EU-Kommission straft die Steuerdeals ihres Präsidenten ab
Starbucks und Fiat müssen für die auch vom jetzigen Kommissionspräsidenten Juncker gewährten illegalen Steuerdeals Millionen nachzahlen
Es war erwartet worden, dass LuxLeaks Folgen haben würde Juncker für Juncker). Nun hat die EU-Kommission einen Anfang gemacht und zunächst Steuerdeals von Luxemburg und den Niederlanden für illegal erklärt. Betroffen sind zunächst Fiat Chrysler und Starbucks, die 20 bis 30 Millionen an Steuern nachzahlen müssen. Doch eigentlich müsste spätestens jetzt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen Hut nehmen. Denn in seiner Zeit als Finanzminister und Regierungschef in Luxemburg soll dort mehr als 300 Konzernen auf Kosten der übrigen Mitgliedsstaaten bei der massiven Steuervermeidung geholfen worden sein. Ein erster Misstrauensantrag gegen ihn war gescheitert (Misstrauensantrag gegen Steuer-Dumper Juncker).
Die Lage ist aber so offensichtlich, dass nun auch die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die praktisch in diesem Verfahren gegen ihren Chef ermittelte, durchgreifen musste. Sie kam jetzt zu dem Ergebnis, dass zwar die sogenannten Steuervorbescheide (tax rulings) nicht grundsätzlich illegal sind, aber bei deren Anwendung getrickst wurde: "Vorbescheide, mit denen die Steuerlast eines Unternehmens künstlich gesenkt wird, stehen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang - sie sind illegal."
In Luxemburg wurden unter Juncker und in den Niederlanden, so Vestager, Firmen "unfaire Wettbewerbsvorteile" gegenüber anderen Unternehmen gewährt, besonders hätten darunter kleine und mittlere Firmen zu leiden. Sie hofft, dass dies eine beruhigende Nachricht für die sei, die angemessene Steuern entrichtet hätten. Starbucks und Fiat müssen Nachzahlungen leisten und kommen nicht mehr in den "Genuss der Steuervorteile, die sie aufgrund der Steuervorbescheide erhielten", teilte Vestager mit.
Mit den Niederlanden watscht die EU-Kommission gleich einen weiteren der Protagonisten ab, die in Europa eine zentrale Rolle spielen. Denn dort ist Jeroen Dijsselbloem Finanzminister. Und der ist, wie allseits bekannt, im Sommer erneut als Chef der Euro-Gruppe bestätigt worden. Er leitet die Treffen der Euro-Finanzminister, denen er auf der anderen Seite die Einnahmen durch dubiose Machenschaften in seinem Heimatland raubt. Aus seinem Finanzministerium ist von Einsicht bisher nichts zu hören, denn es zeigt sich überzeugt davon, dass sich die Niederlande an internationale Standards gehalten habe.
Dabei hätte man sich längst ein mea culpa zurechtlegen können, denn wie das "Dutch Sandwich" funktioniert, ist seit langem bekannt (Wie "geistiges Eigentum" und Steueroasen zusammenhängen). Im Fall Starbucks hatte die EU-Kommission schon im vergangenen Jahr die Funktionsweise offen gelegt.
Komplizierte transnationale Unternehmensstrukturen zur Steuervermeidung
Der Kaffeekonzern steuert aus den Niederlanden seine Geschäfte in Europa. Die Beschäftigten von Starbucks Coffee EMEA BV und die Starbucks Manufacturing EMEA BV rösten die Kaffeebohnen und verschicken sie in die gesamte EU. Geliefert werden die Bohnen allerdings von Starbucks in der Schweiz, wohin Gewinne der niederländischen Firmen fließen. Und auch in der Schweiz zahle die Firma wiederum keine Steuern, hat die Wirtschaftszeitung herausgefunden, weil die Kaffeehauskette die "Disziplin der Steueroptimierung ebenfalls besser beherrsche als alle anderen".
Der Gewinntransfer läuft unter anderem auch darüber, dass eine Starbucks-Tochterfirma an die anderen Firmen Lizenzgebühren zahlen muss. Kompliziert stellen sich die verschiedenen Firmen in der Unternehmensstruktur auch untereinander für Leistungen Rechnungen aus. Das geschieht zu überhöhten Preisen. Deshalb sollen sich diese Preise in der Zukunft an denjenigen orientieren, die auch Dritte für die Leistungen bezahlen müssen. Das will jedenfalls die OECD durchsetzen.
Mit der Nachzahlung durch Starbucks und Fiat kann natürlich nicht von einer beruhigenden Nachricht für ehrliche Steuerzahler gesprochen werden, wie Vestager meint. Bei den verordneten Nachzahlungen - keine Strafen! - handelt es sich nicht einmal um die Spitze des Eisbergs, mit denen Steuern in einer raffinierten Form gesenkt werden. Begonnen hatte die EU-Kommission ihre Ermittlungen eigentlich wegen Steuertricks von Apple in Irland. Die Ermittlungen gegen Starbucks in den Niederlanden und Fiat Chrysler in Luxemburg folgten erst darauf, aber sie wurden durch die LuxLeaks-Veröffentlichungen beschleunigt. Vermutlich weil man zeigen will, das man trotz des Kuhhandels um die Wahl von Juncker zum EU-Kommissionpräsident aufklären will.
Tatsächlich handelt es sich bei den Verfahren, in denen ausgerechnet die Trickser nun mit höheren Steuereinnahmen rechnen dürfen, nicht einmal um die berühmten "Peanuts". Einen Eindruck erhält man schon dadurch, dass allein die Filiale der britischen HSBC-Bank im Schweizer Genf 78 Milliarden Euro von Steuerhinterziehern gehortet hat. Allein auf Apple sollen wegen illegaler Steuervorteile im Rahmen des "Double Irish" Strafzahlungen in Milliardenhöhe zukommen, weil der Konzern über mehr als zwei Jahrzehnte von illegalen Steuerdeals in Irland profitiert habe. So soll die Tochterfirma Apple Sales International allein zwischen 2009 und 2012 rund 74 Milliarden Dollar Gewinn gemacht, dafür aber kaum Steuern bezahlt haben (Apple droht Milliardenstrafe wegen Steuertricks in Irland).
Über die Tochter, die ihren Sitz in Irland hat, sollen die Widersprüche zwischen Steuergesetzen in den USA und in Irland geschickt genutzt worden sein. Eigentlich müsste Apple Gewinne nach US-Recht in dem Land versteuern, in dem sie gegründet wurde, also in Irland. Doch nach irischem Recht ist das Land maßgeblich, aus dem die Firma gemanagt wird. Und so zahlte die Firma für viele Gewinne gar keine Steuern. Und diese "Doppelt-Nicht-Besteuerung" will die OECD zukünftig ebenfalls abschaffen. Und wenn es nach der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht, sollen auch Tochterunternehmen in Konzernen ihre Gewinne nicht mehr über überzogene Zinsen für einen Kredit des Mutterunternehmens in Steuerparadiese verschieben können.
Vom EU-Parlament ist keine wirklich Aufklärung zu erwarten
Damit ist man weiter aber nur am Beginn der langen Liste der Steuervermeider, zu der etliche weitere große US-Unternehmen wie Amazon oder auch Software- und Computerfirmen wie Microsoft oder Google gehören. Zu dem erlauchten Kreis derer, die gern mit hohen Gewinnen und Dividenden für ihre Aktionäre glänzen, gehören aber auch Pharmafirmen. Denn immer wenn es um eher nichtmaterielle Werte geht, kann "geistiges Eigentum" besonders einfach zur Steuersenkung verschoben werden. So verlagerte Microsoft zum Beispiel 2011 mehr als die Hälfte seines weltweiten Gewinns über Töchter in Puerto Rico, Irland und Singapur und senkte damit seinen Steuersatz auf effektive 4%. Bei Firmen, die auf große Anlagen und Maschinen zurückgreifen müssen, lässt sich die Methode dagegen nur begrenzt anwenden.
Firmen wie McDonald's, Ikea, Amazon, Google, Walt Disney, Walmart, Phillip Morris, Inbev und andere haben jedenfalls an der Aufklärung der LuxLeaks-Affäre kein Interesse. Und besonders stark ist das offenbar auch bei den Europaabgeordneten nicht ausgeprägt, die sich in einem Sonderausschuss seit Februar damit beschäftigen. Sie ließen es bisher zu, dass die Steuervermeider konsequenzlos die Mitarbeit verweigern konnten. Das gilt bis auf wenige Ausnahmen, wie Airbus oder die französische Großbank BNP Paribas, für fast alle Betroffenen.
Und erst kurz vor dem Auslaufen des Mandats soll deren Verhalten nun vielleicht Konsequenzen haben. Sie wurden für den 16. November nach Brüssel bestellt. Das Parlament will prüfen, ob den Lobbyisten der Firmen, die sich weiter verweigern, die Zugangsausweise zum EU-Parlament entzogen werden können, damit sie ihre Lobbyarbeit nicht wie bisher betreiben können. Reale Aufklärung ist von dem Ausschuss nicht zu erwarten und weder die Fraktion der Volksparteien noch der Sozialdemokraten ist für eine Mandatsverlängerung.