beeinflussung von Russland, der Ukraine und anderer Länder systematisch ausgespart wird.

Zuletzt erschien in der Washington Post am 24. November ein groß aufgemachter Artikel auf der Titelseite von Craig Timberg mit dem Titel "Russian propaganda effort helped spread ‘fake news’ during election, experts say". Der Autor bezichtigte darin u.a. unter Verweis auf die Website PropOrNot und andere "unabhängige Forscher" eine angebliche "ausgeklügelte russische Propagandakampagne", irreführende Beiträge im Internet verbreitet zu haben, um Donald Trump zu unterstützen, Hillary Clinton zu schaden und das Vertrauen in die amerikanische Demokratie zu untergraben. Zu dieser Kampagne würden "tausende Botnets, Teams menschlicher Trolle und Netzwerke von Websites und Accounts auf sozialen Medien" gehören. Es wurde demnach also staatlich organisiert gehackt und manipuliert. Interessant ist, dass Spuren hier in die Ukraine weisen. Die Washington Post hatte schon im September von einer groß angelegten "russischen Beeinflussungsoperation" gesprochen.

Es wurden allerdings auch andere Listen mit Websites mit Fakenews aus anderen Perspektiven erstellt, siehe beispielsweise hier oder hier.

Die Politik zieht mit

Zeitlich ging der Artikel Initiativen im US-Kongress vorher. Am 29. November, also kurz nach dem Artikel, verfassten demokratische Senatoren einen Brief an Noch-Präsident Barack Obama mit der Forderung, dass "geheim gehaltene Informationen über die russische Regierung und die US-Wahl" offen gelegt werden müssen.

Am 30. November billigte eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus das Budget für die Geheimdienste für das Haushaltsjahr 2017. Hier geht es in Sec. 501. um die Einrichtung eines Ausschusses mit Geheimdienstvertretern, Abgeordneten und Ministern, um "die aktiven Maßnahmen Russlands abzuwehren, verdeckten Einfluss über Menschen und Regierungen auszuüben". Es ist zwar auch von Terroraktionen und Mordanschlägen die Rede, es geht aber hier vor allem um verdeckte Sendungen (broadcasting), Medienmanipulationen, Desinformationen, Finanzierung von "Beeinflussungsagenten" oder Aufwiegelung und offensive Spionageabwehr. Timberg berichtete in der Washington Post als Folgestory darüber.

I'm going after Russia in every way you can go after Russia. I think they’re one of the most destabilizing influences on the world stage. I think they did interfere with our elections, and I want Putin personally to pay the price.

Lindsey Graham am 7. Dezember

Demokratische Abgeordnete der Geheimdienstausschüsse schickten einen Brief an Obama, in dem sie Aufklärung seitens der Geheimdienste über die russischen Aktionen zur Beeinflussung der amerikanischen Wahlen fordern. Russland schade nicht nur den USA und den US-Institutionen, sondern auch anderen Ländern und schüre globale Instabilität und Unsicherheit. Nett ist allerdings die Vorstellung, wie es ordentlich zugehen sollte: "Both present a boon for Russia and a loss for those working to maintain peace and prosperity around the world through the leadership of the United States and its allies." In einer geheimen Sitzung wollen die Abgeordneten über die russischen Täter informiert werden.

Obgleich Donald Trump die Hacks, die russischen Gruppen zugeschrieben wurden, herunterspielte, schließen sich jetzt republikanische Abgeordnete an. Senatoren wie John McCain, Lindsey Graham oder Richard Burr verlangen eine Untersuchung der Cyberbedrohungen der Wahlen, des Militärs und anderer Institutionen.

Der Druck hat Wirkung gezeigt. Wie der Sprecher des Weißen Hauses gestern mitteilte, hat US-Präsident Obama bereits die Geheimdienste beauftragt, die "bösartigen Cyberaktivitäten", die im Zusammenhang mit der Wahl stattgefunden haben, zu untersuchen und einen Bericht noch vor seinem Amtsabtritt vorzulegen. 2008 gab es bereits Hackervorfälle bei den Kampagnen von McCain und Obama, 2012 sei nichts aufgefallen, aber 2016 hätten die Geheimdienste bestätigt, dass es Cyberaktivitäten gegeben habe, um die Wahlen zu beeinflussen. Die Geheimdienste hätten "sehr klar gemacht, dass diese Aktivität von der höchsten Ebene der russischen Regierung in Auftrag gesteuert worden war". Beweise dafür hatten die Geheimdienste allerdings dafür nicht vorgelegt (Washington forciert den Konflikt mit Russland im Cyberspace)

Die Liste der Websites, die russische Propaganda und Desinformation verbreiten sollen

Zu den unabhängigen Forschern rechnete Timberg Clint Watts vom konservativen Foreign Policy Research Institute (FIPR). Der geopolitisch auf die nationalen Interessen der USA und auf Einmischung in die Politik ausgerichtete Thinktank, 1955 gegründet von Robert Strausz-Hupé, war im Kalten Krieg stramm antikommunistisch orientiert, trat auch schon mal für die Führung eines gewinnbaren Atomkriegs ein und wurde von der CIA unterstützt.

Jetzt fördert man die "Demokratisierung" der ehemaligen Länder des Ostblocks und hat auch eine Niederlassung in der Ukraine. Auch dort wird natürlich vor dem hybriden Krieg Russlands gesprochen, der "gegen den Westen entfesselt" worden sei. Während man natürlich für den Anschluss der Ukraine an die Nato ist, sei das Ziel des russischen hybriden Kriegs "die Einrichtung prorussischer Regierungen, mit denen Russland dann diese Länder nach den russischen Interessen manipulieren kann".

Das nicht für Rechtslastigkeit bekannte Magazin Fortune schreibt, FIPR sei bekannt für seine aggressive Haltung gegenüber Russland. Interessant ist, dass Robert Strausz-Hupé schon 1959 in einem Artikel in der New York Times davor warnte, dass die Sowjetunion in Sachen Propaganda dem Westen überlegen sei.

Clint Watts hatte kurz vor dem Wahltag den Artikel "Trolling for Trump: How Russia Is Trying to Destroy Our Democracy" geschrieben, in dem ebenfalls behauptet wird, dass nicht näher benannte russische "Beeinflussungsnetzwerke" die Wahlen zu manipulieren suchen. Sie würden als eine geheimnisvolle Macht, die die Spione aus dem Kalten Krieg durch Trolle und eine Verschwörungstheorie ersetzt hat, nicht unbedingt Trump gewinnen lassen, sondern vor allem die amerikanische Demokratie untergraben und Verunsicherung schüren wollen.

Vor allem konzentrierte sich Timberg auf die Website PropOrNot, die von anonym bleibenden Betreibern ins Netz gestellt wurde, um die russische Desinformationskampagne zu entlarven, und eine Liste von 200 Websites mit einer Leserschaft von 15 Millionen Amerikanern aufstellte, die während der Wahlzeit russische Propaganda verbreitet haben sollen, die teilweise von russischen Staatsmedien wie RT oder Sputnik ausgegangen seien. Das ist auch die Methode, ausgehend von Berichten auf russischen Seiten zu schauen, wie sich Themen verbreiten, allerdings ohne wirkliche Überprüfung und Vergleich zur Verbreitung anderer Inhalte. Einige der gelisteten seien Teil der Kampagne, andere "nützliche Idioten". Der Leiter der angeblichen unabhängigen Gruppe "besorgter amerikanischer Bürger", mit dem Timberg gesprochen haben will, wollte anonym bleiben, um nicht "zum Ziel von russischen Legionen geschulter Hacker" zu werden.

Auf der Liste befinden sich neben wenigen rechten Websites wie drudgereport.com oder gatesofvienna.net und englischsprachigen russischen, syrischen oder iranischen Medien viele Verschwörungs-Websites wie Infowars.com, Rense.com oder Voltairenet.org. Auffällig aber ist vor allem, dass viele linke und regierungskritische Websites aufgeführt werden, um sie der russischen Propagandahilfe zu verdächtigen. Darunter sind Websites wie WikiLeaks.org, Consortiumnews.org, truth-out.org, informationclearinghouse.info oder memoryholeblog.com. Auch die Websites paulcraigroberts.org, ronpaulinstitute.org, dennismichaellynch.com, globalresearch.ca oder foreignpolicyjournal.com gelten als gefährlich. Zudem werden zerohedge.com und nakedcapitalism.com gelistet. Ergänzt wird die Liste mit einem Plug-in für den Chrome-Browser, um so Propaganda-Seiten kenntlich zu machen.

Nach Protesten, die eine Wiederbelebung der McCarthy-Zeit in der Antipropaganda-Propgandaliste witterten, darunter Glenn Greenwald, wurden aanirfan.blogspot.co.uk, abovetopsecret.com, counterpunch.org, nutritionfacts.org und russia-direct.org wieder entfernt. Der Anwalt von nakedcapitalism.com schrieb einen Brief, in dem er eine Entschuldigung fordert. Das Ganze ist methodisch nicht zu durchdringen und macht einen willkürlichen Eindruck. Timberg zog den Artikel nicht zurück und führte ins Feld, er habe selbst keine Websites genannt und sie der Propaganda bezichtigt.

Vorbild: Eine Liste von Journalisten in der Ukraine?

Die Liste erinnert an eine Aktion in der Ukraine, wo man sich auch im Propagandakrieg mit Russland sieht, ein von Poroschenkos Schwiegersohn geleitetes "Wahrheitsministerium" eingerichtet hat (Ukraine hat ein neues Ministerium für Informationspolitik und Propaganda mit Gegenpropaganda beantwortet (Freiwillige an die Informationsfront) bzw. aufzeigt (Stop Fake News). Das Ministerium plant etwa die "informationelle Reintegration des Donbas", etwa durch den Bau von Sendemasten, um die Region mit ukrainischem Radio und Fernsehen zu beschallen.

Dabei bleibt es allerdings nicht. Es wird auch Künstlern und Journalisten die Einreise verboten, die zu russlandfreundlich scheinen, zensiert werden auch Filme und Bücher, Medien sowieso.

In diesem Kontext wurde in der Ukraine im Mai online und ebenfalls anonym eine Liste mit den Namen von tausenden missliebigen Journalisten veröffentlicht, die einmal im Donbass gewesen waren (Der Kampf gegen Journalisten geht weiter). Dahinter stecken nationalistische Hacker, die vermutlich mit dem ukrainischen Geheimdienst zusammenarbeiten. Im Februar waren die ersten Namen veröffentlicht worden, daraufhin kam es zu tödlichen Anschlägen auf Journalisten (Eine "Ukrainische Aufständische Armee" will für die Mordanschläge verantwortlich sein).

Das PropOrNot vielleicht Verbindungen zu rechtsnationalistischen Ukrainern hat, könnte aus einem Tweet vom 17. November hervorgehen, der einen Artikel über ukrainische Hacker verlinkt und mit dem faschistischen Gruß "Героям слава!!" ("Ruhm den Helden") überschrieben ist, der von der 1941 u.a. von Stepan Bandera gegründeten faschistischen Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) verwendet wurde. Bandera hat zunächst mit den Nazis kollaboriert und später gegen die Nazis und die Russen gekämpft. Er wurde mit der Orangen Revolution und der Maidan-Bewegung wieder zum Nationalhelden.

Teil 2 über PropOrNot und die Verbindungen zu rechten Thinktanks und dem ukrainischen Hintergrund.

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