Rotes Meer: Der Westen hat’s vergeigt

Zwei Kriegsschiffe dicht nebeneinander auf hoher see

Ein Oiler der Kaiser Klasse, betankt einen Zerstörer der US-Navy. Foto: Will Hardy, US-Navy

Zehn Monate vergeblicher Bemühungen, die Schiffspassage durchs Rote Meer zu sichern, sind von Fehlschlägen begleitet. Und auch der Ukrainekrieg spielt eine Rolle.

Offensichtlich ist der - verschiedenen US-Generälen nachgesagte - Ausspruch "Amateure sprechen von Strategie, Profis von Logistik" in Washington in Vergessenheit geraten. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Havarie des Ölbunkerschiffes USNS Big Horn die Schiffe der US-Marine im Roten Meer nun zur Suche nach Treibstoff veranlasst.

Auch Deutschland glänzte hier bereits mit Fehlleistungen. Vor einigen Tagen ist nun das US-Kriegsschiff Big Horn auf Grund gelaufen, sodass die gesamte Abraham Lincoln Flugzeugträgergruppe derzeit ohne ihre wichtigste Treibstoffquelle auskommen muss.

Wie zuerst im gCaptain-Forum berichtet wurde, zeigen durchgesickerte Aufnahmen und ein Video Schäden am Ruderpfosten des Schiffes und Wasser, das in einen Maschinenraum eindringt. Die Big Horn ist aktuell der einzige Öltanker, der der US-Marine im Nahen Osten zur Verfügung steht.

US-"Oiler" havariert

Die US-Marine bestätigte inzwischen, dass das Versorgungsschiff - im Jargon schlichtweg oiler genannt - jetzt in der Nähe von Oman vor Anker liegt und auf eine vollständige Schadensbewertung wartet. Es gab offensichtlich keine Personen- oder Umweltschäden.

Dass es nicht zu einer Ölpest gekommen ist, war reines Glück, denn das 33 Jahre alte Schiff gehört zu den Ölbunkerschiffen der Kaiser-Klasse. Diese verfügen nur über eine einwandige Hülle. Doppelhüllen sind in den USA seit 1990 Pflicht. Die Ölschiffe der Kaiser-Klasse wurden aber schon in den 1980er Jahren eingeführt und bilden seit Langem das Rückgrat der Nachschubkapazitäten der Marine.

Umbau eines kommerziellen Tankers schwierig

Sollte die US-Marine auf einen kommerziellen Öltanker als vorübergehenden Ersatz zurückgreifen wollen, müsste sie auf dem Schiff spezielle Betankungsvorrichtungen wie gespannte Betankungsschläuche und Hochleistungspumpen installieren. Eine Umrüstung müsste außerdem spezielle Kommunikations- und Kontrollsysteme einschließen, um die Betankungsmanöver zu ermöglichen.

Kommerzielle Tanker fahren überdies wesentlich langsamer als Navy-Ölschiffe, was die vor Ort befindliche USS Abraham Lincoln während der Beladung mit Flugzeugtreibstoff anfälliger für Angriffe machen könnte.

Tankerkrise der US-Marine

Die Havarie der Big Horn gilt Fachleuten als deutlicher Hinweis auf die allgemeine Tankerkrise, mit der die US-Marine konfrontiert ist. Das Verteidigungsministerium benötigt im Falle eines ernsthaften Konflikts im Pazifik angeblich mehr als hundert Tankschiffe verschiedener Größen.

Aktuellen Schätzungen zufolge verfügt das Verteidigungsministerium jedoch über weniger als zehn Oiler, was die militärischen Operationen der USA zu lähmen droht. Ohne ausreichende Tankerkapazitäten werden auch die modernsten Schiffe unwirksam. Denn selbst nuklear angetriebene Flugzeugträger brauchen Kerosin für ihre Kampfjets.

Das Nachschubproblem hat sich mit der Schließung eines großen Treibstoffdepots der Marine auf Hawaii zusätzlich verschärft. Dort war aufgrund mangelhafter Wartung Treibstoff in die örtliche Wasserversorgung ausgetreten und hatte Tausende von Menschen vergiftet, darunter auch Kinder.

Huthis demnächst mit schiffsbrechenden Waffen?

Seit November 2023 führen die Huthis Drohnen- und Raketenangriffe unter anderem auf Schiffe im Roten Meer durch, um die Palästinenser im Gaza-Krieg gegen Israel zu unterstützen. Die jemenitischen Rebellen haben mindestens zwei Schiffe versenkt und ein weiteres beschlagnahmt und so den weltweiten Seehandel empfindlich gestört.

Reedereien wurden gezwungen, Ladungen umzuleiten, und die Versicherungskosten für Schiffe, die das Rote Meer befahren, schossen in die Höhe. Als Reaktion darauf haben die Vereinigten Staaten und Großbritannien Stellungen der Huthi im Jemen angegriffen, konnten sie jedoch nicht von weiteren Angriffen abhalten.

Nach eigenen Angaben haben die Huthis auch schon versucht, US-Kriegsschiffe anzugreifen – allerdings bisher erfolglos. Das könnte sich nun ändern, denn der Iran hat nach Angaben von Reuters Geheimgespräche zwischen Russland und den Huthi-Rebellen über die Lieferung von Anti-Schiffs-Raketen an die militante Gruppe vermittelt.

Macht Moskau ernst?

Diese Entwicklung belegt auch die vertieften Beziehungen zwischen Teheran und Moskau. Laut Reuters hat Russland allerdings bisher nicht entschieden, ob es die zur Disposition stehenden Yakhont-Raketen ‒ auch bekannt als P-800 Oniks ‒ weitergeben wird.

Im Juni hatte Moskau gedroht, schwere Waffen an Dritte zu liefern, die damit sensible Einrichtungen solcher Staaten angreifen könnten, die erwägen, der Ukraine weitreichende Raketenangriffe auf russisches Gebiet zu ermöglichen. Diese Reaktionen könnten auch asymmetrisch ausfallen, mahnte der russische Präsident Wladimir Putin damals.

Die Huthis könnten ein derartiger, asymmetrisch agierender Akteur sein, dem es dann plötzlich möglich würde, Schiffe im Roten Meer präziser und vernichtender anzugreifen und die Bedrohung für die US-amerikanischen und europäischen Kriegsschiffe beachtlich zu erhöhen.

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