Misstrauensantrag gegen Steuer-Dumper Juncker
Auf dem G20-Gipfel gab es zum Vorgehen gegen Niedrigsteuerländer wie Luxemburg wie erwartet nur heiße Luft
Der Kuhhandel und die Einigung auf den umstrittenen Luxemburger Jean-Claude Juncker zum neuen EU-Kommissionspräsident (Kuhhandel auf dem Beschäftigungsgipfel in Mailand) führt zu einem neuen Rekord. Aufgrund des LuxLeaks-Skandals muss sich Juncker nach nur einem Monat im Amt einem Misstrauensantrag stellen. Es ist absurd, dass er praktisch gegen sich selbst ermitteln soll, weil anderen EU-Ländern wegen Absprachen mit Unternehmen wie Ikea, E.ON, Amazon, Deutsche Bank, Pepsi, AIG, Fiat, JP Morgan, Heinz… Milliarden an Steuern entgangen sind (Juncker für Juncker). Enttäuscht dürfte Juncker nicht gewesen sein, dass es beim G20-Gipfel nur heiße Luft zum Thema herauskam. Nach Ermittlungen gegen Irland hat nun auch dieses Steuerparadies Reformen angekündigt. Doch die Frage ist, ob es nach langen Übergangszeiten mehr als Kosmetik wird.
Man darf nach dem gesamten Kuhhandel um die EU-Kommission nicht darauf hoffen, dass der Bock aus dem Garten vertrieben wird, in den man ihn nun als Gärtner gesetzt hat. Dass sich Juncker aber so schnell in der nächsten Woche einem Misstrauensantrag wegen der Absprachen mit zahlreichen Firmen zur Steuervermeidung stellen muss, drückt deutlich den wachsenden Unmut über die neue Kommission und seinen Präsidenten aus besteht und wächst.
Der entsprechende Antrag wurde am Dienstagnachmittag von Europaskeptikern gestellt. Über den Antrag soll am kommenden Dienstag debattiert und vermutlich zwei Tage später abgestimmt werden. Er kam nur durch, weil die EU-skeptische EFDD-Fraktion nicht allein blieb, zu der unter anderen UKIP aus Großbritannien und 5 Sterne (M5S) aus Italien zählen. Sie bleibt mit 48 Sitzen hinter der notwendigen Zahl von 10% der Parlamentarier zurück. Doch die Hürde von 76 wurde genommen, weil sich unter anderen auch Eurogegner angeschlossen haben. Dazu zählt die rechtsextreme französische Front National (FN), die sich für den Antrag eingesetzt hat.
Dass Juncker in seinen Amtszeiten als Finanzminister und Regierungschef mehr als 300 Konzernen auf Kosten der übrigen Mitgliedsstaaten bei der massiven Steuervermeidung geholfen habe, zeige, dass "seine politische Karriere der Bereicherung seines Landes auf dem Rücken seiner europäischen Partner gewidmet" gewesen sei, begründete Marco Zanni von der italienischen M5S den Misstrauensantrag. Derlei Verhalten sei mit seinen neuen Aufgaben als Chef der EU-Kommission und dem Geist der Gemeinschaft nicht vereinbar.
Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass es inakzeptabel ist, dass eine Person, die für diese aggressive Politik der Steuerumgehung verantwortlich war, das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bekleiden soll.
Aus dem Antrag
Nationale Steuersouveränität sei zwar bedeutsam für Wettbewerb und Wachstum, doch die Luxemburger Vorgänge stünden einem fairen Wettbewerb unter Mitgliedsstaaten entgegen. Eine Person, auch wenn die Vorgänge formalrechtlich legal gewesen sein können, die für die Schaffung, die Umsetzung und die Beaufsichtigung dieser aggressiven Steuervermeidungspolitik verantwortlich gewesen sei, "besitzt nicht die Glaubwürdigkeit , den Europäischen Bürgern als Präsident der Europäischen Kommission zu dienen", wird weiter argumentiert.
Misstrauensantrag dürfte scheitern
Man darf nicht davon ausgehen, dass der Antrag erfolgreich sein wird. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Selbst wenn sich die Parteien links der Sozialdemokratie dem Antrag anschließen würden, käme nicht einmal eine einfache Mehrheit zustande. Die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke war vergangene Woche an der Mindestzahl mit einem eigenen Misstrauensantrag gegen Juncker gescheitert, da die Fraktion nur 52 Sitze einnimmt. Sie hat aber jede Unterstützung eines Antrags ausgeschlossen, der von Rechtsradikalen getragen wird. Und Konservative sehen darin nicht den Versuch, den umstrittenen Juncker loszuwerden, sondern man sieht eine "sehr skurrile Gruppe" am Werk, die Europa schwächen wolle. Die Sozialdemokraten wollen dagegen nicht über die Vergangenheit in Luxemburg debattieren, sondern über eine "harmonisierte europäische Zukunft".
Die Grünen werfen deshalb den Sozialdemokraten vor, Juncker zu schützen. Deshalb halte sich die SPD mit Kritik an dem Konservativen zurück. Im Interview erklärte der grüne Finanzexperte Sven Giegold: "Die Sozialdemokraten haben im Europawahlkampf viel vom Kampf gegen Steuerdumping und Steuerhinterziehung von Unternehmen geredet - und jetzt, wo Kommissionschef Jean-Claude Juncker unter Feuer steht, hört man so gut wie nichts." Besonders wendet sich Giegold gegen den sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten Martin Schulz, der sonst "sehr sendungsbewusst" sei. Die SPD und die Europäischen Sozialdemokraten verpassten eine historische Chance, das Steuerdumping in Europa zu beenden.
Ob die Vorgänge in Luxemburg wirklich aufgeklärt und ob daraus wirklich Konsequenzen gezogen werden, kann angesichts der Tatsache bezweifelt werden, dass sich auch die Sozialdemokraten vor Juncker stellen. Der Fall dürfte, wie zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer, auf die lange Bank geschoben werden. Seit Jahren wird sie angekündigt, doch immer weiter verwässert und hinausgeschoben (Finanztransaktionssteuer mindestens auf 2016 verschoben).
Und was Steuervermeidung in der EU angeht, läuft die Debatte schon in eine andere Richtung. Immer mehr Länder senken - um wettbewerbsfähig zu sein - ihre Unternehmenssteuern. Der Druck, der über Luxemburg, Irland und die Niederlande ausgeübt wurde, dass Firmen wie Apple, Google, Starbucks und Co ebenfalls bisher kaum Steuern bezahlen mussten, hat die erhoffte Wirkung gezeigt.
Im Fall Luxemburg bleibt anzumerken, dass es nicht die EU-Kommission war, welche die Vorgänge aufgedeckt hat. Whistleblower hatten die Daten zusammengetragen und mit Unterstützung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlicht. Und durch die aufgedeckten Absprachen wurde Luxemburg zum Steuerparadies mitten in der EU. Luxemburg rangiert auf dem "Financial Secrecy Index" 2013 auf dem 2. Rang hinter der Schweiz noch vor Hong Kong und den Cayman-Islands. Irland kommt demnach erst auf Rang 47. Das kleine Großherzogtum mit gut einer halben Million Einwohner ist der bedeutsamste Ort in Europa für Investmentfonds. Und für viele in Luxemburg hat sich das Modell ausgezahlt. Beim Durchschnittsvermögen ist Luxemburg europäischer Spitzenreiter.
Dort haben sich zahllose Holdings angesiedelt, wie die kürzlich abgeschmierten Holdings der portugiesischen Familie Espirito Santo. Letztlich musste deren Bank, nachdem die Familie viele Steuern in Luxemburg gespart hat, mit fünf Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsfonds verstaatlicht. Luxemburg ist, wegen seiner Größe, daran aber wiederum nur zu einem verschwindend kleinen Teil dabei beteiligt.
Auch nach dem G20-Gipfel wird sich kaum etwas bewegen
Ein klein wenig Bewegung gibt es aber doch. Im kommenden Jahr soll das Bankgeheimnis fallen, womit zumindest etwas stärker gegen Steuerhinterzieher vorgegangen werden kann, die bisher ebenfalls ihr Geld in Luxemburg geparkt haben. Und die Ermittlungen der EU-Kommission gegen Starbucks und die Niederlande, gegen Luxemburg und Fiat und gegen Apple und Irland haben zumindest in Irland dazu geführt, dass Reformen auf den Weg gebracht werden.
Angeblich soll nun, weil der Druck aus der EU und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu groß wurde, der "Double Irish" geschleift werden. Und wie Juncker die Luxemburger Praxis als "völlig legal" erklärt, zahlten auch internationale Unternehmen in Irland kaum Steuern. Deren reale Steuern bleiben oft weit unter dem ohnehin geringen Körperschaftssteuersatz von 12,5% zurück. Bisher ist das möglich, wenn Firmen in Irland scheinbar nicht steuerpflichtig sind. Dann sind sie zwar im Handelsregister der Insel registriert, haben aber den Sitz in einer Steueroase. Manchmal kann damit die Steuerlast sogar auf Null gesenkt werden (Apple droht Milliardenstrafe wegen Steuertricks in Irland).
Ob sich aber in Irland etwas über Kosmetik hinaus ändern wird, darf bezweifelt werden. Denn die Konservativen um Enda Kenny wollen ohnehin schon ansässigen Firmen eine Übergangsfrist bis 2020 einräumen. Firmen erhalten damit einen langen Zeitraum, um sich zur Steuervermeidung in andere Länder zu begeben. Doch Firmen wie Apple wollen dem Land die Treue halten. Das muss nicht verwundern, denn die irische Regierung hat bereits neue Vergünstigungen in Aussicht gestellt.
Auch in Irland denkt man über die sogenannte "Patent Box" als neues Wundermittel zur Steuerersparnis wie in anderen europäischen Ländern - maßgeblich die Niederlanden - nach. Und deshalb erwarten Steuerfachleute, dass es letztlich nur zu einer Modifizierung und der "Double Irish" weiter zur Anwendung kommt. Ein zentrales Problem ist, dass globalisierte Unternehmen weitgehend auf Basis nationaler Bestimmungen besteuert werden, die sie über das interne Verrechnen zwischen Tochter- und Schwestergesellschaften weitgehend aushebeln können.
Und deshalb sollte auf dem G20-Gipfel in Brisbane auch die Steuerflucht im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Doch daraus wurde nichts. Damit hat der Ukraine-Konflikt, der ebenfalls in den Mittelpunkt rückte, wenig zu tun. Man kennt schließlich die großspurigen Ankündigungen vor Gipfeln. Doch bei grundlegenden Fragen, wie der Regulierung der Finanzmärkte, ist man dort in all den Jahren der Krise trotz großer Versprechungen ebenfalls kaum vorwärts gekommen.
Und ähnlich tönte man auch vor dem G20-Gipfel wieder großspurig nach einem Vorbereitungstreffen der Finanzminister von der "größten Steuerreform seit 100 Jahren" und von einem "Großangriff auf Steuerflüchtlinge" getönt. Das wäre ohnehin kein Kunststück, da die bisherigen Grundprinzipien noch im Rahmen des Völkerbunds vor fast 100 Jahren vereinbart wurden. Immaterielle Vermögensgegenstände wie Patente, Lizenzen und Markenrechte waren damals unbedeutend, spielen aber heute eine zentrale Rolle bei der Steuervermeidung.
Obwohl es um enorme Summen geht, etwa zwei Billionen Dollar sollen die Konzerne durch "aggressive Steuervermeidung" der Versteuerung allein den Industriestaaten entzogen haben, schätzt die OECD, kam es in Brisbane zu keiner Einigung. Im Abschlussdokument des Gipfels wird nur noch unverbindlich erklärt, dass es multinationale Unternehmen nicht mehr so leicht gemacht werden soll, Steuern zu sparen, indem sie ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben. Doch man scheiterte beim Gipfel schon am schnellen Informationsaustausch über Steuern und Absprachen.
Vor allem wird Japan für die Verweigerung verantwortlich gemacht, dass es nicht zu einer Einigung kam. Darüber soll ausgerechnet Juncker enttäuscht gewesen sein, wurde nach dem Gipfeltreffen berichtet. Doch glauben muss man das einem Mann nicht, der für folgende Aussage bekannt ist. "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Wie will man als EU mit einem solchen Kommissionspräsidenten glaubhaft Forderungen in dieser Materie stellen und durchsetzen, der nun auch noch für eine massive Intransparenz und Steuervermeidung in Milliardenhöhe steht. Dass Juncker vor dem Gipfel noch schnell erklärte: "Ich bin gegen unfairen Steuerwettbewerb", klingt schlicht lachhaft, nach all dem, was längst bekannt geworden ist. Ebenso lächerlich klingt aber auch, dass der australischen Finanzminister Joe Hockey ankündigte, dass die G20 nun gegen "Steuerbetrug hart durchgreifen" werde.