D-Day-Flaute der FDP: Kein Dank für Ampel-Aus in Umfragen

Bild zeiht FDP-Vize Wolfgang Kubicki

Zumindest einer ist noch stolz auf die FDP: Parteivize Wolfgang Kubicki. Foto: Juergen Nowak / Shutterstock.com

Die Beliebtheitswerte der Koalition waren im Keller. Doch die FDP profitiert nicht davon, dass sie sie platzen ließ. Wie übersteht sie das Debakel?

Während das sogenannte "D-Day-Papier" der FDP zum Ausstieg aus der Ampel-Koalition auch aus den eigenen Reihen teils heftig kritisiert wird, sieht Parteivize Wolfgang Kubicki keinen Skandal: "Ich bekenne mich schuldig. Ich wollte das Ende dieser Koalition, deren Gewürge unserer Wirtschaft und unserem Ansehen massiv geschadet hat", schrieb er an diesem Freitagvormittag auf der Plattform X, ehemals Twitter.

FDP-Vize Kubicki bleibt stolz auf seine Partei

"Wenn Ihr also einen Schuldigen sucht, Rote, Grüne oder Teile der Medien, nehmt mich", so Kubicki. Niemand werde ihm den Stolz auf seine Partei nehmen können.

Letztere profitiert allerdings im Ansehen bisher nicht von ihrer Rolle in der Regierungskrise, die inzwischen dazu geführt hat, dass im Februar vorgezogene Neuwahlen stattfinden.

Beliebt war die Ampel-Koalition zuletzt tatsächlich nicht mehr: Laut einer Umfrage für den ARD-DeutschlandTrend waren in diesem Herbst 84 Prozent der Bevölkerung unzufrieden mit ihrer Arbeit. Allerdings wurde die FDP in Umfragen nach dem Koalitionsbruch bisher nicht dafür belohnt, dass sie Anfang November die "Ampel" platzen ließ.

FDP muss um Wiedereinzug in den Bundestag bangen

Auch in den letzten Wochen mussten die Wirtschaftsliberalen mit Werten zwischen drei und fünf Prozent um ihren Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Seit der Bundestagswahl 2021 haben sie somit ihre Zustimmungswerte mehr als halbiert.

Dass der Koalitionsbruch von FDP-Kreisen geplant war, daran besteht inzwischen kein Zweifel mehr – auch wenn ihr seit heute ehemaliger Generalsekretär Bijan Djir-Sarai davon sprach, das "D-Day-Papier" zum Ampel-Ausstieg sei "auf Mitarbeiterebene" entstanden und der Parteiführung nicht bekannt gewesen.

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai tritt nach Lügen-Vorwurf zurück

Nachdem bestenfalls der Eindruck entstehen konnte, er habe seine Partei und deren Mitarbeiter nicht im Griff, zog Djir-Sarai an diesem Freitag Konsequenzen und trat zurück. Mehrere Medien hatten der FDP-Spitze zuvor Lügen unterstellt.

Djir-Sarai will aber nicht bewusst die Unwahrheit gesagt haben: "Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert", erklärte er nun auf einer Pressekonferenz. "Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte."

Veröffentlicht hat es die Partei am Donnerstag nach zahlreichen Presseanfragen selbst auf ihrer Homepage, nachdem wesentliche Inhalte bereits Mitte November durchgesickert waren.

D-Day mit offener Feldschlacht: Militär-Sprech bei der FDP

Das Dokument soll zuletzt am 5. November um 12:39 Uhr geändert worden sein – am Tag vor dem Eklat, der zur Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geführt hatte.

Auf acht Seiten hatten die FDP-Strategen in dem Papier den idealen Zeitpunkt für den Ausstieg aus dem Ampel-Kabinett und entsprechende Medienstrategien durchgespielt. Der Ausstieg könne "zu Beginn der KW 45 erfolgen", hieß es darin. In einer Pyramiden-Grafik, die verschiedene Phasen des Plans darstellen sollte, war auch die Rede von einem "Beginn der offenen Feldschlacht".

Kubicki forderte offen den Koalitionsbruch

Bei mehreren Treffen waren zuvor laut Medienberichten seit Ende September Szenarien für ein Ende der "Ampel" besprochen worden. Kubicki, der die Schuld für die schlechte wirtschaftliche Lage und den Ansehensverlust der Koalition vor allem bei Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht, hatte bereits Anfang September ganz offen gefordert, die "Ampel" platzen zu lassen.

Scholz wollte dagegen nach eigenen Worten Lindner Verhalten "unserem Land nicht länger zumuten". Sinngemäß warf er ihm vor, innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander auszuspielen.

Streit über Schuldenbremse führte zum Eklat

Er selbst sei "nicht bereit, unsere Unterstützung für die Ukraine und Investitionen in unsere Verteidigung zulasten des sozialen Zusammenhalts zu finanzieren, zulasten von Rente, Gesundheit oder Pflege", hatte Scholz mit Blick auf Lindners Pläne und dessen striktes Festhalten an der Schuldenbremse erklärt.

Lindners Kurs und die Ausstiegsoption unterstützten auch FDP-Politikerinnen, die sich nun vom "D-Day-Papier" distanzieren und betonen, bei entscheidenden Treffen nicht dabei gewesen zu sein.

Strack-Zimmermann fordert Selbstkritik und Aufarbeitung

Selbst die Europaparlamentarierin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die im EU-Wahlkampf als "Eurofighterin" aufgetreten war, fand die militärische Wortwahl in dem Dokument "der Sache nicht dienlich" und "eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar" – obwohl es richtig gewesen sei, sich mit Ausstiegsszenarien zu beschäftigen, wie sie auf X erklärte. Jetzt seien "ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt".

Härter fiel die Kritik von Franziska Brandmann aus: Die Chefin der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale erklärte an diesem Freitag: "Das Papier, das gestern öffentlich wurde, ist einer liberalen Partei unwürdig. Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht."

Ungewöhnlich emotional äußerten sich auch manche Journalisten, die offenbar den alten Bürgerrechts-Flügel der FDP geschätzt hatten. So zeigte sich etwa der Redaktionsleiter des ARD-Magazins Monitor, Georg Restle, erschüttert, "wie tief die Partei eines Gerhart Baum, eines Burkhard Hirsch oder einer Hildegard Hamm-Brücher sinken konnte". Hätte, so Restle auf X, "die Lindner-Truppe auch nur einen Rest von Anstand, würde sie geschlossen zurücktreten".

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