Russisches Lebensmitteleinfuhrverbot kostet EU 6,7 Milliarden Euro
Weitere Verschlechterung der Beziehungen könnte über eine Eintrübung des Verbrauchervertrauens für noch größere Schäden sorgen
Dem niederländischen Finanzkonzern ING Groep N.V. zufolge kostet das als Reaktion auf Sanktionen der EU gegen Russland verhängte russische Verbot der Einfuhr zahlreicher Lebensmittel aus der EU deren 28 Mitgliedsländer insgesamt 6,7 Milliarden Euro und gefährdet 130.000 Arbeitsplätze. Bei der Berechnung dieser Zahlen berücksichtigte das Unternehmen nicht nur den Schaden für Produzenten, sondern auch den für Dienstleister wie beispielsweise Speditionen und Großhändler.
Der Einbußen wurden von einem Team um den Wirtschaftswissenschaftler Raoul Leering für ein Jahr errechnet - den Zeitraum, für den das russische Importverbot vorerst gilt. Der größte Einzelschaden entsteht mit 1,3 Milliarden Euro in Deutschland. Außerdem sind hierzulande etwa 21.000 Arbeitsplätze gefährdet - 2.000 weniger als in Polen, das in dieser Kategorie die Verliererliste anführt. Deutlich weniger betroffen sind west- und südeuropäische Länder wie Frankreich, Spanien und Italien, wo jeweils nur 10 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Rechnet man die Schäden anteilig zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dann leiden die ehemaligen Sowjetrepubliken Litauen, Estland und Lettland mit 0,4, 0,35 und 0,2 Prozent ihrer Bruttoinlandsprodukte am stärksten. Verschlechtert sich das Verhältnis zwischen der EU und Russland wegen der Ukrainekrise weiter, dann drohen der Studie zufolge größere Verluste in vielen weiteren Wirtschaftssektoren, weil sich dann das Vertrauen von Verbrauchern und Investoren eintrüben könnte.
Zu den Lebensmitteln, die seit dem 7. August nicht mehr nach Russland exportiert werden dürfen, zählen unter anderem Rind- Schweine- und Geflügelfleisch, Wurst, Fisch und Meeresfrüchte, Milch- und Milchprodukte sowie Obst und Gemüse. Im Vorjahr führte Deutschland mit Exporten im Wert von 1,38 Milliarden Euro die Liste der wichtigsten Lebensmittellieferanten des 144 Millionen Einwohner zählenden Landes an. Danach folgten Polen (1,17 Milliarden Euro) und die USA (1,16 Milliarden Euro), für die das Importverbot ebenfalls gilt. Auch Norwegen, Kanada und Australien dürfen ein Jahr lang nichts mehr aus der Verbotsliste nach Russland exportieren.
Um Angebot und Nachfrage auszugleichen, sehen sich Im- und Exporteure derzeit nach Umgehungswegen um: So soll beispielsweise Island als Ersatzland für den Lachslieferanten Norwegen einspringen - und könnte den dafür nötigen Fisch selbst aus dem skandinavischen Königreich beziehen. Weißrussland verzeichnet bereits jetzt eine deutliche Steigerung der Lebensmittelimporte aus der EU, von denen ein großer Teil an den östlichen Nachbarn weiterverkauft werden dürfte. Mehr zu diesem Phänomen finden Sie nächste Woche in einem ausführlichen Telepolis-Artikel von Christoph Jehle.
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