Riot, Man, Woman, Camera, TV - Zweite Amtszeit
Krawalle in Seattle und Portland, ein Toter in Texas, Paramilitärs in Louisville - das alles spielt in die Hände Trumps
Während "Person, Man, Woman, Camera, TV"-Donald Trump medial weiter für Entertainment sorgt, bleiben die Probleme seines Landes im Hintergrund. Knapp 150.000 Covid-19-Tote, etliche Millionen ohne Arbeit und bald auch ohne Obdach. Und dann sind noch die landesweiten Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Diese waren Anfang Juli am Abflauen, doch Trumps Einsatz von Bundespolizisten in Portland heizte die Protestbewegung wieder an. Nun richten sich viele Proteste auch gegen den Fall Amerikas in einen autoritären Staat unter dem "Autokraten" Trump.
Dieses Wochenende wurde nach Portland auch Seattle "angesteckt" von der "Anarchie". Es war zu erwarten: Präsident Donald Trump sagte am Donnerstag, dass er den Einsatz der Bundespolizei in Seattle ausgeweitet habe. Die US-Metropole Seattle wurde am Samstag zum Schauplatz von gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Polizeikräften. Mit Schildern wie "Feds Go Home" und den Rufen "No Justice, No Peace" zogen rund 5.000 Demonstranten durch die Innenstadt und hielten an der Stelle eines künftigen Jugendgefängnisses an und setzten Feuer. Die Polizei reagierte darauf mit dem Einsatz von Blendgranaten und Pfefferspray. Seattles Polizei-Präsidentin Carmen Best sprach zu später Stunde von "riots". Insgesamt wurden etwa 45 Menschen wegen Widerstands gegen Staatsgewalt oder Körperverletzung festgenommen.
Der Stadtrat von Seattle hatte im Juni einstimmig ein Verbot von Tränengas, Pfefferspray und anderen weniger tödlichen Mitteln zur Kontrolle der Menschenmenge verabschiedet. Die Polizeichefin von Seattle, Carmen Best, hatte gesagt, das Gesetz werde dazu führen, dass ihre Beamten bei Gewalteskalationen nicht in der Lage seien, Eigentum zu schützen. Es sollte am Sonntag in Kraft treten, doch ein Bundesrichter hob vorübergehend die Verordnung der Stadt auf. Auch das brachte das Fass zum Überlaufen.
Krawalle in vielen Städten
Auch in Portland kam es dieses Wochenende zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeikräften. Die Sicherheitskräfte, darunter natürlich auch Beamte der Bundespolizei, ging mit Tränengas und Blendgranaten gegen die Demonstrierenden vor. Zusammenstöße zwischen Bundespolizei und Demonstranten gab es vor dem Justizgebäude des Bundes in Portland. Die US-Behörden verwiesen auf ihre Pflicht, das Gerichtsgebäude zu schützen. Um die Demonstranten zu vertreiben, setzten die Bundesbeamten unter anderem Tränengas und nicht tödliche Munition ein, mit der sie eine Person schwer verletzten.
Zwischen die Fronten stellte sich eine organisierte Gruppe von Müttern, die "Wall of Moms". Sie agierten als menschlicher Schutzschild zwischen den Demonstranten und den Bundesbeamten. Sie kamen in gelber Kleidung, einige trugen Sonnenblumen und sangen: "Feds Stay Clear, Moms Are Here". Unterstützung erhalten die Protestierenden auch von Veteranen ("Wall of Vets"), die sagen, sie hätten sich zusammengeschlossen, "um die Redefreiheit der Demonstranten zu schützen."
Ein Bezirksrichter hatte zuvor aus formalen Gründen einen Antrag des Bundesstaates Oregon abgelehnt, der die Festnahme von Protestierenden durch Bundesbeamte verhindern sollte. Der Bundesstaat habe jedoch keine ausreichende Berechtigung, um im Namen der Demonstranten zu klagen, teilte Richter Michael Mosman am Freitag zur Begründung mit.
Auch in anderen Teilen der USA kam es zu Krawallen: In Aurora im US-Bundesstaat Colorado fuhr ein Auto durch eine Menschenmenge, die auf einer Autobahn demonstrierte. Die Aurora-Polizei sagte, dass laut Augenzeugen ein Protestierender auf das Auto eine Waffe abgefeuert habe und einen anderen Protestierenden getroffen habe. Auch dort wurde in einem Gericht ein Feuer gelegt.
In Oakland im Bundesstaat Kalifornien wurde ein Gerichtsgebäude in Brand gesteckt. Eine kleine Gruppe von Demonstranten habe Fenster eingeschlagen und Feuerwerkskörper abgeschossen, sagte die Polizei. Der Großteil der Protestierenden demonstrierte friedlich.
In der Stadt Austin, im US-Bundesstaat Texas wurde bei Protesten der "Black Lives Matter"-Bewegung eine Person getötet. Mitten in einer demonstrierenden Menge waren mehrere Schüsse abgegeben worden. Dabei sei eine Person tödlich verletzt worden, wie die Polizei von Austin und der medizinische Notfalldienst auf Twitter mitteilten.
Wer Gewalt sät
In Louisville demonstrierten rund drei Hundert schwer bewaffnete Mitglieder der "Not Fucking Around Coalition" (NFAC), um Gerechtigkeit für die 26-jährige Studentin Breonna Taylor zu fordern. Taylor war im März in ihrer Wohnung von der Polizei erschossen worden. Laut einer von ihrer Familie eingereichten Klage war Taylors Ermordung das Ergebnis einer fälschlicherweise ausgeführten Drogen-Razzia. Es wurden keine Drogen gefunden. Der fragliche Haftbefehl richtete sich gegen eine andere Person, die meilenweit entfernt wohnte und bereits festgenommen worden war, als die Polizei Taylors Wohnung betrat. NFAC fordern, dass die Polizisten zur Verantwortung gezogen werden.
Neben der martialisch anmutenden NFAC, stellten sich ebenfalls schwer bewaffnete Mitglieder der rechtsextremen "Three Percenters" in Louisville auf. Three Percenters glauben laut der "Anti Defamation League", "dass die US-Regierung mit einer schattenhaften globalistischen und sozialistischen Verschwörung (oft als 'Neue Weltordnung' bezeichnet) zusammenarbeitet, um die Amerikaner ihrer Rechte und Freiheiten zu berauben, etwa dem Recht, Waffen zu tragen, sodass die Amerikaner zu Sklaven der "Neuen Weltordnung" und ihrer Agenda gemacht werden können." Die BLM-Proteste werden als von Militanten und Linken organisiertes Vorhaben angesehen, um die Trump-Regierung zu stürzen. Die weiße Miliz, die Trump unterstützt, sagte, sie sei als Reaktion auf die NFAC und zur Unterstützung der Polizei in Louisville erschienen.
Weniger als vier Monate vor Wahl sollte Trumps kognitiver Zustand weniger von Interesse sein, als der Zustand seines Landes. Doch die derzeitigen Proteste und Unruhen erzeugen nicht zuletzt Bilder, die Trump für seine Wiederwahl nützen: Wenn demokratisch regierte, von Minderheiten bevölkerte Metropolen als Horte der Anarchie dargestellt werden, kann Trump die unter Konservativen beliebte "Law and Order"-Karte spielen (vgl. Ausweitung der Kampfzone). Sie sind Gegner einer Zentralregierung, befürworten aber doch einen "starken" Staat, der mit aller Gewalt durchgreift (vgl. Ausgerechnet Trump schafft den Alptraum der amerikanischen Konservativen).
Die Trump-Kampagne produzierte diese Woche schnell ein Wahlkampfvideo, das die entsprechende Message liefert: "Joe Bidens Befürworter kämpfen für die Abschaffung der Polizei. Die Gewaltverbrechen explodieren. Bidens Amerika wird Sie nicht beschützen." Doch die Gewalt sät nicht Biden.