Putin: Ankara wird nicht mit "irgendwelchen Tomaten" davonkommen
Der russische Staatspräsident meint, dass "Allah" die aktuell "regierende Clique in der Türkei" "bestraft" hat, indem er sie "um den Verstand brachte"
In seiner heutigen Jahresansprache an die Föderationsversammlung hat der russische Staatspräsident Wladimir Putin die türkische Staatsführung erneut beschuldigt, für den Tod eines russischen Piloten im Syrieneinsatz verantwortlich zu sein und gewarnt, sie werde nicht mit "irgendwelchen Tomaten" und Bausanktionen davonkommen und "ihre Tat noch oft bedauern".
Was genau der türkischen Führung außer Sanktionen droht, ließ Putin offen. Auf eine "nervöse, hysterische, für uns selbst und die ganze Welt gefährliche Reaktion" könne Ankara allerdings "lange warten", weil es auch diese nicht geben werde. Die "Basis" des russischen Handelns sei nämlich "vor allem die Verantwortung vor unserem Land und unserem Volk".
Außerdem richte sich die Strafe nicht gegen die "vielen alten und zuverlässige Freunde" Russlands in der Türkei oder gegen das "gutherzige, fleißige und begabte" türkische Volk, das man nicht mit dem "Teil der Führungsspitze ihres Landes [gleichsetze], der unmittelbar für den Tod unserer Militärs in Syrien verantwortlich ist". Die aktuell "regierende Clique in der Türkei" hat "Allah" Putin zufolge ohnehin schon "bestraft", indem er sie "um den Verstand gebracht" hat.
Die bisher beschlossenen russischen Sanktionen gegen die Türkei sollen am 1. Januar 2016 in Kraft treten: Sie beinhalten unter anderem Einfuhrverbote für Tomaten, Orangen, Mandarinen, Aprikosen, Weintrauben, Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Blumenkohl, Broccoli, Nelken, Hähnchen und Salz. Ebenfalls am 1. Januar 2016 endet die Visafreiheit, mit der Türken bislang ohne Verzögerungen und bürokratischem Aufwand nach Russland einreisen konnten. Der Verkauf von Türkeireisen an russische Touristen wurde bereits unmittelbar nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeuges über dem syrisch-türkischen Grenzgebiet eingestellt.
Im letzten Jahr hatte Russland als Reaktion auf die Krim-Sanktionen der EU-Länder bereits die Einfuhr zahlreicher landwirtschaftlicher Produkte aus den EU-Ländern verboten (vgl. Russisches Lebensmitteleinfuhrverbot kostet EU 6,7 Milliarden Euro). Das sieht man in Russland auch als Chance für die heimische Landwirtschaft. Die soll Putin zufolge künftig nicht nur industriell, sondern auch ökologisch und in "höchster Qualität" produzieren. Dem Staatspräsidenten schwebt sogar vor, dass Russland einmal zum "größten Lieferanten gesunder, ökologisch reiner Qualitätslebensmittel" wird - auch deshalb, weil "die Nachfrage auf dem Weltmarkt nach solchen Erzeugnissen beständig wächst".
Der Terrorismus lässt sich Putin zufolge vor allem in Zeiten offener Grenzen und einer neuen "Völkerwanderung" nur international wirksam bekämpfen. Wörtlich sagte er:
Wir begegnen heute wieder ganz nah zerstörerischen und barbarischen Ideologien. Und wir dürfen nicht zulassen, dass diese neuen zweifelhaften Gruppierungen ihre Ziele erreichen. Man muss allen Streit und Meinungsdifferenzen bei Seite lassen und eine gemeinsame Faust ballen, eine einheitliche Anti-Terror-Front schaffen, die gemäß dem internationalen Recht und unter der Schirmherrschaft der UNO funktionieren wird.
In offenbarer Anspielung auf die Türkei meinte der Staatspräsident aber auch, es dürften keine Geschäfte mit Terroristen gemacht werden und es dürfte auch keine Kontakte geben, die das Ziel hätten, sie für eigene politische Interessen zu nutzen. Auf der Weltklimakonferenz in Paris hatte er kurz vorher verlautbart, dass solche Geschäfte und Kontakte der Bildung einer breiten internationalen Anti-Terror-Koalition im Wege stünden (Was ist dran an den russischen Vorwürfen zum IS-Öl-Schmuggel via Türkei?, "Neue Beweise" für angebliche Verwicklung der Türkei in IS-Ölgeschäfte).
In Syrien soll in den nächsten Tagen im Homser Bezirk al-Waer eine Waffenruhe beginnen, die die UN zwischen Vertretern der Regierung und islamistischen Rebellen ausgehandelt hat. Diese etwa 2.000 Bewaffneten sollen den Waffenstillstand nutzen, um innerhalb von zwei Monaten aus dem Gebiet abzuziehen und dessen Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu erlauben. Schwere und mittlere Waffen dürfen die Islamisten der Vereinbarung nach bei ihrem Abzug nicht mitnehmen. Außerdem müssen sie Geiseln und gefangene Soldaten freilassen. Als Gegenleistung werden Gouverneur Talal Barazi zufolge einige eingesperrte Islamisten freigelassen. Derzeit leben in al-Waer noch etwa 75.000 Menschen. Vor Ausbruch des Bürgerkrieges waren es 300.000.
Das russische Außenministerium veröffentlichte am Mittwoch eine Stellungnahme zu diesem Waffenstillstand, in der es heißt, man gehe "davon aus, dass solche Schritte günstige Voraussetzungen für die Aufnahme von Dauerverhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition, einschließlich ihres gegen den Terror kämpfenden bewaffneten Teils, schaffen".
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