Putin die Stirn bieten – aber nicht mit neuen fossilen Projekten
Seite 2: "Es gibt noch ganz viel, was gemacht werden könnte"
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Steht es bei der Förderung der erneuerbaren Energien besser?
Sebastian Rötters: Ich glaube, es gibt noch ganz viel, was gemacht werden könnte. Wie sieht's denn aus mit Programmen für eine unbürokratische Entfesselung der Solarenergie – damit mein ich sowohl Photovoltaik wie auch Solarthermie? Warum gibt es da keine groß angelegten Programme?
Natürlich ist es aktuell schwierig – viele Lieferketten sind unterbrochen, Handwerker sind rar. Klar. Aber es rächt sich eben jetzt, dass da 16 Jahre lang relativ viel geschlafen wurde. Doch angehen könnte man es ja trotzdem.
Dabei geht es aber natürlich auch nicht nur um Förderprogramme. Es muss auch einfach für jeden Investor ganz klar sein: Den Fossilen verbleibt nur noch eine sehr begrenzte Restzeit. Dann kann sich jeder und jede überlegen: Investier ich jetzt noch in irgendein großes Projekt, das, um rentabel zu sein, eine Laufzeit von mindestens 15, 20 Jahren braucht? Oder lenk ich meine Investitionen lieber in die Erneuerbaren?
Wenn es für diese Erneuerbaren dann auch noch Unterstützungsprogramme gibt, sollte die Antwort eigentlich klar sein, zumal die Erneuerbaren für die die lokale Versorgung ja meist schon ohne Unterstützung voll konkurrenzfähig sind.
Klingt einfach – aber auch so, als ob der Zug gerade in die falsche Richtung fährt.
Sebastian Rötters: In der Tat. Aktuell ist das Signal doch wieder: Fossile Energien? Die werden wir – Klimakrise hin oder her – noch ziemlich lange nutzen. Zwanzigjährige Lieferverträge, wie sie jetzt von Habeck in Katar abgeschlossen werden – da fehlen mir die Worte.
Welche Signale setzt das eigentlich nicht nur für Investoren, sondern auch für die internationale Zusammenarbeit, ohne die sich die Klimakatastrophe ja nicht angehen lässt?
Sebastian Rötters: Das kann man sich an den Fingern einer Hand abzählen. Der globale Süden schaut nach Europa und fragt sich, Moment mal, wieso sollen wir denn dann jetzt die Probleme lösen?
In Afrika ist die Situation übrigens besonders grotesk: Obwohl man dort aus Klimagründen eigentlich keine fossilen Projekte für die Energieversorgung Afrikas mehr finanzieren wollte – was ich klimapolitisch grundsätzlich begrüße –, betreibt man jetzt den Ausbau der Förderung für die Lieferung nach Europa. So fährt man die internationale Klimapolitik natürlich an die Wand.
Wäre es vielleicht besser gelaufen, wenn die EU in den Fragen, die wir hier besprochen haben, eine aktivere Rolle gespielt hätte? Bei Corona haben ja auch die Mitgliedstaaten zunächst individuell gehandelt, bevor sie dann zu einer halbwegs gemeinsamen, europäischen Antwort zusammengefunden haben.
Sebastian Rötters: Ich hielte es für wünschenswert, wenn die EU da generell eine stärkere Federführung übernommen hätte, aber es hängt natürlich immer von den Mitgliedstaaten ab. Nach fünf Monaten hat die EU-Kommission endlich ein Einsparmaßnahmenpaket präsentiert. Warum muss man immer erst so lange warten, bis die Krise kaum noch händelbar ist?
Beim Gas lagen ja am Anfang durchaus verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Ich weiß zum Beispiel, dass aus dem ukrainischen Energieministerium der Vorschlag kam, auch an die deutsche Bundesregierung herangetragen: Wenn Ihr Euch nicht zu einem endgültigen Embargo durchringen könnt, dann zahlt doch wenigstens nur auf ein Treuhandkonto. Dann hätten die Gaslieferungen also erst einmal weitergehen können, aber Russland käme erst nach dem Krieg an sein Geld, wenn es etwa Reparationen geleistet hätte.
Warum sollte sich Russland darauf einlassen, anstatt die Gaslieferungen dann eben einzustellen?
Sebastian Rötters: Hätte man sich gleich am Anfang dazu entschieden, wäre Russland in einer sehr schwierigen Situation gewesen, weil man die Gaslieferungen nicht so einfach abstellen kann. Das geht nicht wie mit einem Lichtschalter. Wenn ich die Lieferung dauerhaft unterbreche, muss ich das Gas irgendwo speichern. Zugleich gibt es weder die Pipeline- noch die LNG-Kapazitäten, um das dann so auf die Schnelle nach Asien zu liefern.
Das heißt, man hätte es irgendwo in Russland speichern müssen, die Speicher wären relativ schnell voll gewesen. Russland hätte wahrscheinlich einen signifikanten Teil der Förderkapazitäten eingebüßt.
Diese Chance wurde vertan. Es gab übrigens auch den Vorschlag, eine Steuer auf russisches Gas zu erheben, um die Gewinne Russlands zu schmälern. Auch das wäre sicherlich nützlich gewesen, wenn es EU-weit koordiniert geschehen wäre.
Und natürlich hätte die Kleinstaaterei in Bezug auf die Verhandlungen mit Russland, aber meinetwegen auch mit anderen Gaslieferanten, verhindert werden sollen. Warum hat man nicht versucht, hier mit einer Stimme zu sprechen und die Beschaffung gemeinschaftlich zu organisieren? Warum hat jeder sein eigenes Süppchen gekocht? Warum haben die einen gesagt, wir zahlen nicht in Rubel, und sind von Russland abgeklemmt worden, und die anderen haben dann doch irgendwelche Konten eröffnet und bekommen weiterhin Gas?
Das ist ja alles andere als solidarisch, was da geschehen ist, und für den europäischen Zusammenhalt Gift gewesen.
Gibt es sonst noch irgendwas, was Sie noch was wir noch nicht besprochen haben oder aus Ihrer Sicht noch zu dem Thema gehörte?
Sebastian Rötters: Ich glaube, zusammengefasst, ist es dringender denn je, dass Deutschland und Europa sich wirklich zu einem Embargo durchringen, allein schon um wirklich die Initiative zurückzuerlangen, und nicht jeden Tag wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen und ängstlich auf den Gaszähler zu schauen – läuft noch was oder nicht mehr?
Das ist doch keine Situation, aus der man eine sinnvolle mittelfristige Strategie entwickeln kann. Man bleibt freiwillig in dieser Abhängigkeit gefangen, in die man sich über all die Jahre begeben hat, statt da endlich zu einem Befreiungsschlag überzugehen, und zu sagen: Auch wenn es weh tut, mit einem solchen Partner kann man nicht zusammenarbeiten, und das beenden wir jetzt.