Rechtskonservatives Lager triumphiert bei Landtagswahlen

Zunehmende politische Polarisierung bedeutet nicht immer, dass die Wahlbeteiligung steigt. Manche sehen wohl keine echte Alternative. Symbolbild: Pixabay Licence

In Bayern und Hessen könnten bisherige Koalitionen weiterregieren. In der Opposition ändern sich die Verhältnisse aber drastisch. Bayerns Grüne halten an einer Illusion fest.

Trotz veränderter Kräfteverhältnisse: Nach den Landtagswahlen am Sonntag könnte es sowohl in Bayern als auch in Hessen bei den bisherigen Regierungskoalitionen bleiben. In Bayern scheint das bereits ausgemacht: CSU-Chef Markus Söder, dessen Partei nach letzten Hochrechnungen mit 36,6 Prozent wie üblich stärkste Kraft wurde, hat schon mehrfach deutlich gemacht, dass er eine Koalition mit den Grünen ausschließt.

Für eine "schwarz-rote" Koalition wäre das Ergebnis der SPD mit rund acht Prozent zu kläglich, die AfD (zuletzt 15,7 Prozent) ist als Juniorpartner derzeit tabu; und die FDP fliegt mit 2,9 Prozent aus dem bayerischen Landtag.

Bleiben also nur die "Freien Wähler" (bei etwa 15,6 Prozent), mit denen die CSU bereits in den letzten fünf Jahren den Freistaat regiert hat. Söder sagte laut einem Bericht der ARD-tagesschau am frühen Abend, seine Partei wolle diese "bürgerliche Koalition" fortsetzen und schnell mit den "Freien Wählern" reden. Die bayerischen Grünen lagen zuletzt mit 14,4 Prozent hinter diesen und der AfD.

Grüne buhlen um Söders Gunst

Bereits im "TV-Duell" vor wenigen Tagen war der Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann mit eindeutigen Avancen bei Söder abgeblitzt: "Es wird definitiv mit mir kein Schwarz-Grün in Bayern geben", schrieb ihm der CSU-Chef und Ministerpräsident ins Stammbuch.

Das hielt die Ex-Grünen-Chefin und Kulturstaatsministerin im Bund, Claudia Roth, am Sonntag nicht von einer weiteren Selbsterniedrigung im Namen ihrer Partei ab. Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk appellierte Roth an die CSU, nach der Landtagswahl Gespräche mit den Grünen über eine Regierungsbildung aufzunehmen.

Demokraten sollten gemeinsam überlegen, "was die beste Regierung für Bayern wäre", so die Grünen-Politikerin; Demokraten sollten miteinander reden und sondieren, was das Beste wäre für das Land.

Enorme Anpassungsleistung in Hessen

Dabei zeigt das hessische Beispiel, dass Söders Vorbehalte unberechtigt sind – denn hier haben sich die Grünen als Juniorpartner der CDU in einer "schwarz-grünen" Koalition bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hat hier mit einer so autozentrierten Politik geglänzt und sich so wenig für den ÖPNV engagiert, dass er im Juli einen Negativpreis des Fahrgastverbandes Pro Bahn erhielt.

Schon vor drei Jahren im Streit um die Rodung des Dannenröder Waldes für den Ausbau der Autobahn A49 hatte sich die hessische Grünen-Spitze von ihrer Basis entfremdet und umso tiefer in die Arme des Koalitionspartners CDU geworfen.

In Hessen stehen nun auch die Chancen auf eine Fortsetzung dieses Bündnisses relativ gut. Allerdings will der Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Boris Rhein als Wahlsieger nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit der SPD Sondierungsgespräche aufnehmen.

Die CDU wurde hier mit 34,6 Prozent stärkste Kraft und legte damit auch im Vergleich zur Wahl 2018 deutlich zu – damals war sie auf 27,0 Prozent gekommen. Die Grünen mussten dagegen mit aktuell 14,8 Prozent im Vergleich zu damals mit 19,8 Prozent Federn lassen – sie verloren satte fünf Prozentpunkte. Dass sie sich derart geschwächt in einer Neuauflage der Koalition auf grüne Werte besinnen und diese selbstbewusst verteidigen würden, ist kaum zu erwarten.

Die Stimmenverluste der Grünen in Hessen sind wohl nicht nur mit Frust über die Bundespolitik ihrer Partei in der Ampel-Regierung zu erklären. Ihre umweltbewusste Zielgruppe wurde auch speziell in Hessen enttäuscht und konnte von der Partei die Linke nicht aufgefangen werden.

So erklärt sich vielleicht auch, dass trotz zunehmender politischer Polarisierung die Wahlbeteiligung in Hessen nicht gestiegen, sondern sogar leicht gesunken ist. Nur etwa zwei Drittel der Wahlberechtigten gaben hier hier Stimme ab; rund neun Prozent von ihnen stimmten für Kleinparteien, die nur unter "Sonstige" aufgelistet werden.

"Frau Faeser wurde abgestraft"

Eine Enttäuschung war die Hessen-Wahl aber auch für Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die hier trotz ihres hohen Amtes als Spitzenkandidatin der SPD angetreten war. Ihre Partei rutschte hier von ebenfalls 19,8 Prozent auf 15,1 Prozent ab.

Während Faeser selbst zunächst offen ließ, ob sie Landesvorsitzende der SPD bleiben will, forderte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gleich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Konsequenzen mit Blick auf ihr Ministeramt: "Frau Faeser wurde abgestraft", sagt Linnemann im ZDF. "Sie hat Glaubwürdigkeit verspielt."

Das Land erlebe eine Migrationskrise, in der endlich gehandelt werden müsse und Faeser als Innenministerin zuständig sei. Stattdessen habe sie in Hessen als SPD-Spitzenkandidatin Wahlkampf gemacht, so Linnemann.

Linke und FDP sind größte Verlierer

Bemerkenswert ist, dass mit der FDP und der Partei Die Linke zwei sehr gegensätzliche Parteien zu den größten Verlierern dieses Wahlsonntags gehören: In Bayern muss die FDP ihre Landtagsbüros räumen, Die Linke hat den Einzug erneut nicht geschafft.

Die hessische FDP musste bis zuletzt um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, lag aber exakt bei den notwendigen 5,0 Prozent, als nahezu alle Wahlbezirke ausgezahlt waren.

Die Linke hat mit 3,1 Prozent den Wiedereinzug verpasst und verliert damit eine tüchtige Fraktion, die in den vergangenen Jahren nicht nur viel Aufklärungsarbeit über rechtsterroristische Netzwerke geleistet und einen Ex-Geheimdienstler wegen Falschaussage im NSU-Untersuchungsausschuss angezeigt hat, sondern auch die soziale Frage ernst nahm – und zum Beispiel immer wieder den Kampf für bezahlbaren Wohnraum ins Parlament getragen hat.

AfD wohl in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft

Während das soziale Engagement der Linken bei der Wahl nicht belohnt wurde – was wohl an ihrem innerparteilichen Dauerstreit auf Bundesebene und ihrer ungewissen Zukunft als Gesamtpartei liegt – scheint die FDP dennoch für ihre soziale Kälte abgestraft worden zu sein. Dabei gibt es in der Wirtschafts- und Sozialpolitik große Ähnlichkeiten zwischen der FDP und der momentan so erfolgreichen AfD.

Letztere wird wohl durch ihren nationalpopulistischen Volksgemeinschafts-Sound von ihrer Zielgruppe nicht als Partei der sozialen Kälte wahrgenommen: Sowohl in Bayern als auch in Hessen wurden die Ultrarechten am Sonntag wohl zweitstärkste Kraft.

In Hessen erreichte sie 18,4 Prozent der Stimmen und gewann damit im Vergleich zu 2018 mehr als fünf Prozentpunkte hinzu. In Bayern – wo sie mit Hubert Aiwanger scharfe rechtspopulistische Konkurrenz hatte, die zuletzt nur knapp hinter ihr lag –, kam die AfD nach letzten Hochrechnungen vor Mitternacht auf 15,7 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von 5,5 Prozentpunkten gegenüber 2018.

AfD-Chefin Alice Weidel zeigte sich am Wahlabend "extrem stolz" auf das Abschneiden ihrer Partei in beiden Bundesländern. In Bayern jedenfalls hat rechtskonservative Lager, zu dem CSU, "Freie Wähler" und AfD gezählt werden müssen, auch wenn letztere nicht als koalitionsfähig gilt, mehr als zwei Drittel derjenigen erreicht, die ihre Stimme abgaben. Die Wahlbeteiligung lag dort bei über 70 Prozent.

Die CSU, die den Freistaat lange allein regiert hat, ist allerdings für ihre Verhältnisse historisch schwach. 2018 war sie auf 37,2 Prozent gekommen, 2013 noch auf 47,7 Prozent, was im Landtag eine absolute Mehrheit bedeutete und ihr die Alleinherrschaft ermöglichte, weil Stimmen für Kleinparteien unter fünf Prozent bei der Sitzverteilung nicht zählten.