Roland Kochs Störfeuer

Der geschäftsführende Ministerpräsident Hessens hat im Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren von SPD/Grünen/Linke einen Formfehler gefunden, wodurch er aber nur seine eigene Demontage betreibt

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Die SPD in Hessen ist noch ganz stolz. "Wort gehalten!", hieß es gestern Nacht noch auf der Homepage der Fraktion: "Studiengebühren abgeschafft". Dabei hat sie mit dem seit der Wahl nur noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch nicht gerechnet. Der hat gestern nämlich das rot-rot-grüne Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren nicht unterschrieben. Grund: ein Formfehler.

Hessen ist nach der letzten Wahl ein demokratischer Sonderfall. Die CDU-Regierung ist nur noch geschäftsführend im Amt, nachdem sie keine Mehrheit hat und so keine Regierung bilden kann. SPD, Grüne und die Linke haben die Mehrheit. Bislang zeichnen sich noch keine mehrheitsfähigen Koalitionen ab, es sei denn eine Jamaika-Koalition, wenn die Grünen den Verführungen der Schwarzen nachgeben.

So lange keine Regierung zustande kommt oder Neuwahlen eingeleitet werden, ist die alte Regierung weiter geschäftsführend im Amt. Gemeinsame rot-rot-grüne Gesetzesinitiativen könnten also gegen die Regierung durchgesetzt werden, die von dieser dann auch noch umgesetzt werden müssen. So hatte man sich das auch mit dem Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren gedacht, das erst am Dienstag mit der Mehrheit im Parlament beschlossen wurde. Gleichzeitig glaubte man, damit Koch und den Seinen eine erste Schlappe zugefügt zu haben – und vielleicht auch, dass man so durchaus länger aus der Opposition weiter regieren und die geschäftsführende Regierung dekonstruieren könne.

Kein Wunder, dass man im CDU-Lager so schnell nicht beigeben wollte. Und man entdeckte denn auch eine Möglichkeit, warum der geschäftsführende Ministerpräsident die Unterschrift unter das vom Parlament beschlossene Gesetz verweigern konnte: einen Formfehler. Es fehle, so Koch, ein entscheidender Satz. Daher sei das Gesetz, so Regierungssprecher Dirk Metz, "verfassungswidrig". "Notwendige Änderungen" seien nicht übernommen worden. Jetzt muss das Gesetz nach einer dritten Lesung, die von der Regierung am Dienstag abgelehnt wurde, noch einmal mit absoluter Mehrheit beschlossen werden. Eine entsprechende Sondersitzung wurde für den 17. Juni angesetzt.

Die Grünen werfen Koch vor, dass seine Aktion eine Farce sei. Er habe zugegeben, vor der zweiten Lesung von dem Fehler gewusst, ihn aber verschwiegen und daher auch keine dritte Lesung beantragt zu haben. Auch die Linken sprechen von "Taschenspielertricks". SPD-Chefin meinte, sie habe sich schon gedacht, dass die Regierung "noch ein Kaninchen aus dem Hut zaubert". Die CDU wirft der SPD und den Grünen handwerkliche Mängel und Unvermögen vor. Man habe auf die Mängel hingewiesen und Vorschläge gemacht, wie die gewünschten Ziele verfassungskonform umgesetzt werden könnten. Roland Koch hob in seiner Erklärung heraus, dass man sich als "Berater" der Fraktionen, aber nicht als "Gouvernante" verstehe, weswegen man nicht einfach Fehler korrigieren könne.

Wenn das rot-rot-grüne Bündnis nicht zerbricht, was im Hinblick auf die Abschaffung der Studiengebühren nicht zu erwarten ist, dann dürfte Koch mit seinem Störversuch scheitern. Es dürfte keine Schwierigkeit bereiten, die Mängel zu beseitigen und das Gesetz zu verabschieden. Damit hätte sich Koch aber erst recht als machtlos präsentiert, die Scharade erscheint trotz Süßholzraspelns allzu durchsichtig, die Grünen rücken von einer Jamaika-Koalition noch weiter ab. Mit solchen kleinlichen und durchsichtigen Spielchen demontiert sich Koch und wird die Opposition, die die Mehrheit besitzt, bei allem gegenseitigen Missvergnügen gestärkt werden.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die alten Volksparteien keine mehr sind und die Mitte keine Einheit mehr darstellt. Nach dem Deutschlandtrend verlieren CDU und SPD und kämen gemeinsam nur noch auch 58 Prozent. Seltsamerweise bleibt Angela Merkel trotzdem strahlende Siegerin. Die Stimmung in Deutschland ist jedenfalls mies.