Risiken in Deutschland

Ein Gespräch zum Hintergrund des japanischen Atomunfalls mit dem Atomexperten Thomas Riedl von Greenpeace Deutschland

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Warum hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel so schnell mit dem Aussetzen der Laufzeiten von sieben AKWs in Deutschland reagiert?

Thomas Riedl: Das sieht nach unserer Einschätzung schwer nach einer Wahlkampftaktik aus. Es sieht so aus, als hätte Frau Merkel Angst, die Wahlen in Baden-Württemberg zu verlieren. Jetzt muss sie schnell reagieren und hat dann Hals über Kopf dieses Moratorium ausgerufen. Was die Menschen ja eigentlich brauchen würden, sind klare Aussagen der Kanzlerin, die einen klaren und schnellen Atomausstieg fordern, um die gefährlichsten und ältesten Meiler in Deutschland abzuschalten.

Herrscht die Befürchtung eines Supergaus auch in Deutschland? Welche Risiken haben wir denn zu erwarten? Ein Tsunami ist in Europa ja kein so großes Risiko.

Thomas Riedl: Die deutschen Atomkraftwerke, vor allem die ältesten darunter, sind nicht ausreichend gegen den Absturz eines Flugzeuges geschützt. Als die Reaktoren gebaut wurden, war Terror auch noch kein Thema. Seit 2001 hat sich das eben dramatisch verändert und auch die Diskussion darüber. Hier besteht die große Gefahr: Sollte ein Terrorist ein Flugzeug gezielt auf einen dieser Meiler ein Flugzeug lenken, hätten wir einen vergleichbaren Atomnotfall auch hier in Deutschland.

Im japanischen Kernkraftwerk Fukushima hat es am Dienstagmorgen die dritte Explosion gegeben. Steht jetzt der Supergau in Japan bevor?

Thomas Riedl: Die Lage in Japan ist sehr unübersichtlich, auch die Nachrichtenlage, die hier ankommt. Natürlich sind die Meldungen, die uns erreichen, sehr erschreckend und düster. Wir hoffen, dass die japanische Bevölkerung mit einem blauen Auge davon kommt, dass es also glimpflich ausgeht. Aber man muss diesen Arbeitern, die jetzt noch am Reaktor arbeiten, um ihn zu kontrollieren und zu versuchen, weitere Explosionen zu verhindern, dwirklich großen Respekt zollen. Sie gehen ein großes Risiko ein, um andere Menschen eventuell vor Schaden zu bewahren.

Wie hoch ist die Verstrahlung in Japan? Aus der Nachrichtenlage wird deutlich, dass die Verstrahlung bereits Tokio erreicht hat, und dass die Strahlenintensität zehnmal höher als normal ist. Was heißt das?

Thomas Riedl: Wir haben sehr unterschiedliche Meldungen, wie hoch die Radioaktivität ist, die austritt. Darum ist das momentan sehr schwer zu beurteilen. Dienstagmorgen wurde von der Internationalen Atomenergiebehörde gemeldet, dass 400 Millisievert bei Reaktorblock 4 gemessen wurden. Das ist schon eine sehr hohe Strahlung. Zum Vergleich: Die deutsche Feuerwehr würde auch für die Rettung von Menschenleben nur in einen verstrahlten Bereich von 250 Millisievert gehen, also 150 Millisievert darunter.

Wie wirkt sich die Verstrahlung jetzt auf die Bevölkerung aus? Es gibt ja schon bei geringer radioaktiver Strahlung Gesundheitsrisiken wie die Reduzierung roter Blutkörperchen oder Müdigkeit. Und wie wirkt sich die Strahlung auf den Handel und die Lebensmittel am Weltmarkt aus?

Thomas Riedl: Zunächst sind die Menschen am schlimmsten betroffen, wenn sie Radioaktivität abbekommen oder einatmen. Dann kommt es natürlich auf die Menge an, die Menschen abbekommen. Wenn die Dosis sehr hoch ist, kann es sofort eine vitale, also eine tödliche Dosis sein. Dies ist der Fall bei 7.000 Millisievert. Das ist eine hundertprozentig tödliche Dosis. Dann gibt es eben Abstufungen. Und wenn Menschen weniger abbekommen, dann kann man davon Krebs bekommen. Hier ist sehr große Vorsicht geboten.

Glauben Sie, dass es jetzt ein Moratorium für japanische Lebensmittel geben wird?

Thomas Riedl: Im Moment ist alles, was in deutschen Regalen liegt, nicht davon betroffen. Und für das, was weiterhin aus Japan kommt, dafür müssen Lebensmittelkontrollen eingeführt werden, wenn es zur Freisetzung von intensiver radioaktiver Strahlung kommt.

Kann die bereits ausgetretene radioaktive Wolke vom Kernkraftwerk Fukushima jetzt auch nach Europa kommen? Hängt dies vom Wind ab?

Thomas Riedl: Zu allererst sind die Menschen in Japan am allerschlimmsten betroffen. Wenn Radioaktivität immer mehr austreten sollte, dann könnten wir auch in Deutschland betroffen sein. Aber das ist momentan aufgrund der großen Distanz kaum zu vermuten.