Regionalflughäfen: Der Preis der Eitelkeit

Seite 2: Protz und Prunk als Denkmäler für die Ewigkeit

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Die wildwuchernde Konkurrenz führt zu erbarmungsloser Kannibalisierung. Die Steuerzahler müssen für den Protz der Provinzpolitiker bluten. So führt der Trend in nahezu jedem Einzelfall zur schamlosen Verschwendung knapper öffentlicher Mittel. So gut wie kein Regionalflughafen erreicht die kritische Größe für einen kostendeckenden Flugbetrieb.

Regionalpolitische Alleingänge könnten nur durch eine bundeseinheitliche Flughafenpolitik verhindert werden. Dazu allerdings sieht der Bund keinen Anlass, und die Länder würden sich ohnehin kraftvoll dagegen wehren, dass jemand ihre Macht beschneidet. So bleibt es bei der kopf- und planlosen Provinz-Wurstelei.

Eine Chance haben die Regionalflughäfen langfristig nur dann, wenn es ein bundesweit koordiniertes und aufeinander abgestimmtes einheitliches Vorgehen gäbe. Deutschland braucht dringend ein ganzheitliches Konzept für seinen Luftverkehr, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und die bestehenden Infrastrukturen effizienter auszulasten. Der Auf- und Ausbau von Luftverkehrsinfrastruktur müsste zwingend nach einem nationalen Plan erfolgen. Doch da stehen sich die Bundes-, die Landes- und die Provinzpolitiker gegenseitig im Weg.

Gefälligkeitsgutachter liefern mit getürkten Zahlen die Rechtfertigung

Die Bundesländer haben seit der deutschen Einheit weit über drei Milliarden Euro für die 21 größten Regionalflughäfen ausgegeben. Dabei verzeichnen sie alle weniger als drei Millionen Passagiere im Jahr. Das bedeutet: Sie können aus eigener Kraft kaum überleben und hängen seit vielen Jahren und auf unabsehbare Zeit am Tropf der Kommunen und Regionen. Es besteht auch keinerlei Hoffnung, dass die Zahl der Passagiere in Zukunft wächst. Ganz und gar nicht: Der Trend geht seit Jahren in die entgegengesetzte Richtung.

Am Anfang eines jeden Regionalflughafens stehen immer leere Versprechungen, Lügen und getürkte Gefälligkeitsgutachten. Sie verheißen stets das Gleiche: Schon bald werden massenweise Touristen und Geschäftsleute kommen, und die Region kann mit einem mächtigen Wachstumsschub rechnen. Nur ist niemals etwas aus den hohlen Redensarten geworden.

Ein eigener Flughafen gilt bei Politikern offenbar als unfehlbares Mittel, auch das hinterletzte Kaff mit der großen weiten Welt zu verbinden und es an den Trend der Globalisierung anzuschließen. Mit dem Ausblick auf eine blühende wirtschaftliche Entwicklung scheuten die Landespolitiker keine Kosten, in ihrer Region einen glitzernden Passagierflughafen nach dem anderen in die Landschaft zu klotzen.

Doch nachdem alle Wartehallen gebaut, die Landebahnen erneuert, die Tower aufgerüstet sind, steht das protzige Ding ziemlich einsam in der Landschaft und nennt sich stolz "International Airport". Doch es fehlt ihm, was er am dringendsten braucht: genügend Passagiere.

Angesichts der vielen Fehlplanungen hat die EU-Kommission angekündigt, den finanziellen Blindflug zu beenden. Europäische Flughäfen mit weniger als drei Millionen Passagieren im Jahr müssen spätestens ab 2024 ohne Subventionen auskommen. Sonst ist Schluss.

Es gibt allein in Deutschland derzeit 22 Verkehrsflughäfen. Nur sechs davon schreiben schwarze Zahlen. Das sind Frankfurt am Main, München, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Köln/Bonn. Alle anderen machen seit Jahren große Verluste und werden aus öffentlichen Haushalten künstlich am Leben gehalten. Und für viele von ihnen gilt, dass sie jährlich eine siebenstellige Summe an Zuschüssen kosten.

Diejenigen, die diese gigantische Fehlplanung ausbaden müssen, sind - wie üblich - die Steuerzahler. Zum großen Teil mit gewaltigen Summen. Ein Ende der Zahlungen ist bei den meisten nicht in Sicht. Die verblendete Eitelkeit der gewählten Repräsentanten in den entwickelten Demokratien kostet viele Milliarden Euro. Nicht nur beim Flughafenbau, aber da auch.

Jedes Bundesland darf Flughäfen errichten, wo und wann es will. So gibt es in unmittelbarer Nähe des neuesten Flughafens Kassel-Calden - der sich seit neuestem weltmännisch "Kassel Airport" nennt, aber trotzdem eine Dorfpiste blieb - allein in Nordrhein-Westfalen zwei weitere Flughäfen, Münster/Osnabrück und Paderborn/Lippstadt. Allesamt schwere Verlustbringer, die durch die gewachsene Konkurrenz noch höhere Verluste erzielen. Doch darum hat sich schon bei der Planung niemand gekümmert.

Auch beim Neubau wird eine Analyse des zu erwartenden Bedarfs erst gar nicht durchgeführt. Es wird einfach nur ohne Sinn und Verstand drauflosgebaut. Das Ziel, einen prächtigen Flughafen für große Verkehrsmaschinen in die Landschaft zu stellen, ist den demokratischen Duodezfürsten viel wichtiger als die Klärung der Frage, ob für den jeweiligen Flughafen überhaupt ein ökonomisch gerechtfertigter Bedarf besteht. Bei einer solchen Analyse könnte ja herauskommen, dass nicht der geringste Bedarf besteht. Fatal. Deshalb werden Bedarfsanalysen erst gar nicht angestellt.

Überall gibt es Gefälligkeitsgutachten, die jedem neuen Flughafen eine goldene Zukunft in blühenden Landschaften voraussagen. Allerdings ist in der Realität noch jedes dieser Gefälligkeitsgutachten nach ein paar Jahren durch die ausgebliebenen Passagierzahlen dramatisch widerlegt worden.

Die Gutachten haben von vornherein nicht den Zweck, eine realistische Schätzung über die wirklich zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung eines Flughafenprojekts darzustellen. Sie sind Instrumente der politischen Auseinandersetzung. Sie ermöglichen es den Politikern, ein Projekt durch die demokratischen Entscheidungsgremien durchzuboxen.

Also müssen die Zahlen auf Biegen und Brechen geschönt werden. Die wahren Kosten werden kleingerechnet, die wirtschaftlichen Aussichten viel zu großgerechnet. Sonst kommt das Projekt nicht durch die Gremien. Und wenn die harte wirtschaftliche Wirklichkeit sich nicht an die frisierten Prognosen hält - was sie noch nie getan hat -, macht das auch nichts.

Dann können die politischen Repräsentanten sich ja immer noch mit dem Sachverständigengutachten herausreden, das dem Projekt eine glänzende Zukunft vorausgesagt hat: Die politische Planung war hervorragend, bloß das Gutachten war schlecht. Auch dafür sind getürkte Gutachten nützlich.

Es gibt eine ganze Reihe von "Fachleuten", die sich mit solchen "Gutachten" eine goldene Nase verdienen. Je unrealistischer sie sind, desto mehr kosten sie. Deshalb wohl heißen sie ja auch Gutachten: Sie erachten für gut, was in Wahrheit grottenschlecht ist.

Zusammen machen die Regionalflughäfen im Besitz der öffentlichen Hand Jahr für Jahr Verluste von zwischen 150 und 200 Millionen Euro. Allein Mecklenburg-Vorpommern mit seinen gerade mal 1,6 Millionen Einwohnern hat fünf Flughäfen. Jeder einzelne von ihnen ist überflüssiger als ein Kropf. Keiner von denen könnte überleben, selbst wenn jeder Mecklenburger und jeder Pommer zwei- oder dreimal im Jahr irgendwohin fliegen würde. Nordrhein-Westfalen hat sogar sieben Flughäfen. Insgesamt verteilen sich wenige große und die sehr vielen kleinen Flugplätze über die ganze Bundesrepublik.