Rojava: Ausrufung einer kurdisch-syrischen "Demokratischen Föderation"

Seite 2: Mögliche Folgen der Entwicklung

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Assad hätte bei einem föderalen Syrien eigentlich nichts zu befürchten. Aber der Machtapparat an der Spitze des Staates sieht das wohl anders. Es wäre durchaus möglich, ein demokratisches, föderales Syrien aufzubauen mit mehreren Bundesländern, die Autonomie für ihre ethnischen und religiösen Besonderheiten haben und ihre Region selbst verwalten. Wie auch bei uns in der Bundesrepublik. Die Frage ist, ob sich Assad - der im März 2011 von der damaligen US-Außenministerin Clinton noch als Reformer gelobt wurde - in der Frage gegen die alten Eliten und Strukturen durchsetzen kann und ob er dazu willens wäre.

Die irakischen Kurden

Im Irak haben die KDP und die Barzani-Führungsriege große Legitimationsprobleme innerhalb der Bevölkerung. Die Repressalien der Geheimdienste, die fehlenden Öl-Dollars, die ausbleibenden Löhne - das stimmt die kurdische Bevölkerung misstrauisch bis pessimistisch. Es werden immer mehr Stimmen laut, dass das feudale Stammessystem des Barzani-Clans abgeschafft gehört und demokratische Strukturen entwickelt werden müssen.

Dabei orientieren sich die Menschen auch am Modell Rojava. Dies könnte dazu führen, dass Barzani, um seine Macht zu halten, mit der Türkei weitere Deals und Zugeständnisse macht. Schon jetzt lassen er wie auch die irakische Regierung es zu, dass die Türkei permanent irakisches Territorium verletzt, um im Kandil-Gebirge PKK-Stellungen mit ihren Kampffliegern zu bombardieren. In der Regel werden kurdische Dörfer oder Nomaden getroffen. Die verhängte Grenzschließung zu Rojava könnte ein Indiz sein für eine neue Blockade für Waren und Hilfsgüter.

Die Türkei und die PKK

Die Türkei, insbesondere Erdogan, ist unberechenbar. Erdogans Kurdenphobie und sein sich ausweitender Führerkult lassen keine Voraussagen zu. Die stark kontrollierten Medien in der Türkei können die Bevölkerung nicht mehr darüber informieren, was wirklich passiert. Viele Menschen ziehen sich aus Angst, ins Visier der Geheimdienste oder anderer Organisationen zu geraten, zurück und halten sich bedeckt.

Die Politik der PKK ist im Moment noch nicht klar. Sie versucht, der kurdischen Bevölkerung in der Türkei beizustehen. Sollte die Situation aber eskalieren, könnte dies sich auch negativ auf Rojava auswirken, weil Erdogan die Partei PYD und die SDF (Syrian Democratic Forces) gleichsetzt mit der PKK. Diese Sichtweise wird gerne von den westlichen Medien übernommen. Dabei muss man kein PKK-Sympathisant sein, um die Einschränkung der Pressefreiheit, die "Gleichschaltung der Medien" und die Verfolgung kritischer Intellektueller zu kritisieren.

USA und Russland

Die USA und Russland verfolgen ausschließlich ihre geopolitischen Ziele, wobei sie sich des einen oder anderen Bündnispartners in der Region bedienen. Russland wird Assad nicht alleine lassen. Wenn von Assad kein Einlenken in Richtung föderales Syrien kommt, wird Russland das zentralistische, autoritäre System auf Kosten Rojavas unterstützen - auch wenn diese jetzt ein Büro in Moskau haben.

Die USA agieren nicht anders. Im Moment ist die SDF im Kampf gegen den IS nützlich, aber zu viel Autonomie ist auch nicht erwünscht. Auch die USA werden sich gegen Rojava wenden, wenn die Aktivitäten dort nicht in ihr geopolitisches Bündniskonzept passen. Die Türkei und Saudi-Arabien sind als wichtige Partner der USA mächtige Gegenspieler und vor allem gute wirtschaftliche Absatzmärkte. Mit der politischen Führung der beiden Länder will man es sich nicht verscherzen.