Rammstein-Sänger Till Lindemann: Justiz sieht keine Beweise für Missbrauch

Die Unschuldsvermutung gilt auch für Rammstein-Sänger Till Lindemann. Foto: Axa269 / CC BY 3.0

Ermittlungen gegen Frontmann und "Casting Direktorin" Makeeva eingestellt. Warum Medienkritik mehr als angebracht ist – und was an den Fall Kachelmann erinnert.

Die Vorwürfe gegen den Rammstein-Frontmann Till Lindemann sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Berlin nicht zu beweisen. Die Behörde hat deshalb ihre strafrechtlichen Ermittlungen gegen den 60-Jährigen eingestellt. Der Tatverdacht sei nicht hinreichend – nach Informationen der Berliner Zeitung gilt das auch für die frühere "Casting Direktorin" der Band, Alena Makeeva. Ein entsprechendes Verfahren gegen sie wurde demnach ebenfalls eingestellt.

Die Ermittlungen wegen mutmaßlicher Sexualdelikte waren im Juni von Amts wegen eingeleitet worden, nachdem Shelby Lynn, eine Konzertbesucherin aus Irland, in einem Tweet den Verdacht geäußert hatte, ihr sei im Backstage-Bereich der Rammstein-Performance in Vilnius etwas in den Drink gemischt worden. Zudem hatte sie berichtet, Lindemann sei wütend geworden, als sie klar gestellt habe, dass sie keinen Sex mit ihm wolle.

Shelby Lynn warf Lindemann keine Vergewaltigung vor

Allerdings warf sie ihm keine Vergewaltigung vor. Sie verwies nur auf Erinnerungslücken – zur Herkunft von Hämatomen an ihrem Körper konnte sie deshalb keine Angaben machen. Daraufhin hatten mehrere junge Frauen über ein "Casting-System" bei Rammstein-Konzerten sowie übergriffiges Verhalten berichtet. Alena Makeeva soll demnach dafür zuständig gewesen sein, potenzielle Sexpartnerinnen für Lindemann auszuwählen.

Weil der Verdacht auf sogenannte Offizialdelikte nach nach Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs im Raum stand, ermittelte die Staatsanwaltschaft von Amts wegen. Zudem lagen ihr Anzeigen von Dritten vor.

Lindemanns Anwälte gingen in diesem Zusammenhang juristisch sowohl gegen einzelne Frauen als auch gegen Medien vor. des Landgerichts Hamburg untersagte daraufhin dem Spiegel bestimmte Passagen seiner Berichterstattung, die taz nannte diesen Beschluss einen "Skandal".

Telepolis gab dagegen früh zu bedenken, eine solche Berichterstattung setze auch die mutmaßlichen Opfer unter Druck, ihre Vorwürfe untermauern zu müssen – und genau das ist in solchen Fällen oft schwierig. Die Band wehrte sich in einer Stellungnahme gegen Vorverurteilung, sah sich aber dennoch bald mit der Forderung nach Auftrittsverboten konfrontiert.

Im Zweifel verlieren alle Beteiligten

Nun sind diese Vorwürfe laut der Berliner Staatsanwaltschaft nicht zu beweisen. Das heißt wiederum nicht automatisch, dass die betreffenden Frauen als Lügnerinnen überführt sind.

Selbst im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann, der anders gelagert war, weil dessen Ex-Freundin selbst Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet hatte und als Nebenklägerin in einem Prozess auftrat, war diese nicht automatisch durch den Freispruch des Angeklagten 2011 einer Straftat überführt.

Gegen sie wurden später Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung eingeleitet, weil Kachelmann wegen ihrer Anschuldigungen in Untersuchungshaft gesessen hatte. Auch diese Ermittlungen wurden jedoch eingestellt. Das hieß wiederum nicht, dass das zuständige Gericht nun Kachelmann für schuldig hielt. "Die Vielzahl der Gutachtenergebnisse aus den verschiedenen Prozessen ergab kein einheitliches Bild", hieß es 2017 zur Begründung.

Kachelmann und die Anzeigeerstatterin gingen beide als Verlierer aus den Prozessen hervor. "Gewinnen kann in dieser Sache keiner der Beteiligten", hatte der Focus 2013 kommentiert.