Reisende Russen: Vergraulen statt Aussperren?

Hardliner in EU wollen Einreise von Russen pauschal unterbinden. Versuch ist offenbar gescheitert. Doch die Befürworter eines generellen Einreisestopps geben nicht auf.

Es war ein klassischer EU-Kompromiss: Eine Reihe von Ländern wollte als Kollektivstrafe für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine alle russischen Staatsbürger aus Europa aussperren. Zu den Befürwortern einer solchen Regelung gehörten die baltischen Staaten, Polen, Finnland und Tschechien.

Eine Reihe von anderen Ländern wandte sich aus guten Gründen gegen solche Planungen, etwa Deutschland, Frankreich oder Spanien.

Herausgekommen ist bei einem Treffen der EU-Außenminister in Prag die Kündigung eines 2007 abgeschlossenen Visaabkommens zwischen Russland und der EU. Dadurch werden Schengen-Visa für Russen mehr als doppelt so teuer, bürokratischer zu bekommen und kürzer von der Gültigkeit.

Vor diesem Kompromiss zeigen die Befürworter des kompletten Visumbanns keinen Respekt. Sie haben selbstständig bereits vor Monaten die Visumvergabe an russische Staatsbürger komplett gesperrt, wozu sie noch das Recht hatten. Doch gehen sie weiter, bis in die Grauzonen des EU-Rechts.

Estland annulliert gültige Visa anderer Staaten

Die baltischen Staaten erklärten etwa die Einreise russischer Staatsbürger generell zu einem Sicherheitsrisiko. Das in dem Wissen, dass aus Sicherheitsgründen auch Visumsinhabern in Einzelfällen die Einreise in den eigenen Staat verboten werden kann. Somit zerschneiden sie mit dieser kollektiven, rechtlich kaum haltbaren Auslegung für alle russischen Staatsbürger wissentlich und mit Duldung aus Brüssel den Schengener Raum.

Bereits vor dem Außenministergipfel traten Fälle auf, in denen Estland gültige Schengen-Visa anderer EU-Staaten unter Vorwänden annullierte, um die Einreise von Russen verhinderten.

Betroffen war auch ein bekannter russischen oppositionellen Journalisten, der gerade mit Ach und Krach eine schikanöse russische Grenzabfertigung überstanden hatte. Opfer der rigorosen estnischen Politik wurden sogar ukrainische Flüchtlinge, die über Russland in die EU einreisen wollten, was ihnen bei einem zu langen Aufenthalt in Russland verweigert wurde.

Finnland beschlagnahmt Euros und zieht Visa zurück

Mit einer anderen Methode geht nun Finnland vor, wie die russischsprachige, lettische Onlinezeitung Meduza berichtet: In ihr Heimatland zurückkehrenden Russen wird ihr komplettes Bargeld in Euro abgenommen und in Verwahrung genommen.

Erstmals wurde diese Praxis am 29. August publik. Inzwischen explodieren die russischsprachigen sozialen Netzwerke mit Berichten über einschlägige Fällen – die Bargeldkonfiszierung an der finnischen Ostgrenze wurde zum Regelfall.

Die Finnen bestreiten die Beschlagnahmung nicht. Sie rechtfertigen sie mit einer EU-Sanktion, wonach nur Euros für den "persönlichen Gebrauch durch Privatpersonen" nach Russland ausgeführt werden dürfen – ohne nähere Definition.

Diese Menge für den persönlichen Gebrauch wird nun von einem Tag auf den anderen beschränkt auf die Mittel, die zur Erreichung des eigenen Heimatortes dringend benötigt werden. Schon ab 300 Euro sind Beschlagnahmungen aufgetreten, wenn die Reisenden gleichzeitig Rubel dabei hatten. Eine schikanöse Auslegung der Sanktionsvorschrift ist offensichtlich.

Die Sankt Petersburger Onlinezeitung Bumaga berichtet von einer weiteren Schikane-Methode der Finnen gegen russische Reisende. So wurden Visa ebenfalls an der Grenze in mehreren Fällen annulliert, nachdem die finnischen Grenzer erfahren hatten, dass Finnland nur als Transitstaat zur Reise in ein EU-Drittland dient.

Dabei ist es nach EU-Recht völlig legal, sowohl mit einem finnischen als auch mit einem deutschen Schengen-Visum etwa von Russland über Finnland nach Deutschland zu reisen. Der Grund der Stornierungen ist völlig neu und aus der Zeit vor der aktuellen Diskussion unbekannt.