Reaktionen auf russischen Angriff: "Nieder mit den Waffen" vs. Waffenlieferungen

Waffen liefern, Sanktionen, Diplomatie oder von allem etwas? Die Schlussfolgerungen gehen auseinander. Symbolbild: Carlos Andrés Ruiz Palacio auf Pixabay (Public Domain)

Alle Bundestagsparteien verurteilen die russischen Militäraktionen in der Ukraine – nur die Schlussfolgerungen unterscheiden sich

Regierung und Opposition, von der Linken bis zur AfD – alle im Bundestag vertretenen Parteien haben an diesem Donnerstagmorgen den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte außerdem den Politischen Aschermittwoch seiner Partei ab und bat auch die anderen Parteien, mit Rücksicht auf die Lage in der Ukraine ebenfalls auf den traditionellen rhetorischen Schlagabtausch am 2. März zu verzichten.

"Die Art der Veranstaltung passt nicht in die Zeit. Es sollte ein Aufbruch nach Corona sein, nun sind wir aber in einer schweren außenpolitischen Krise", twitterte Söder während seiner Reise zu Österreichs Kanzler Karl Nehammer.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte in einer vom Bundespresseamt verbreiteten Stellungnahme, der russische Angriff auf die Ukraine sei "ein eklatanter Bruch des Völkerrechts" und "durch nichts zu rechtfertigen". Deutschland verurteilte "diesen rücksichtslosen Akt von Präsident Putin aufs Schärfste".

So begründet die EU Sanktionen gegen russische Politiker und Journalisten (23 Bilder)

Sergej Schoigu ist Verteidigungsminister der Russischen Föderation. Er hat sich öffentlich behauptet, die Krim sei russisch und bleibe dies. Unter seinem Kommando und Befehl haben russische Truppen Militärübungen auf der rechtswidrig annektierten Krim durchgeführt und wurden an der Grenze stationiert. Er ist für jede militärische Aktion gegen die Ukraine verantwortlich. Er ist daher auch verantwortlich für die aktive Unterstützung und Umsetzung von Maßnahmen und Richtlinien, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine sowie die Stabilität oder Sicherheit in der Ukraine untergraben und bedrohen. Bild: Mil.ru / CC-BY-SA-4.0

"Der russische Präsident ist ein Kriegsverbrecher", erklärte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach einer Sitzung des Krisenstabs im Auswärtigen Amt. Der russische Präsident Wladimir Putin habe "heute Nacht entschieden, seinen Drohungen schreckliche Taten folgen lassen".

Russland allein habe diesen Weg gewählt. Die Bundesregierung werde sich heute mit ihren Partnern im Rahmen der EU, der Nato und der G7 abstimmen, um weitere Schritte zu koordinieren. "Wir werden das volle Paket mit massivsten Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen", sagte Baerbock.

"Historische Zäsur"

Sowohl Außenministerin Baerbock als auch SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich sprachen von einer europäischen Friedensordnung, die jetzt von russischer Seite zerstört werde. "Putins Angriff auf die Ukraine ist eine historische Zäsur. Putin zerstört damit die europäische Friedensordnung der letzten Jahrzehnte", erklärte Heinrich.

Auch Ko-Vorsitzende der Partei Die Linke, Susanne Hennig-Wellsow, verurteilte die russischen Militärattacken in der Ukraine mit deutlichen Worten: "Dieser Angriffskrieg von Putin ist ein Verbrechen und durch nichts, rein gar nichts zu rechtfertigen", schrieb Hennig-Wellsow an diesem Donnerstagmorgen auf Twitter. "Ich bin in Gedanken bei den Menschen der Ukraine. Es ist so furchtbar. Russland muss diese Militäraktion sofort einstellen. Nieder mit den Waffen!"

Über die Hintergründe und Konsequenzen sind aber dann doch nicht alle Bundestagsparteien einer Meinung: Mit Blick auf den Kosovo-Krieg im Jahr 1999 würden zumindest Teile der Partei Die Linke der Bewertung widersprechen, dass die europäische Friedensordnung erst jetzt aus den Fugen geraten sei – nur dass im diesem Fall Nato-Staaten zuerst die Unabhängigkeit des Kosovo von der Bundesrepublik Jugoslawien anerkannt und dann zu dessen Gunsten militärisch eingegriffen hatten.

Zur russischen Anerkennung der "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk durch den Kreml hatten die Linke-Politiker Sevim Dagdelen und Gregor Gysivor zwei Tagen erklärt:

Die Anerkennung einseitiger Unabhängigkeitserklärungen und der darauf folgende Einmarsch der russischen Streitkräfte in die so genannten ‚Volksrepubliken‘ Donezk und Luhansk ist völkerrechtswidrig und kann nur verurteilt werden, so wie wir auch immer Völkerrechtsverletzungen durch die Nato oder Mitglieder der Nato wie zum Beispiel bei der Abtrennung und Anerkennung des Kosovo verurteilt haben.

Wir verurteilen stets eine solche Politik. Wir hätten es gut gefunden, wenn Russland sich weiter an das Minsker Abkommen gehalten hätte.


Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Fraktion am 22. Februar

Beide sprachen sich aber gegen weitere Sanktionen aus. Stattdessen müssten beide Seiten "zu Diplomatie und Völkerrecht zurückkehren".

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen macht sich dagegen nun für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine stark: "Wir, auch in Deutschland, müssen jetzt der Ukraine alles liefern, was wir liefern können", sagte er am Donnerstag im Sender WDR 2. "Das sind auch Waffen. Dafür bin ich jetzt seit dem heutigen Tag."

Bislang habe er dies abgelehnt, um nicht die Gesprächsmöglichkeiten zu zerstören, die speziell Deutschland mit Russland habe. Diese bestünden jetzt aber nicht mehr, sagte Röttgen und sprach von einer "Zeitenwende", die mindestens dieses Jahrzehnt prägen werde. "Putin hat den Krieg nach Europa zurückgebracht, weil er sein Territorium, seine Macht ausdehnen will."

Wenige Tage, nachdem der Berliner AfD-Politiker und Koch-Influencer Gunnar Lindemann Donezk besucht, vor einem Angriff aus Kiew gewarnt und von Partystimmung nach der Anerkennung der "Volksrepubliken" durch Moskau berichtet hatte, verurteilten an diesem Donnerstag auch die Spitzenpolitiker seiner Partei die russischen Militäraktionen.

"Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen", erklärten die AfD-Fraktionschefs im Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla. Der Bundesregierung versprachen sie ihre Unterstützung, sofern sie sich für eine friedliche Lösung einsetzen wolle.

IPC fordert Olympischen Waffenstillstand bis nach Ende der Paralympics

Zu Wort meldete sich neben deutschen und internationalen Spitzenpolitikern auch das Internationale Paralympische Komitee (IPC), das auf die Olympische Waffenstillstandsresolution verwies. Darin wird die Einhaltung des Olympischen Waffenstillstands sieben Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele am 4. Februar 2022 bis sieben Tage nach Ende der Paralympischen Winterspiele am 21. März gefordert. Bei den Paralympics treten auch immer wieder Kriegsversehrte an.

Die besagte Resolution war unter dem Motto "Aufbau einer friedlichen und besseren Welt durch Sport und das Olympische Ideal" von 193 Mitgliedstaaten auf der 76. UN-Generalversammlung einvernehmlich angenommen worden.