Römisch-katholische Selbstwaschanlage
- Römisch-katholische Selbstwaschanlage
- Der richtige Mann
- Auf einer Seite lesen
Die Religion des Klerikalismus kennt keine Schamgrenzen: Auch im Franziskus-Pontifikat hält der Vatikan offenbar am Plan fest, Pius XII. selig zu waschen
Die frühen Christen werden in der biblischen Apostelgeschichte als "Leute des Weges" vorgestellt. Unter Berufung auf Jesus von Nazareth kann Kirche lediglich ein Mittel sein, "um den Armen eine gute Nachricht der Befreiung zu bringen und zerbrochene Herzen zu heilen". Die durch das letzte Konzil in Rom nur halbherzig überwundene Häresie des Klerikalismus hat hingegen aus der Kirche stets einen Selbstzweck und Fetisch gemacht, ein Anbetungsobjekt.
In diesem Programm "Kirche als Religion" sind Priesteranbetung und Priesterselbstanbetung weit verbreitet. Der Papstkult des 19. Jahrhunderts schreckte beispielsweise nicht davor zurück, den Bischof von Rom als "Dritte Inkarnation Gottes" zu feiern.
Unter solchen Vorzeichen wurde aus den "Leuten des Weges" das unfreie Fußvolk einer hierarchischen Kirchenpyramide, die bis heute nur aus Männern besteht. Der ausgewachsene Kirchenfürst handelte stets nach der Devise: "Ich bin der Herr, mein Gott". Allen Mitgliedern des auserwählten Priesterstandes bescheinigte der Katechismus eine sakramentale Wesensverwandlung, die nie mehr erlöschen kann.
Verdrängung von Versagen
Diese Ideologie ließ sich freilich nur aufrechterhalten durch eine systematische Verdrängung von Versagen. Dass Priester in nicht wenigen Fällen das genaue Gegenteil des christlichen Auftrags praktizierten, indem sie die Herzen von Kindern und anderen Schutzbefohlenen zerbrachen, durfte nicht zur Sprache kommen.
Ganz analog zur systematischen Verschweigung und Vertuschung von sexueller Gewalt vollzieht sich der Umgang mit historischem Versagen in Krisenzeiten. Die Religion des Klerikalismus hat die Kirche mehr als einmal in der Geschichte zur passiven Zuschauerin oder Kollaborateurin werden lassen, wo ihr Auftrag Widerstand erfordert hätte.
In zwei Weltkriegen haben die deutschen Oberhirten der massenmörderischen Militärapparatur ihre Assistenz nicht versagt. Während Ordensleute im Hitlerfaschismus die Hierarchen zu einem entschiedenen Einsatz für die Menschenrechte bewegen wollten, vertaten die Bischöfe einen beachtlichen Teil ihrer Zusammenkünfte mit infantilem Gezänk und verletzten Eitelkeiten.
Durch eine hauseigene Kirchengeschichtsschreibung des klerikalen Selbstlobkollektivs war lange Sorge dafür getragen, die Abgründe der Geschichte zuzuschütten oder gar in Triumphe der Hierarchie umzumünzen. Die mannigfachen Künste der Apologeten sind noch immer zu bestaunen.
Apologetik
Ein Beispiel: Schon in den Jahren 1933-1945 klagten besorgte Katholiken, die Bischöfe würden zu Verbrechen des NS-Regimes schweigen und sich stattdessen auf einen sakramentalen Bereich der sogenannten "Seelen-Sorge" zurückziehen. Die apologetische Schule kann so etwas nicht anfechten.
Sie erklärt kurzerhand, die "Seelsorge" sei schließlich der ureigene Auftrag der Bischöfe gewesen, und begibt sich im Rahmen dieses neuen Paradigmas sogleich ans Werk, die reichhaltigen "Seelsorge"-Verdienste der deutschen Bischöfe in der NS-Zeit zu erforschen. In diesem Jahr habe ich auf einer kirchlichen Tagung das sehr spezielle Statement eines Professors zum deutschnationalen Militaristen und nachmaligen Kardinal Lorenz Jaeger gehört.
Der Mann würdigte alle unappetitlichen Befunde der Jaeger-Forschung mit Stillschweigen, beschränkte sich stattdessen auf zwei vergleichsweise ganz unwichtige Nebenschauplätze und bot zu diesen eine "alternative Deutung" an.
Somit glaubte er erwiesen zu haben, dass die Kritiker des 1941 inthronisierten Paderborner Erzbischofs keine objektive Forschung leisten und nur polemisieren. Dieser Apologet gehört übrigens zufällig, wie ich nach der Tagung erfuhr, als Laie auch dem "Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem" an, dessen deutscher Großprior Kardinal Jaeger 1950-1975 gewesen ist. Das tut natürlich nichts zur Sache …
Ein extrem beschämendes Beispiel für die Paradigmen-Strategien der klerikalen Kirchengeschichtsschreibung bezieht sich auf Pius XII, der sich als Papst ab 1939 zu keiner wenigstens innerkirchlich wirksamen Verurteilung des deutschen Überfalls auf Polen durchringen konnte und danach durch "heroisches Schweigen" zur Ermordung der europäischen Juden hervorgetreten ist.
Erfolgloser telepathischer Fern-Exorzismus
Während die Nationalsozialisten in Deutschland einfache Katholiken und Leutepriester ermordeten, die weithin ohne Rückhalt ihrer Oberhirten Widerstand gegen das NS-System leisteten, hätte Pius XII. kurzerhand Adolf Hitler exkommunizieren können. Er hielt es aber offenbar für richtiger, stattdessen in Rom nur einen telepathischen Fern-Exorzismus auszuprobieren, um den Führer des Deutschen Reiches von bösen Geistern zu befreien. Dieser magische Anlauf blieb leider erfolglos.
Bedeutsame Fragen zur Causa Pius XII. habe ich schon vor acht Jahren in einem Telepolis-Beitrag (Pius XII. - Ein Fall für die Propaganda perfidei) referiert. Der erwiesenermaßen deutschfreundliche Papst war über die Shoa gut unterrichtet, verzichtete aber in all seinen Voten zum aktuellen Weltgeschehen darauf, das Wort "Jude" auch nur ein einziges Mal auszusprechen.
In seiner Weihnachtsansprache 1942 predigte er jedoch den Kardinälen von Jerusalems "Weg der Schuld bis zum Gottesmord", und in seiner Enzyklika "Mystici corporis" vom 29. Juni 1943 erfuhr das Christenvolk, das jüdische Gesetz sei todbringend [sic!] geworden und Israels einstiges Gnadenvlies müsse nunmehr trocken bleiben.
Über den Vorgängerpapst hat der Historiker David I. Kertzer 2014 eine neue Studie vorgelegt, die seit 2016 auch in einer deutschsprachigen Ausgabe vorliegt: "Der erste Stellvertreter - Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus." Es ist erschütternd zu lesen, wie Pius XI. (Achille Ambrogio Damiano Ratti) die Geister, die er durch seine Kooperation mit dem italienischen Faschismus gerufen hatte, am Ende seines Lebens nicht mehr loswerden konnte.