Ruf nach einem Globalfonds für soziale Sicherheit

Grafik: TP

Oxfam nimmt die Coronakrise zum Anlass, eine stärkere Internationalisierung der Sozialsysteme zu fordern

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Bislang haben die Staatsführungen auf der ganzen Welt als Reaktion auf die Sars-CoV-2-Pandemie umgerechnet 11,7 Billionen US-Dollar an Steuergeld und Staatsschulden aufgewendet. Davon flossen 9,8 Billionen Dollar in den G-20-Ländern, die damit Unternehmen, aber auch Bürger absicherten. An die Staatsführungen, Unternehmen und Bürger anderer Länder flossen in der Corona-Pandemie 5,8 Milliarden US-Dollar, wenn man die Transfers aus Nord- und Mitteleuropa nach Südeuropa herausrechnet (vgl. Und dann waren es schon 2,4 Billionen Euro...).

Prioritäten

Der Hilfsorganisation Oxfam ist das zu wenig. Sie verweist in ihrer heute erschienenen Untersuchung der staatlichen Sozialsysteme in 126 "Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen" darauf, dass die 495 Millionen Arbeitsplätze, die Stand Juli 2020 durch die Pandemie verloren gingen, nicht nur in den G20-Ländern angesiedelt waren, sondern auch in Entwicklungsländern, wo die Bürger regelmäßig deutlich weniger gut für solche Fälle abgesichert sind. Und dort, wo es in Entwicklungsländern soziale Sicherungssysteme gibt, profitiert oft nur der Teil der Bevölkerung von ihnen, der nicht auf ein Auskommen in der informellen Ökonomie angewiesen ist.

Das hängt auch damit zusammen, dass die Sars-CoV-2-Pandemie nicht in allen Ländern ganz oben auf der Prioritätenliste steht. In Äthiopien etwa war sie dem Präsidenten zwar Anlass genug, zwei Mal Wahlen zu verschieben, hinderte ihn aber nicht daran, mit der Armee in eine abtrünnige Provinz einzumarschieren (vgl. Äthiopien: Eher Berlin oder eher Bagdad?. Und in Pakistan fanden im Herbst große islamistische Superspreader-Demonstrationen gegen Frankreich statt, gegen das der inzwischen an einem "Fieber" verstorbene Oppositionspolitiker Allama Khadim Hussain Rizvi die Atombombe einsetzen wollte.

Traditionelle Sozialabsicherung aus vorindustrieller Zeit

Oxfam schlägt nun die Einrichtung eines international finanzierten "Globalen Fonds für soziale Sicherheit" vor. Dieser Fonds soll "ärmere Staaten darin unterstützen, alle Menschen sozial abzusichern". Bislang bleibt ihnen das in vielen Ländern selbst überlassen, weshalb sie dort häufig auf ein traditionelles Mittel aus vorindustrieller Zeit setzen: Möglichst viele Kinder, die bei Unfällen und im Alter als Familieneinkommensbeschaffer einspringen sollen. Bei ansteckenden Krankheiten können sie das freilich nur dann, wenn sie nicht selbst arbeitsunfähig erkranken.

Nun trifft das Sars-CoV-2-Virus jüngere Menschen im Durchschnitt gesehen zwar deutlich weniger hart als ältere - aber die soziale Absicherung über eine möglichst zahlreiche Kinderschar hat auch einen anderen Nachteil: In vielen Ländern trägt sie zu Reproduktionsraten bei, die in keinem Verhältnis zur ökonomischen Entwicklung stehen (vgl. Kostenlose Verhütung für sechs Millionen arme Frauen). Der UNFPA-Weltbevölkerungsbericht erwartete deshalb 2018 vor allem für die Sahelzone eine düstere Zukunft mit weniger Bildung, mehr Arbeitslosigkeit und einer schlechteren Gesundheitsversorgung (vgl. Nur Afrika bekommt das Bevölkerungswachstum nicht unter Kontrolle).

Ganz gegenteilig verlief die Entwicklung in China, wo man seit den späten 1970er Jahren nicht nur mit Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen, sondern auch mit Anreizen für eine niedrigere Geburtenrate ein enormes Wirtschaftswachstum schaffte (vgl. Wie China den Hunger besiegte). Diese Stellschraube spart der Oxfam-Bericht allerdings aus. Ob das Kinder- und Mutterschaftsgeld, das er stattdessen propagiert, geeignet ist, der Armut längerfristig gesehen abzuhelfen, ist offen. Tatsächlich darüber entscheiden, was funktioniert, und was nicht, kann nämlich nur die Empirie – und nie die Theorie.

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