Und dann waren es schon 2,4 Billionen Euro...
- Und dann waren es schon 2,4 Billionen Euro...
- Mehr Kontrolle und eine real veränderte Weichenstellung in der EU
- Die Lage ist ernst
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… die aber den "perfekten Sturm" nicht verhindern können, der nach "Dr. Doom" die Weltwirtschaft "in ein Jahrzehnt der Verzweiflung" treiben werde
In der vergangenen Woche konnten wir einem Vorgang beiwohnen, der mehr als typisch für diese Europäische Union (EU) ist. Zunächst hatten sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen europäischen "Wiederaufbaufonds" mit einem Volumen von einer halben Billion Euro und der Einführung von "Quasi-Eurobonds" geeinigt, um die abstürzende Konjunktur im Rahmen der Coronavirus-Pandemie zu stützen.
Allerdings lehnen Nettozahler wie Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden bekanntlich eine Vergemeinschaftung von Schulden weiter ab. Die sogenannten "sparsamen Vier" (frugal four) wollen nur Kredite vergeben und eine klare "zeitliche Befristung" der Maßnahmen auf zwei Jahre haben, damit es "wirklich eine Corona-Soforthilfe ist und nicht zu einer Schuldenunion durch die Hintertür wird", sagte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz.
Von der Leyen rührt zwei Pläne zusammen
Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nicht einmal versucht, aus dem Vorschlag von Merkel und Macron und dem Gegenvorschlag der frugal four einen Kompromissvorschlag zu entwickeln. Sie hat vielmehr beide Pläne zusammengerührt.
"Europäischer Aufbauplan" nennt sie ihr "Aufbauinstrument mit einem Finanzvolumen von 750 Milliarden Euro". Dafür hat sie schlicht auf die von Macron und Merkel geplanten Zuschüsse im Umfang von einer halben Billion noch einmal 250 Milliarden aufgesattelt, die zusätzlich auch als Kredite fließen sollen, so als wäre sie den vier Kritikerländern damit entgegengekommen.
Doch zufrieden sind vor allem Italien und Spanien. Denn in beiden Ländern soll nun sogar noch mehr Geld fließen, als sie erwartet hatten. Mit 313 Milliarden ist das sogar fast die Hälfte der Gesamtsumme. Allein 173 Milliarden sollen ins stark gebeutelte Italien fließen und zudem noch gut 140 Milliarden nach Spanien. Das Land wurde heftig mitgenommen, doch wahrlich nicht ohne eigenes Verschulden.
Denn Madrid hatte aus den Vorgängen in Italien, die man aus der Nähe beobachten konnte, nichts gelernt. Die spanische Regierung reagierte spät und zunächst zu zaghaft. Italienische Fehler wurden wiederholt, und man setzte sogar noch einen großen drauf. Anders als Italien mit der Lombardei wurde der zentrale Infektionsherd Madrid nicht abgesperrt.
Deshalb konnte sich das Virus gut über das gesamte Land verbreiten und den Schaden enorm vergrößern. Das bestätigen inzwischen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Ein realer Lockdown wurde letztlich anhand explodierender Todeszahlen unvermeidlich, mit gravierenden Auswirkungen auch auf die Wirtschaft.
Ein Land wie Portugal dagegen, das frühzeitig und richtig reagiert hat, konnte eine Katastrophe wie in Italien oder Spanien mit seinen tödlichen Folgen für die Bevölkerung vermeiden - trotz eines vergleichsweise schwachen Gesundheitssystems. Es soll dagegen nur mit vergleichsweise mageren 26 Milliarden abgespeist werden.
Das wären sogar 2,5 Milliarden weniger als Deutschland. Dabei hätte das arme Land dringend Bedarf an Geld, um das Gesundheitssystem und den Umbau der Wirtschaft zu stärken. Portugal liegt mit seiner Politik ohnehin längst auf der Schiene, die die EU offiziell anstrebt.
Fragen im Fall Polen
Zudem drängen sich Fragen am Fall Polen auf. Denn das osteuropäische Land soll mit knapp 64 Milliarden, also der dritthöchsten Summe, beglückt werden. Hatte die EU-Kommission nicht gerade angekündigt, dass künftig Gelder aus dem EU-Haushalt nur noch an die Mitgliedsstaaten fließen sollen, die sich an Rechtsstaatlichkeit und gemeinsame Grundwerte halten, um die Rechtsstaatlichkeit zu stärken? Wollte die Kommission nicht dieses Prinzip auf den Haushaltsentwurf anwenden?
Vizepräsidentin Vera Jourova hatte erst am vergangenen Montag im Europaparlament erklärt, diese Koppelung sei "nötiger denn je". Da verwundern hohe Zuwendungen für Polen besonders, schließlich hatte Justizkommissar Didier Reynders gerade erst die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens angekündigt. Schon seit Jahren gibt es Streit wegen der Justizreform. Der aktuelle Anlass ist ein Gesetz zur Disziplinierung von Richtern.
...und im Fall Spanien
Ganz ähnliche Probleme ergeben sich auch mit Spanien. Allerdings schaut man in Brüssel geflissentlich über massive Menschenrechtsverletzung im viertgrößten Euroland hinweg, wo sogar Journalisten gefoltert werden. Vertragsverletzungsverfahren werden nicht einmal eingeleitet, wenn Politiker für viele Jahre in Gefängnissen weggesperrt werden - die keinen fairen Prozess hatten, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon festgestellt hat.
Das geschieht sogar auch dann nicht, obwohl Spanien sogar einen Europaparlamentarier im Knast hält, der nach höchstrichterlichem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Immunität genießt. Statt im Europaparlament sitzt er weiter im Gefängnis. Es kann nicht sein, dass Spanien sogar großzügige Zuschüsse von der EU fordert, aber die Institutionen und sogar EuGH-Urteile ignoriert.
Der "Wiederaufbauplan": Billionenplan voller Euphemismen
Doch zurück zum "Wiederaufbauplan". Ob der nun von der Kommissionspräsidentin zusammengerührte Vorschlag bei den "sparsamen Vier" als Zugeständnis oder Entgegenkommen gewertet wird, darf bezweifelt werden. Ihre Anliegen wurden jedenfalls nicht berücksichtigt. Für sie kommt es sogar noch dicker, da der "Wiederaufbaufonds" mit dem EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 verknüpft werden soll um "Triebfeder des Wiederaufbaus und Garant der Stabilität" zu werden.
Die frugal four hatten bisher stets darauf gepocht, dass das Sieben-Jahre-Budget der EU auf 1% der Wirtschaftsleistung oder eine Billion Euro begrenzt wird. Das war ungefähr die Summe der letzten Periode. Auch das hätte schon eine höhere Belastung für die Mitgliedsländer bedeutet, da mit dem Brexit die Milliarden aus Großbritannien ausfallen. Doch nun will von der Leyen das Budget aber noch deutlich um 100 Milliarden Euro auf 1.100 Milliarden Euro aufstocken.
Beginnt man nachzurechnen, sieht die EU-Kommission schon mit dem Fonds und dem Haushalt 1.850 Milliarden vor. Dazu kommen allerdings noch 540 Milliarden Euro für schon bislang beschlossene Maßnahmen. Wir sprechen also insgesamt schon über einen Finanzrahmen allein auf EU-Ebene von "2,4 Billionen Euro für die nächste Generation", wie die auch die Kommission einräumt. Sie stellt einen Plan voller Euphemismen vor, der viele Ziele verfolgt, die mit den vorgeblichen eigentlich nichts oder wenig zu tun haben.
Es sollen Anliegen durchgesetzt werden, die bisher am Widerstand verschiedener Länder gescheitert sind. Um Akzeptanz für Notmaßnahmen zu schaffen, bedient man sich einer merkwürdigen Wortwahl. Hierbei sticht zum Beispiel der Begriff "Wiederaufbau" hervor.
Was bitte soll wiederaufgebaut werden? Ist ein Krieg über Europa gezogen und hat Fabriken und Wohnungen vernichtet? Nein. Ganz ähnlich sieht das aus, wenn über die angeblich vorgesehene "Rückzahlung" der Schulden gesprochen wird. Schon vergangene Woche hatten wir an dieser Stelle festgestellt, dass man die getrost vergessen kann, zumal noch einmal weiter aufgesattelt wird, und die Summe noch höher werden soll.
Rückzahlung
Sah schon die Vorstellung von Merkel und Macron eine illusorische Rückzahlung der neuen gemeinsamen Schulden in einem Zeitrahmen von 20 Jahren vor, wurde der von der Kommission nun noch deutlich weiter gestreckt. Jetzt soll mit einer der angeblichen Rückzahlung erst "frühestens" 2028 begonnen werden. Allerdings soll sie "spätestens 2058", also 30 Jahre später, abgeschlossen sein.
Wie ebenfalls schon festgestellt, werden wir bis dahin weitere Krisen durchleben. Die brechen ungefähr alle 10 Jahre auf, werden zusehends heftiger und immer neue und teurere Rettungsmaßnahmen werden ergriffen.
Sie werden eine Rückzahlung der neuen Schulden genauso unmöglich machen, wie die Schulden für die Bankenrettungen der letzten Krise zurückgezahlt wurden, um von bisherigen Staatsverschuldungen nicht zu sprechen. Die haben sich seit der letzten Krise nicht verringert, explodieren nun, da es zusätzlich auch noch nationale Rettungstöpfe gibt.
So darf man davon ausgehen, dass Brüssel die angebliche Rückzahlung nur anführt, um den Schein zu wahren. Ein gewollter Nebeneffekt ist aber, dass darüber eine "Quasi-Staatlichkeit" für die EU über eine Finanzhoheit erreicht werden soll. Dazu gehört eben, dass eine demokratisch nicht ausreichend legitimierte und vom EU-Parlament nicht wirklich kontrollierte Kommission nun Schulden aufnehmen kann.
Von der Leyen will die 750 Milliarden Euro für ihren Fonds "an den Finanzmärkten" eintreiben, um "den EU-Haushalt von 2021 bis 2024" zu stärken.
"Zur Finanzierung der erforderlichen Investitionen wird die Kommission im Namen der EU-Anleihen auf den internationalen Finanzmärkten ausgeben."
Einnahmequellen?
Und zu einer Quasi-Staatlichkeit, die nun durchgesetzt werden soll, gehört auch, dass sich Brüssel Einnahmequellen schaffen will. Dabei darf die EU eigentlich gar keine Steuern und Abgaben erheben. Nachgedacht wird dort neben einer Ausdehnung des Emissionshandelssystems (ETS) auf Seefahrt und Flugverkehr auch über Zölle auf CO2-Importe.
Im Gespräch ist auch eine Binnenmarkt-Abgabe für Großkonzerne, die für ihre Vorteile des gemeinsamen Marktes bezahlen sollen. "Große Unternehmen profitieren üblicherweise mehr vom Binnenmarkt als kleine, doch kleine Unternehmen tragen eine höhere Steuerlast", erklärte der Haushaltskommissar Johannes Hahn):"Es geht um Steuergerechtigkeit."
Und gedacht wird auch an die Einführung einer Digitalsteuer der EU für Internetkonzerne und auch an eine Plastikabgabe, um Einnahmen zu generieren, weil Hahn keine Bereitschaft bei den Mitgliedsstaaten sieht, ihre Beiträge aufzustocken.
Von der Finanztransaktionssteuer, die eigentlich auch zur Regulierung der Finanzmärkte gedacht war und schon in der letzten Krise kommen sollte, spricht dagegen niemand. Sie wird seit Jahren immer wieder vertagt.
Interessant ist auch, dass man bei all den Vorschlägen vergeblich nach Maßnahmen sucht, um Steuerhinterziehung und Vermeidung insgesamt zu bekämpfen. Es ist bekannt, dass das auch in Ländern der EU geschieht, allen voran in Luxemburg, den Niederlanden, Malta oder Irland.
Und was die Kontrolle über das viele Geld angeht, dass nun ausgereicht werden soll, bleibt man in Brüssel wortkarg. Erklärt wird, die Mitgliedstaaten sollen "Erholungs- und Belastbarkeitspläne" einreichen und beschreiben, was sie mit den Hilfsgeldern machen wollen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Die Ausgaben sollen im Einklang mit den EU-Schwerpunkten stehen, wird schwammig ausgeführt. Vereinfacht ausgedrückt, sollen die Pläne im Einklang mit den Schwerpunkten der EU stehen, wie zum Beispiel dem "Green Deal".
Angesprochen wird zum Beispiel "eine massive Renovierungswelle" von Gebäuden, eine "stärkere Kreislaufwirtschaft" oder die Stärkung "von erneuerbaren Energien, insbesondere Wind- und Solarenergie, und Ankurbelung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft in Europa". Dazu soll der Verkehr und Logistik sauberer werden, E-Mobilität und das Zugfahren gefördert werden.