Rolle rückwärts durch Corona-Krise

Symbolbild: Engin Akyurt auf Pixabay (Public Domain)

Erschöpfung, Dauerstress und Rollback: Besonders Frauen sind zunehmend von Pandemie und Maßnahmen gestresst

In der Corona-Pandemie sind die Deutschen zunehmend unzufrieden mit der Bundesregierung. Nicht mal ein Drittel würden ihr für ihr Krisenmanagement ein gutes Zeugnis ausstellen. Das geht aus der aktuellen "Erwerbstätigenbefragung" des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Peter Nowak ging auf Telepolis bereits ausführlich auf die Ergebnisse der Studie ein.

Mütter sind in besonderer Weise in der Pandemie belastet, schrieb das WSI und eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), bestätigt nun den Befund. Vor allem die Mütter mit Kindern bis zwölf Jahren, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Papier. Für sie stieg die für Beruf, Pendeln, Kinderbetreuung und Haushalt aufgewandte Zeit im Frühjahr 2020 um acht Stunden pro Woche. Bei Vätern dagegen nur um drei Stunden.

Bei vielen geht das einher mit einer schwindenden Lebenszufriedenheit. In der "Omikron-Welle" sind Familien ohnehin noch einmal mehr gefordert als zuvor. Das Leben ist für sie wieder ein Stück weniger planbar geworden; jederzeit kann ein Kind wieder unter Quarantäne gestellt werden, weil ein anderes Kind in Kita oder Schule positiv getestet wurde. Für die Eltern bedeutet das, nicht arbeiten gehen zu können oder die Doppelbelastung von Homeoffice und Kinderbetreuung auf sich zu nehmen.

Die Pandemie hänge permanent wie "ein Damoklesschwert" über vielen Familien, sagte kürzlich Nils Backhaus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er ist Psychologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Dauerstress, verbunden mit permanenten Sorgen und einem Gefühl der Überforderung, das sich bei einem beträchtlichen Anteil der Väter und vor allem Mütter zunehmend auch physisch und psychisch zeige: nicht mehr abschalten können, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen. Kaum einer sei angesichts derartiger Rahmenbedingungen in der Lage, 100 Prozent Leistung bei der Arbeit zu bringen.

Eine aktuelle Umfrage von RTL/ntv hatte Anfang Februar gezeigt, dass bei vielen Deutschen das psychische Wohlbefinden in der Pandemie gelitten hat, besonders bei Frauen. Sie gaben demnach deutlich häufiger als Männer an, psychisch "sehr stark" unter der Pandemie zu leiden. Viele zeigten sich demnach im Alltag gereizter als früher, fühlten sich "niedergeschlagen" oder sogar "pessimistisch". Nur wenige zeigten sich "optimistisch".

Kulturwandel in der Arbeitswelt könnte für viele zu spät kommen

Für Mütter könnte es weniger belastend sein, wenn die Väter öfter zuhause blieben. Doch das ist für sich gar nicht so einfach. Backhaus meint, Männer gerieten heute immer noch oft in einen Rechtfertigungszwang, wenn sie ihre Arbeitszeit verringern wollten. Bei Frauen sei es dagegen wesentlich stärker akzeptiert. Der Kulturwandel in der Arbeitswelt lässt noch auf sich warten.

Bis er kommt, könnte es für viele schon zu spät sein. "Durch das wenige Weiterfunktionieren, was bleibt einem als Eltern auch anderes übrig, entsteht eine Erholungsschuld", so Backhaus. Und die führe zu diffusen Störungen, langfristig könne daraus auch eine Depression entstehen.

Dass ein Kulturwandel durch die Pandemie stattfindet, hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schon im letzten Jahr konstatiert – aber der ging eher in eine andere Richtung. Die Forscher stellten nicht nur fest, dass Frauen öfter zuhause blieben und sich um den Nachwuchs kümmerten. Sondern gleichzeitig vertraten Männer wieder öfter die Meinung, dass es für ein Kind schädlich sein könnte, wenn die Mutter einer Lohnarbeit nachgehe. Durch die Erfahrungen in der Omikron-Welle könnte dieses Narrativ weiter Nahrung bekommen.

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