Regionalflughäfen: Der Preis der Eitelkeit

Seite 4: Auch im Süden der Republik nichts Neues

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bayerns Steuerzahler müssen ebenfalls für defizitäre Kleinstflughäfen blechen. So sollen mehrere Millionen Euro öffentlicher Gelder in den Ausbau des Allgäu-Airports in Memmingen fließen. Der Freistaat griff dem Betreiber mit einem einmaligen Zehn-Millionen-Euro-Zuschuss unter die Arme. Dabei wurden schon 2007 Subventionen in Höhe von 6,5 Millionen Euro gezahlt.

Der Allgäu Airport ist der drittgrößte Flughafen Bayerns nach München und Nürnberg. Er wird bislang von privaten und kommunalen Gesellschaftern getragen, schreibt aber rote Zahlen. 2012 machte er 1,1 Millionen Euro Verlust und wies 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus.

2011 wurden innerdeutsche Flüge von Memmingen aus eingestellt. Damit brachen die Passagierzahlen von über 900.000 auf 764.000 ein. Das bedeutete einen Jahresverlust von über zwei Millionen Euro. Nach Zinsen und Abschreibungen steht beim Allgäu Airport unterm Strich hoher Verlust von gut einer Million Euro. Zuletzt musste der Allgäu Airport einen Rückschlag hinnehmen: Seit die Fluglinie Intersky Insolvenz anmeldete, hat Memmingen keine einzige innerdeutsche Flugverbindung. Und das wird erst einmal so bleiben.

Der Airport wird von etwa 70 Privatunternehmen und der kommunalen Allgäu GmbH getragen und schrieb stets rote Zahlen. Ende 2014 stand er kurz vor der Insolvenz. Dennoch planen die Gesellschafter einen großen Umbau. Für diese Sanierung hat der Freistaat einen 12,2-Millionen-Euro-Zuschuss zugesagt.

Dem dritten bayerischen Flughafen, dem Albrecht Dürer Airport Nürnberg geht es schlecht: Er schreibt seit Jahren Millionenverluste. Stadt und Freistaat wollen dem hoch verschuldeten Flughafen mit Zuschüssen und Darlehen in Höhe von 70 Millionen Euro finanziell Luft verschaffen. Mit 40 Millionen Euro soll das Kapital des Airport-Betreibers aufgestockt werden. Weitere 30 Millionen Euro wollen der Freistaat und die Stadt als Darlehen gewähren. 2013 belief sich der Verlust auf 3,9 Millionen Euro.

Drei weitere bayerische Airports sind gar keine mehr. Augsburg, Bayreuth und Hof-Plauen wurden zu Verkehrslandeplätzen herabgestuft. In Augsburg findet kein Linienverkehr mehr statt. In Hof-Plauen hatte zuletzt Cirrus Airlines zweimal täglich eine Verbindung nach Frankfurt aufrechterhalten. Mit der Pleite der Fluggesellschaft wurden auch diese Flüge 2012 eingestellt. Im oberfränkischen Bayreuth machte der Regionalflugplatz zuletzt rund 400.000 Euro Defizit pro Jahr.

Auch beim Bodensee-Airport Friedrichshafen sind die Passagierzahlen seit 2008 deutlich eingebrochen. Seit Jahren meldet der Flughafen Millionenverluste und betont stets, das operative Ergebnis sei positiv. Das ist das Ergebnis ohne Steuern, Zinsen und Tilgungsleistungen. Nur: In der realen Welt müssen Steuern, Zinsen und Tilgungen bezahlt und also auch erst einmal verdient werden.

Doch wie miserabel der Bodensee-Airport inzwischen dasteht, zeigte sich 2014, als der Flughafen Wien seine Anteile verkaufen wollte, die er 2007 für 7,7 Millionen Euro erworben hatte. Er bekam nur noch 2,25 Millionen Euro dafür. Käufer waren die Stadt Friedrichshafen und der Landkreis Bodensee, andere Investoren fanden sich erst gar nicht.

Seit die Fluglinie Intersky 2015 ihren Flugbetrieb einstellte, verlor Friedrichshafen seine wichtigste Regionalfluggesellschaft. Das Passagieraufkommen sank unter die kritische Marke von 500.000. Ein rentabler Betrieb ist nicht mehr möglich, zumal es erhebliche Kannibalisierungseffekte durch den Flughafen Memmingen gibt.

Noch so ein Sorgenkind ist der Flughafen Schwerin-Parchim, der seit 2005 vom Landkreis Parchim betrieben wird und sich seither großkotzig Schwerin-Parchim Baltic Airport nennt.

Seit 1994 flossen mehr als 36 Millionen Euro an Landesfördermitteln in das Objekt. 2007 erwarb die chinesische LinkGlobal Logistics Co. Ltd den Flugplatz für 30 Millionen Euro. Die Gesellschaft führt Frachttransporte zwischen Schwerin-Parchim und Zhengzhou in China durch. Allerdings weiß niemand, wie viel wirklich gezahlt wurde; denn LinkGlobal ließ immer wieder Zahlungstermine verstreichen und führte bauliche Maßnahmen nicht aus. Tatsächlich konnte der Investor den Kaufpreis von 30 Millionen Euro nicht vollständig aufbringen. Der Landkreis erließ ihm den Rest.

Der chinesische Investor Jonathan Pang hatte schon viele Ideen, wie er dem ehemaligen Militärflughafen zu neuem Glanz verhelfen könnte. Geklappt hat bisher nichts. Immerhin zahlt Pang zuverlässig die laufenden Kosten von zirka 30.000 Euro monatlich. Und der klamme Landkreis ist darüber schon so froh, dass er bei allen übrigen Zahlungen ein Auge zudrückt. Pang überrascht immer wieder mit großartigen Plänen - ganz so wie alle anderen Investoren und Administratoren anderer Regionalflughäfen. Doch ob jemals etwas daraus wird? Zweifel sind angebracht.

In etwa zwei Jahren soll am Flughafen Parchim mit dem Bau des "Airport Village" begonnen werden. Das "Airport Village" soll den Flughafen für alle Ewigkeit auf Kurs bringen. Für einen dreistelligen Millionenbetrag sind ein Luxus-Einkaufszentrum, ein neues Terminal, ein Hotel und ein Gewerbegebiet geplant, falls bei der baurechtlichen Planung nichts schief geht.

Die Luxus-Shopping-Mall soll gut 12.000 Quadratmeter groß werden. Geschäfte der teuersten Marken der Welt sollen dann ihre Ware anbieten. Hauptsächlich chinesische, russische und arabische Kunden sollen die Mall besuchen - man rechnet pro Tag mit 3.000 Passagieren. Die Hotelanlage soll 400 Betten und einen Wellnessbereich haben. 600 bis 700 Arbeitsplätze könnten entstehen, heißt es.

Das klingt genauso aufgeblasen wie all die hochfliegenden Pläne bei allen anderen Regionalflughäfen, bei denen am Ende stets nur ganz kleine Brötchen mit gebacken wurden. Für die gab es aber stets einen Riesenbetrag in Form von vielen Millionenverlusten. Und es könnte gut sein, dass auch die Shopping Mall am Ende zur Bauruine wird.

Alle Kleinstflughäfen werden hoch subventioniert, doch Aussicht auf Besserung gab es bislang so gut wie gar nicht: Sie belasten die öffentlichen Kassen von Jahr zu Jahr immer stärker. Die Betreiber führen oft einen Subventionswettlauf, um Fluggesellschaften anzulocken. Da fließen dann trotz leerer Kassen reichlich Steuermittel, oft an Billigfluggesellschaften und verzerren den Wettbewerb zu Ungunsten kostendeckender Flughäfen und zu Gunsten unrentabler Geisterflughäfen.

Der renommierte Bauplaner Dieter Faulenbach Da Costa, der an vielen Flughäfen in der ganzen Welt mitgearbeitet hat, ist der Ansicht, dass alle Regionalflughäfen in Deutschland überflüssig sind. Seiner Ansicht nach braucht Deutschland sechs Flugplätze: einen im Osten, einen im Norden, einen im Zentrum, einen im Westen, einen im Südwesten, einen im Süden. Alle anderen sollten zum öffentlichen Nutzen eingestellt werden.

Das allerdings verbietet die in entwickelten Demokratien herrschende Unvernunft politischer Willensbildung: Die Politiker müssten eingestehen, dass sie Millionenbeträge ohne Sinn und Verstand und in den Sand gesetzt haben. Und das fällt ihnen wesentlich schwerer, als die Steuerzahler auch in Zukunft noch mehrere Jahrzehnte lang um viele Millionenbeträge zu erleichtern. Demokratischen Entscheidungen ist das kopflose Gewurschtel immanent, weil es leichter fällt, einfach so weiterzumachen wie bisher, als einen klaren Schnitt zu wagen und einzugestehen: Wir haben Murks gebaut. Da könnte man die nächste Wahl verlieren. All dies sind deutliche Anzeichen dafür, dass das ganze System völlig aus den Fugen geraten ist; denn die Subventionen sind in Wahrheit überhaupt keine Subventionen im volkswirtschaftlichen Sinn. Sie fördern nicht Wirtschaftszweige, die vorübergehend in eine Schieflage geraten sind und deshalb vernünftigerweise eine Zeit lang subventioniert werden sollten, damit sie wieder auf die Beine kommen. Sie verlängern das Elend bis in alle Ewigkeit. Es sind Tributzahlungen an die politische Klientele. Sie fördern Misswirtschaft und Fehlplanungen in gigantischen Ausmaßen und können aus genau diesem Grunde auch nicht mehr so leicht rückgängig gemacht werden. Die Situation ist festgefahren. Es gibt kein Vor und kein Zurück und auch kein Ausweichen nach links oder rechts. Auch als mögliche Einnahmequelle von staatlichen Subventionen sind die Provinzpisten noch für Käufer aus dem In- und Ausland attraktiv: Man kauft einen maroden Verlustbringer für relativ wenig Geld und bekommt dafür erleichterten Zugang zu den Provinzpolitikern, die ihre rettende Hand gern in die großen Subventionstöpfe stecken: So ist den regionalen Murksern ebenso geholfen wie den ausländischen Hasardeuren. Und der Murks geht weiter - The show must go on…

Wolfgang J. Koschnick ist Autor des Buchs: Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr. Das Ende einer Illusion. Westend Verlag 2016.