Qualitätstourismus bedeutet Umweltzerstörung
Ballermann, Betonburgen, Billigtourismus. Dieses Image will die spanische Urlaubsinsel Mallorca abstreifen. Seit Jahren setzt man auf Qualitätstourismus, dessen Auswirkungen auf die Umwelt aber noch gravierender als die des Massentourismus sind
Ob der Qualitätstourismus verträglicher für die Umwelt ist als der Massentourismus, verneinen Forscher der Ruhr-Universität Bochum klar. In einer langjährigen Studie haben sie die Veränderungen auf Mallorca analysiert. Für Qualitätstourismus auf Mallorca. Ballermann war besser haben die Forscher auch Luftbilder über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren verglichen und kamen zu einem erschreckenden Ergebnis: Wo ursprünglich die für Mallorca typischen Kiefernwälder, Oliven- oder Mandelhaine, Steilküsten und Strauchheiden zu finden waren, hat sich nun bis ins Innere der Insel der so genannte Residenzialtourismus breit gemacht.
Die Zersiedelung schreitet voran, seit man seit den 1990er Jahren auf Qualitätstourismus setzt, der auch unter dem Stichwort Naturschutz verkauft wird. Nur so konnte der Bevölkerung, angesichts des wachsenden Widerstands gegen den Tourismus, die Einschließung neuer Gebiete schmackhaft gemacht werden. Der Qualitätstourismus sollte den Massentourismus und die Umweltzerstörung begrenzen, ohne zu finanziellen Einbußen zu führen.
Seither erobern Zweitwohnsitze mit Swimmingpools, Golfplätze, Yacht- und Sporthäfen die gesamte Insel, während der Massentourismus auf eingegrenzte Bereiche an der Küste beschränkt ist. Damit gehe der starke Verlust der ursprünglichen Landschaft und damit letztlich der Erholungswert - auch für Touristen - und der Ausverkauf der Insel einher, meinen die Forscher.
Zerstörung ganzer Landstriche und zunehmende Wasserprobleme
Einige Städte, wie die zweitgrößte Calvia, haben schon mehr registrierte Zweitwohnsitze als Erstwohnsitze. Hier lassen sich mit dem Golf- und dem Nautischen Tourismus zwei Formen dieses Tourismus identifizieren, der auf eine größere Vielfalt des Urlaubsangebotes abseits des klassischen Badetourismus setzt. 1990 wurde der erste Golfplatz gebaut, nun gibt es in Calvia schon 5 von insgesamt 18, welche die gesamte Insel überziehen. Mehr als 20.000 Zweitwohnsitze gibt es hier und es sollen noch mehr werden, geht es nach dem Bürgermeister der konservativen Volkspartei (PP) Carlos Delgado Truyols. Für die Kommunalwahlen im Mai wirbt er, auch auf Deutsch, für eine Politik, die "ohne Komplexe" vorangetrieben wird. Das große "touristische Potential" müsse genutzt werden, um eine "Entzerrung der touristischen Saison zu erreichen". Das bedeutet mehr Residenzialtourismus und weitere Versiegelung großer Flächen. Dafür hat Delgado die Parkgebühren abgeschafft, die Grundsteuer um 20 Prozent gesenkt und in Calvia sind die Schulbücher kostenfrei.
Doch der Preis ist hoch. Neben dem Verschwinden von Biotopen und der Zerstörung ganzer Landstriche, sticht das Wasserproblem hervor. Wo jeder Rasen bewässert und jeder Pool gefüllt wird, steigt der Wasserverbrauch enorm. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Gemeinden wie Calvia bis zu vier Mal höher als in ländlichen Gemeinden. Mit dem Bedarf nur eines Golfplatzes lässt sich ein normaler Ort mit 8.000 Personen versorgen. "Das ökologische Gleichgewicht von Grundwasserneubildung und Grundwasserentnahme ist auf Mallorca auf lange Sicht verloren", stellen die Forscher fest. Allein zwischen 1989 und 1999 sei der Bedarf um 20 Prozent gestiegen. Die weiter steigende Entnahme führt auch zum verstärkten Einsickern von Meerwasser. Der Salzgehalt des Grundwassers erreichte Werte, die sogar fünffach über dem Wert lagen, bei dem Wasser noch als trinkbar gilt. Erst eine Entsalzungsanlage entschärfte die Situation vorübergehend.
Dabei zahlt sich dieser Qualitätstourismus nicht einmal aus, sagen die Forscher: "Die Mehreinnahmen aus dem Qualitätstourismus stehen in keinem Verhältnis zu den monetären und ökologischen Kosten ihrer Etablierung". 2001 hätten der Golftourismus und der Nautische Tourismus nur gut 6 Prozent des gesamten Tourismuseinkommens ausgemacht. "Der Massentourismus erziele bei sehr viel geringerem Landschaftsverbrauch viel höhere Einnahmen." Die regierenden Konservativen wiederholten die Fehler der massentouristischen Erschließung auf hohem Preis- und Prestigeniveau erneut. Die Zukunft ist düster, denn die Raumplanung lässt sogar eine Verdreifachung der Bewohnerzahl auf der Insel zu.
"Rettet Mallorca"
Am 17. März rief die Plattform Salvem Mallorca) und die Umweltschutzorganisation GOB zur Demonstration auf, um gegen die Zerstörung zu protestieren. Das Motto lautete: "Schluss mit der Zerstörung – Rettet Mallorca". Etwa 50.000 Menschen kamen dem Aufruf nach und so dürfte Mallorca eine der größten Demonstrationen seiner Geschichte erlebt haben. Schon 2004 hatten 40.000 Menschen gegen die Zerstörung der Landschaften protestiert und es zeigt sich, dass das Bewusstsein mit der weiteren Zerstörung ebenfalls weiter gewachsen ist.
Auffällig war, dass sich der Protest nicht gegen die Pauschaltouristen richtet, sondern vor allem gegen die angesprochene Zersiedelung: "Die Politiker haben entschieden, Mallorca zum Zweitwohnsitz Europas zu machen“, sagte GOB-Sprecher Miquel Angel March. "Dazu braucht man Autobahnen, einen größeren Flughafen, mehr Kraftwerke und Kläranlagen.“ Und genau diese Projekte will die konservative Regionalregierung vorantreiben. Bauverbote in besonders geschützten Gebieten sollen fallen, der Flughafen soll ausgebaut werden und ab 2015 eine jährliche Abfertigungskapazität von 38 Millionen Passagieren haben. 133 Millionen Euro soll eine neue Autobahntrasse kosten, die nur von knapp 7 Prozent der Bevölkerung gebilligt wird und auch um die Inselhauptstadt Palma soll ein zweiter Autobahnring gezogen werden.
In den vergangenen vier Jahren wurden schon 200 Millionen Euro in den Ausbau des Straßennetzes gesteckt. Es entstanden Autobahnen nach Andratx, das auch international für Schlagzeilen sorgte, weil der PP-Bürgermeister des Orts, der bei deutschen Promis beliebt ist, erst vor wenigen Wochen den Knast auf Kaution verlassen hat. Mit Eugenio Hidalgo war aber auch der Generaldirektor für Raumordnung Regionalregierung der Balearen Jaume Massot (PP) Ende November verhaftet worden. Vorgeworfen wird ihnen neben Amtsmissbrauch und Korruption auch Geldwäsche. Vermutet wird, dass sich die Konservativen nicht nur privat bereichern, sondern dass sich ihre Volkspartei (PP) illegal über Baugenehmigungen und Schmiergelder finanziert.
"Absolut irregulär" seien Genehmigungen mit "falschen Zertifikaten" über das Zücken von Scheckheften möglich gewesen und damit konnte sogar im Umfeld der Gemeinde in Naturschutzgebieten gebaut werden. In die Affäre verwickelt ist sogar der Präsident der Regionalregierung. Vieles spricht dafür, dass Jaume Matas (PP) seinen Parteifreund vor der Razzia gewarnt hat. In den Mülltonnen um das Bürgermeisteramt wurden zahlreiche Dokumente sichergestellt, die schnell vor dem Zugriff der Fahnder entzogen werden sollten. Die Matas musste nach tagelangen Dementis einräumen, sich zwei Tage vor der Razzia heimlich mit dem Bürgermeister getroffen zu haben. Die Opposition fordert den Regierungschef zum Rücktritt auf: "Matas hat vom ersten Tag an gelogen", sagte die sozialistische Oppositionsführerin Francina Armengol. Während die PP fordert, das Thema nicht parteipolitisch zu nutzen, kündigten die Sozialisten (PSOE) weitere Anzeigen an, weil es ähnlich Vorgänge in vielen Gemeinden gäbe. In den südspanischen Urlauborten Marbella, Telde, Orihuela gab es ebenfalls schon Razzien und Verhaftungen.