Putin-Interview: Was Tucker Carlsons Russland-Reise mit DDR und Systemkrise zu tun hat
- Putin-Interview: Was Tucker Carlsons Russland-Reise mit DDR und Systemkrise zu tun hat
- Propaganda oder Aufklärung? Carlson im Kreuzfeuer der Kritik
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Viel Kritik an Interview. Dabei ist es nicht schlechter als manche Inhalte aus Leitmedien. Das wirklich Bedenkliche fällt kaum jemandem auf. Ein Telepolis-Leitartikel.
Journalisten führen mal bessere Interviews und mal schlechtere Interviews, wobei leider meist die letztere Kategorie bedient wird. Gefälligkeitsfragen, Unterwürfigkeit, Distanzverlust gegenüber Politik und Macht sind nur einige, aber durchaus zunehmende Probleme. Und doch zeigt der Umgang mit dem aktuellen Interview des US-Journalisten Tucker Carlson mit Russlands Staatschef Wladimir Putin eine neue Dimension auf.
Tucker Carlson: Putin-Interview und Medienethik
Die jüngste Reise des Journalisten nach Russland und sein Interview mit Putin könnten nach Ansicht amtierender und ehemaliger Mitglieder des Europäischen Parlaments zu Konflikten mit der Europäischen Union führen.
Und auch in den USA drohen ihm Konsequenzen. Was im Westen mit seinem propagierten Werten wie Meinungs- und Pressefreiheit noch vor wenigen Jahren undenkbar schien, ist heute Alltag und zugleich Ausdruck eines gesellschaftlichen Zerfalls, der liberale Werte zu zerstören droht, weil man trotz Freedom and Democracy für ein solches Gespräch persönliche und berufliche Konsequenzen befürchten muss.
EU vs./ Carlson: Politisches Pulverfass nach Putin-Interview
Carlson, der früher für Fox News tätig war, hat das Interview mit dem russischen Präsidenten am heutigen Freitag veröffentlicht. Das Gespräch hätte durchaus kritischer ausfallen können, steht aber in Qualität und Aussagekraft den üblichen, in Deutschland oft gebührenfinanzierten Gefälligkeitsinterviews kaum nach.
Wer das Putin-Interview des US-Amerikaners aus den Redaktionsstuben von ARD und ZDF kritisiert, sollte sich vielleicht noch einmal ein Sommerinterview einer dieser Redaktionen anhören, das von einer derart staubtrockenen Jovialität geprägt ist, dass man jeden Moment eine Musikunterbrechung mit Richard Clayderman oder André Rieu befürchten muss.
Selenskyj-Interview: Qualitätsmedien reden über Torten
Oder das Interview, das Caren Miosga kürzlich für die ARD mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj führte. Darin stellte sie ihm viele Gefälligkeitsfragen, etwa nach seinem bevorstehenden Geburtstag und ob er sich eine Torte gönne.
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Es folgten einige etwas kritischere Fragen. Die wirklich problematischen Äußerungen ihres Interviewpartners, etwa dass Deutschland Sozialhilfe direkt nach Kiew überweisen solle, versteckten Miosga, die ARD oder wer auch immer schamhaft in der Mediathek, anstatt die Studiogäste in einem späteren Zusammenschnitt damit zu konfrontieren.
Das wiederum lieferte dem russischen Auslandssender RT das Material für die manipulierende These, die ARD habe die Aussage herausgeschnitten und sie sei nur über Umwege über die Ukraine und Belarus verfügbar. Es ist nicht der einzige Fall, in dem der Umgang von Leitmedien mit unliebsamen Informationen vermutliche Aufklärer mit Munition beliefert. Anders ausgedrückt: Würde der Mainstream sein Job machen, würde RT nicht gelesen und hätte Carlson keine Zuschauer.
Irre: Politiker fordern Strafen für Interview
Im Fall von Carlson ist zudem der politische Umgang mit Interview und Interviewer bedenklich. Guy Verhofstadt, ehemaliger belgischer Premierminister und jetziges Mitglied des Europäischen Parlaments, forderte nun die EU auf, ein Einreiseverbot gegen den Journalisten zu prüfen.
Carlson sei ein "Sprachrohr" des ehemaligen Präsidenten Donald Trump und Putins. Er fügte hinzu: "Da Putin ein Kriegsverbrecher ist und die EU jeden sanktioniert, der ihm dabei hilft, scheint es logisch, dass der Europäische Auswärtige Dienst seinen Fall untersuchen sollte".
Über den Kurznachrichtendienst X hatte Carlson sein Vorhaben damit begründet, dass viele Amerikaner nicht ausreichend über die Ereignisse in Russland informiert seien und es seine Pflicht sei, die Menschen zu informieren.
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