Rechenzentren im All: Wenn die Cloud wirklich über den Wolken schwebt
Rechenzentren stoßen auf der Erde an ihre Grenzen. Eine revolutionäre Lösung könnte der Weltraum bieten – doch ist das mehr als Science-Fiction?
Rechenzentren sind das Rückgrat unserer digitalen Infrastruktur und unterstützen alles von Social-Media-Plattformen bis zu Online-Shopping und Streaming-Diensten. Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz (KI), Cloud-Computing und dem Internet der Dinge ist die Menge der täglich erzeugten und verarbeiteten Daten extrem groß, und die Nachfrage nach Rechenzentren wächst ständig.
Leider haben Rechenzentren einen enormen Energiebedarf – neben einer Reihe anderer ökologischer Nachteile. Eine mögliche Lösung besteht darin, sie im Weltraum zu errichten, und mehrere Unternehmen arbeiten daran, dies zu verwirklichen. Wie würde das funktionieren und wird es wirklich passieren?
Die weltweite Nachfrage nach Rechenzentren wird in den nächsten Jahren voraussichtlich um etwa 20 Prozent pro Jahr steigen. Allein im Vereinigten Königreich geben Google, Microsoft und verschiedene andere US-Unternehmen zusammen 20 Milliarden Pfund aus, um die Rechenzentrumskapazität für KI im ganzen Land zu erhöhen.
Energiebedarf und ökologische Auswirkungen von Rechenzentren
Rechenzentren, die für Hochleistungsrechnen und KI gebaut werden, benötigen jedoch viel mehr Strom als eine Standardanlage. Dadurch entsteht viel mehr Wärme, was einen weiteren erheblichen Anstieg des Strombedarfs für Flüssigkeitskühlanlagen mit sich bringt.
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) machten Rechenzentren im Jahr 2023 etwa ein bis 1,5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus, und diese Zahl wird in den kommenden Jahren voraussichtlich noch deutlich steigen. Ferner können Kühlsysteme in einigen Regionen die Wasserknappheit verschärfen, während der wachsende Elektroschrott, der durch veraltete Geräte entsteht, ebenfalls ein großes Problem darstellt.
Um das Energieproblem anzugehen, haben Betreiber von Rechenzentren in erneuerbare Energiequellen wie Wind, Sonne und Kernkraft investiert, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Sie nutzen auch fortschrittliche Kühltechnologien, um ihre Rechenzentren energieeffizienter zu machen.
Dennoch wird es immer noch eine große Herausforderung sein, genügend Kapazitäten bereitzustellen. Rechenzentren benötigen viel Platz und eine umfangreiche Infrastruktur, was eine Erweiterung sowohl schwierig als auch kostspielig macht.
Der Weltraum als neue Grenze für Rechenzentren
Deswegen suchen US-Unternehmen wie Lumen Orbit und das EU-Projekt Ascend stattdessen im Weltraum nach Lösungen. Rechenzentren außerhalb der Erdatmosphäre hätten Zugang zu kontinuierlicher Solarenergie und könnten durch das Vakuum des Weltraums auf natürliche Weise gekühlt werden. Abgesehen von irdischen Problemen wie der Baugenehmigung könnten solche Einrichtungen schnell eingerichtet und erweitert werden, da die Nachfrage nach mehr Daten weiter steigt.
Es mag wie etwas aus einem Science-Fiction-Roman klingen, aber dieses Konzept hat mit dem Fortschritt der Weltraumtechnologie und dem offensichtlichen Bedarf an nachhaltigen und skalierbaren Rechenzentren an Aufmerksamkeit gewonnen.
Lumen, ein Unternehmen mit Sitz in Washington, hat kürzlich elf Millionen US-Dollar (8,9 Millionen Pfund) an Startkapital aufgebracht, das für den Bau eines Prototyps in Originalgröße im Jahr 2025 verwendet werden soll. Diese Einrichtung wird darauf ausgerichtet sein, riesige Mengen an Rohdaten von anderen Satelliten zu empfangen und diese dann mithilfe von KI für die Übertragung zur Erde zu komprimieren, wobei viel weniger Bandbreite benötigt wird als sonst.
In der Zwischenzeit hat Ascend im vergangenen Sommer eine 18-monatige Studie abgeschlossen, die ergab, dass Weltraum-Datenzentren wirtschaftlich und ökologisch machbar sind, vorausgesetzt, die Kohlenstoffemissionen von Trägerraketen können um etwa das Zehnfache reduziert werden. Mit Unterstützung des französischen Rüstungsriesen Thales soll in den nächsten 25 Jahren eine Kapazität von einem Gigawatt in den Weltraum gebracht werden.
Die Herausforderungen von Weltraum-Rechenzentren
Wie bei allen Ideen, die zu gut sind, um wahr zu sein, sollten wir uns über die Herausforderungen im Klaren sein, die mit solchen Projekten verbunden sind. Es ist immer noch enorm teuer, Nutzlasten in die Umlaufbahn zu bringen, auch wenn Unternehmen wie SpaceX von Elon Musk erhebliche Fortschritte bei der Senkung der Kosten und der Erhöhung der Zuverlässigkeit von Weltraumstarts erzielt haben. Dies könnte die Geschwindigkeit, mit der Weltraum-Rechenzentren in Betrieb genommen werden können, stark einschränken.
Außerdem wirkt sich die Latenzzeit bei der Kommunikation zwischen Erde und Weltraum auf die Datenübertragungsgeschwindigkeit aus. Ein weiteres Unternehmen von Musk, Starlink, hat mit seinem aufstrebenden Satellitennetzwerk, das laut Musk in den kommenden Jahren genauso schnell sein wird wie Glasfaserbreitband, Fortschritte in dieser Angelegenheit erzielt.
Die Instandhaltung von Weltraum-Rechenzentren stellt eine große Herausforderung dar. Weltraumwetter, wie z. B. Sonneneruptionen, könnte den Betrieb stören, während Kollisionen mit Weltraumschrott ein großes Problem darstellen – was die Tatsache, dass weltraumgestützte Rechenzentren keine Erdbeben oder Überschwemmungen fürchten müssen, wieder relativiert. Eine fortschrittliche Abschirmung könnte vor Dingen wie Strahlung und Mikrometeoriten schützen, aber wahrscheinlich nur bis zu einem gewissen Grad – insbesondere, da die Erdumlaufbahn immer voller wird.
Die Zukunft der Rechenzentren im Weltraum
Fortschritte in der Robotik und Automatisierung werden natürlich bei der Reparatur beschädigter Anlagen helfen, aber die Fernwartung wird möglicherweise nicht alle Probleme lösen können. Die Entsendung von Reparaturteams ist nach wie vor eine sehr komplexe und kostspielige Angelegenheit, und obwohl die sinkenden Kosten für Weltraumstarts hier wieder helfen werden, wird dies wahrscheinlich noch einige Jahrzehnte lang eine enorme Belastung darstellen. Weiterhin nimmt die Entsorgung von Abfällen aus Rechenzentren außerhalb des Planeten eine ganz neue Dimension an Komplexität an.
Obwohl diese potenzielle Lösung für unseren Bedarf an immer mehr Rechenzentren sicherlich große Begeisterung hervorruft, ist sie ebenso komplex wie überzeugend. Mit ernsthaften Anstrengungen in Forschung und Entwicklung sowie globaler Zusammenarbeit wird dies hoffentlich letztendlich die Art und Weise revolutionieren, wie wir Daten verwalten und verarbeiten. Bis dahin müssen wir uns leider noch in Geduld üben.
Domenico Vicinanza ist außerordentlicher Professor für Intelligente Systeme und Data Science an der Anglia Ruskin University.
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel. Übersetzer: Bernd Müller