Und dann waren es schon 2,4 Billionen Euro...

… die aber den "perfekten Sturm" nicht verhindern können, der nach "Dr. Doom" die Weltwirtschaft "in ein Jahrzehnt der Verzweiflung" treiben werde

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der vergangenen Woche konnten wir einem Vorgang beiwohnen, der mehr als typisch für diese Europäische Union (EU) ist. Zunächst hatten sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen europäischen "Wiederaufbaufonds" mit einem Volumen von einer halben Billion Euro und der Einführung von "Quasi-Eurobonds" geeinigt, um die abstürzende Konjunktur im Rahmen der Coronavirus-Pandemie zu stützen.

Allerdings lehnen Nettozahler wie Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden bekanntlich eine Vergemeinschaftung von Schulden weiter ab. Die sogenannten "sparsamen Vier" (frugal four) wollen nur Kredite vergeben und eine klare "zeitliche Befristung" der Maßnahmen auf zwei Jahre haben, damit es "wirklich eine Corona-Soforthilfe ist und nicht zu einer Schuldenunion durch die Hintertür wird", sagte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz.

Von der Leyen rührt zwei Pläne zusammen

Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nicht einmal versucht, aus dem Vorschlag von Merkel und Macron und dem Gegenvorschlag der frugal four einen Kompromissvorschlag zu entwickeln. Sie hat vielmehr beide Pläne zusammengerührt.

"Europäischer Aufbauplan" nennt sie ihr "Aufbauinstrument mit einem Finanzvolumen von 750 Milliarden Euro". Dafür hat sie schlicht auf die von Macron und Merkel geplanten Zuschüsse im Umfang von einer halben Billion noch einmal 250 Milliarden aufgesattelt, die zusätzlich auch als Kredite fließen sollen, so als wäre sie den vier Kritikerländern damit entgegengekommen.

Doch zufrieden sind vor allem Italien und Spanien. Denn in beiden Ländern soll nun sogar noch mehr Geld fließen, als sie erwartet hatten. Mit 313 Milliarden ist das sogar fast die Hälfte der Gesamtsumme. Allein 173 Milliarden sollen ins stark gebeutelte Italien fließen und zudem noch gut 140 Milliarden nach Spanien. Das Land wurde heftig mitgenommen, doch wahrlich nicht ohne eigenes Verschulden.

Denn Madrid hatte aus den Vorgängen in Italien, die man aus der Nähe beobachten konnte, nichts gelernt. Die spanische Regierung reagierte spät und zunächst zu zaghaft. Italienische Fehler wurden wiederholt, und man setzte sogar noch einen großen drauf. Anders als Italien mit der Lombardei wurde der zentrale Infektionsherd Madrid nicht abgesperrt.

Deshalb konnte sich das Virus gut über das gesamte Land verbreiten und den Schaden enorm vergrößern. Das bestätigen inzwischen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Ein realer Lockdown wurde letztlich anhand explodierender Todeszahlen unvermeidlich, mit gravierenden Auswirkungen auch auf die Wirtschaft.

Ein Land wie Portugal dagegen, das frühzeitig und richtig reagiert hat, konnte eine Katastrophe wie in Italien oder Spanien mit seinen tödlichen Folgen für die Bevölkerung vermeiden - trotz eines vergleichsweise schwachen Gesundheitssystems. Es soll dagegen nur mit vergleichsweise mageren 26 Milliarden abgespeist werden.

Das wären sogar 2,5 Milliarden weniger als Deutschland. Dabei hätte das arme Land dringend Bedarf an Geld, um das Gesundheitssystem und den Umbau der Wirtschaft zu stärken. Portugal liegt mit seiner Politik ohnehin längst auf der Schiene, die die EU offiziell anstrebt.

Fragen im Fall Polen

Zudem drängen sich Fragen am Fall Polen auf. Denn das osteuropäische Land soll mit knapp 64 Milliarden, also der dritthöchsten Summe, beglückt werden. Hatte die EU-Kommission nicht gerade angekündigt, dass künftig Gelder aus dem EU-Haushalt nur noch an die Mitgliedsstaaten fließen sollen, die sich an Rechtsstaatlichkeit und gemeinsame Grundwerte halten, um die Rechtsstaatlichkeit zu stärken? Wollte die Kommission nicht dieses Prinzip auf den Haushaltsentwurf anwenden?

Vizepräsidentin Vera Jourova hatte erst am vergangenen Montag im Europaparlament erklärt, diese Koppelung sei "nötiger denn je". Da verwundern hohe Zuwendungen für Polen besonders, schließlich hatte Justizkommissar Didier Reynders gerade erst die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens angekündigt. Schon seit Jahren gibt es Streit wegen der Justizreform. Der aktuelle Anlass ist ein Gesetz zur Disziplinierung von Richtern.

...und im Fall Spanien

Ganz ähnliche Probleme ergeben sich auch mit Spanien. Allerdings schaut man in Brüssel geflissentlich über massive Menschenrechtsverletzung im viertgrößten Euroland hinweg, wo sogar Journalisten gefoltert werden. Vertragsverletzungsverfahren werden nicht einmal eingeleitet, wenn Politiker für viele Jahre in Gefängnissen weggesperrt werden - die keinen fairen Prozess hatten, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon festgestellt hat.

Das geschieht sogar auch dann nicht, obwohl Spanien sogar einen Europaparlamentarier im Knast hält, der nach höchstrichterlichem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Immunität genießt. Statt im Europaparlament sitzt er weiter im Gefängnis. Es kann nicht sein, dass Spanien sogar großzügige Zuschüsse von der EU fordert, aber die Institutionen und sogar EuGH-Urteile ignoriert.

Der "Wiederaufbauplan": Billionenplan voller Euphemismen

Doch zurück zum "Wiederaufbauplan". Ob der nun von der Kommissionspräsidentin zusammengerührte Vorschlag bei den "sparsamen Vier" als Zugeständnis oder Entgegenkommen gewertet wird, darf bezweifelt werden. Ihre Anliegen wurden jedenfalls nicht berücksichtigt. Für sie kommt es sogar noch dicker, da der "Wiederaufbaufonds" mit dem EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 verknüpft werden soll um "Triebfeder des Wiederaufbaus und Garant der Stabilität" zu werden.

Die frugal four hatten bisher stets darauf gepocht, dass das Sieben-Jahre-Budget der EU auf 1% der Wirtschaftsleistung oder eine Billion Euro begrenzt wird. Das war ungefähr die Summe der letzten Periode. Auch das hätte schon eine höhere Belastung für die Mitgliedsländer bedeutet, da mit dem Brexit die Milliarden aus Großbritannien ausfallen. Doch nun will von der Leyen das Budget aber noch deutlich um 100 Milliarden Euro auf 1.100 Milliarden Euro aufstocken.

Beginnt man nachzurechnen, sieht die EU-Kommission schon mit dem Fonds und dem Haushalt 1.850 Milliarden vor. Dazu kommen allerdings noch 540 Milliarden Euro für schon bislang beschlossene Maßnahmen. Wir sprechen also insgesamt schon über einen Finanzrahmen allein auf EU-Ebene von "2,4 Billionen Euro für die nächste Generation", wie die auch die Kommission einräumt. Sie stellt einen Plan voller Euphemismen vor, der viele Ziele verfolgt, die mit den vorgeblichen eigentlich nichts oder wenig zu tun haben.

Es sollen Anliegen durchgesetzt werden, die bisher am Widerstand verschiedener Länder gescheitert sind. Um Akzeptanz für Notmaßnahmen zu schaffen, bedient man sich einer merkwürdigen Wortwahl. Hierbei sticht zum Beispiel der Begriff "Wiederaufbau" hervor.

Was bitte soll wiederaufgebaut werden? Ist ein Krieg über Europa gezogen und hat Fabriken und Wohnungen vernichtet? Nein. Ganz ähnlich sieht das aus, wenn über die angeblich vorgesehene "Rückzahlung" der Schulden gesprochen wird. Schon vergangene Woche hatten wir an dieser Stelle festgestellt, dass man die getrost vergessen kann, zumal noch einmal weiter aufgesattelt wird, und die Summe noch höher werden soll.

Rückzahlung

Sah schon die Vorstellung von Merkel und Macron eine illusorische Rückzahlung der neuen gemeinsamen Schulden in einem Zeitrahmen von 20 Jahren vor, wurde der von der Kommission nun noch deutlich weiter gestreckt. Jetzt soll mit einer der angeblichen Rückzahlung erst "frühestens" 2028 begonnen werden. Allerdings soll sie "spätestens 2058", also 30 Jahre später, abgeschlossen sein.

Wie ebenfalls schon festgestellt, werden wir bis dahin weitere Krisen durchleben. Die brechen ungefähr alle 10 Jahre auf, werden zusehends heftiger und immer neue und teurere Rettungsmaßnahmen werden ergriffen.

Sie werden eine Rückzahlung der neuen Schulden genauso unmöglich machen, wie die Schulden für die Bankenrettungen der letzten Krise zurückgezahlt wurden, um von bisherigen Staatsverschuldungen nicht zu sprechen. Die haben sich seit der letzten Krise nicht verringert, explodieren nun, da es zusätzlich auch noch nationale Rettungstöpfe gibt.

So darf man davon ausgehen, dass Brüssel die angebliche Rückzahlung nur anführt, um den Schein zu wahren. Ein gewollter Nebeneffekt ist aber, dass darüber eine "Quasi-Staatlichkeit" für die EU über eine Finanzhoheit erreicht werden soll. Dazu gehört eben, dass eine demokratisch nicht ausreichend legitimierte und vom EU-Parlament nicht wirklich kontrollierte Kommission nun Schulden aufnehmen kann.

Von der Leyen will die 750 Milliarden Euro für ihren Fonds "an den Finanzmärkten" eintreiben, um "den EU-Haushalt von 2021 bis 2024" zu stärken.

"Zur Finanzierung der erforderlichen Investitionen wird die Kommission im Namen der EU-Anleihen auf den internationalen Finanzmärkten ausgeben."

Einnahmequellen?

Und zu einer Quasi-Staatlichkeit, die nun durchgesetzt werden soll, gehört auch, dass sich Brüssel Einnahmequellen schaffen will. Dabei darf die EU eigentlich gar keine Steuern und Abgaben erheben. Nachgedacht wird dort neben einer Ausdehnung des Emissionshandelssystems (ETS) auf Seefahrt und Flugverkehr auch über Zölle auf CO2-Importe.

Im Gespräch ist auch eine Binnenmarkt-Abgabe für Großkonzerne, die für ihre Vorteile des gemeinsamen Marktes bezahlen sollen. "Große Unternehmen profitieren üblicherweise mehr vom Binnenmarkt als kleine, doch kleine Unternehmen tragen eine höhere Steuerlast", erklärte der Haushaltskommissar Johannes Hahn):"Es geht um Steuergerechtigkeit."

Und gedacht wird auch an die Einführung einer Digitalsteuer der EU für Internetkonzerne und auch an eine Plastikabgabe, um Einnahmen zu generieren, weil Hahn keine Bereitschaft bei den Mitgliedsstaaten sieht, ihre Beiträge aufzustocken.

Von der Finanztransaktionssteuer, die eigentlich auch zur Regulierung der Finanzmärkte gedacht war und schon in der letzten Krise kommen sollte, spricht dagegen niemand. Sie wird seit Jahren immer wieder vertagt.

Interessant ist auch, dass man bei all den Vorschlägen vergeblich nach Maßnahmen sucht, um Steuerhinterziehung und Vermeidung insgesamt zu bekämpfen. Es ist bekannt, dass das auch in Ländern der EU geschieht, allen voran in Luxemburg, den Niederlanden, Malta oder Irland.

Und was die Kontrolle über das viele Geld angeht, dass nun ausgereicht werden soll, bleibt man in Brüssel wortkarg. Erklärt wird, die Mitgliedstaaten sollen "Erholungs- und Belastbarkeitspläne" einreichen und beschreiben, was sie mit den Hilfsgeldern machen wollen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Die Ausgaben sollen im Einklang mit den EU-Schwerpunkten stehen, wird schwammig ausgeführt. Vereinfacht ausgedrückt, sollen die Pläne im Einklang mit den Schwerpunkten der EU stehen, wie zum Beispiel dem "Green Deal".

Angesprochen wird zum Beispiel "eine massive Renovierungswelle" von Gebäuden, eine "stärkere Kreislaufwirtschaft" oder die Stärkung "von erneuerbaren Energien, insbesondere Wind- und Solarenergie, und Ankurbelung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft in Europa". Dazu soll der Verkehr und Logistik sauberer werden, E-Mobilität und das Zugfahren gefördert werden.

Mehr Kontrolle und eine real veränderte Weichenstellung in der EU

Doch wie soll, gerade wenn es um das schnelle Ankurbeln der Wirtschaft geht, die Nachhaltigkeit von Projekten garantiert werden? Aus Spanien sind zahllose von der EU finanzierte Projekte bekannt, die um des Bauens Willen gebaut wurden.

Dazu gehören zum Beispiel etliche Kläranlagen, die zum Teil sogar fertiggestellt wurden, aber nie in Betrieb gingen. Dazu kommen Meerwasserentsalzungsanlagen, die praktisch ungenutzt bleiben oder extrem teure Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge, von denen keine in Spanien rentabel betrieben wird. Einige Verbindungen mussten sogar mangels Fahrgästen wieder gestrichen werden. Oft ist mit großen Bauprojekten auch massive Korruption verbunden.

Wäre angesichts solcher Vorgänge, die sich wahrlich nicht allein auf Spanien beschränken, eine Kontrolle über die reale Verwendung von Geldern und die Nachhaltigkeit der Projekte nicht besonders dann ganz besonders wichtig, wenn es um Gelder geht, für die Steuerzahler aus anderen Ländern aufkommen?

Wie wäre es mit einem Kompromissvorschlag zwischen den Plänen von Macron und Merkel auf der einen Seite und denen der frugal four auf der anderen Seite? Statt schlicht 250 Milliarden an Krediten auf die halbe Billion an geplanten Zuschüssen drauf zu packen, könnte man Hilfsgelder zunächst nun als Kredite vergeben.

Erst nach einer Überprüfung der Durchführung und der Nachhaltigkeit könnten sie ganz oder teilweise als Zuschüsse gewährt werden, wenn die verfolgten Ziele auch erreicht werden. Das würde jedenfalls den Anreiz stärken, Geld in vernünftige Projekte zu investieren, statt es einfach auszugeben, um einige Arbeitsplätze kurzzeitig zu schaffen oder zu erhalten.

Es müsste jetzt darum gehen, wenn schon viel Geld ausgegeben wird, die Weichen in der EU real neu zu stellen.

Vor allem sollten sie in Richtung Nachhaltigkeit und Energieunabhängigkeit gestellt werden, aber auch zur Beseitigung von massiven Demokratiedefiziten in diversen Ländern, die eine vernünftige Verwendung von Geldern erschwert oder unmöglich macht.

Die Lage ist ernst

Dass die Lage ernst ist, ist seit längerer Zeit auch für diejenigen keine Frage mehr, die eigentlich stets versuchen, die Lage schönzureden. Inzwischen geht sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) von den schlimmsten Folgen seit der Großen Depression nach 1929 aus.

Und gerade hat die geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgieva vor der UNO erklärt, dass die bisherige Prognose, wonach die Weltwirtschaft um 3% einbrechen dürfte, nach unten korrigiert werden müsse. Sie setzte nun auch eine mögliche neue Pleitewelle "schwacher" Banken auf die Tagesordnung, wie wir sie aus der Finanzkrise ab 2008 kennen.

Auch ihre Experten schließen nicht mehr aus, dass in diesem Fall eine ausgewachsene Finanzkrise die Folge sein dürfte, wenn die "wirtschaftliche Kontraktion länger andauert und tiefer als erwartet" gehe. War ab 2008 die Wirtschaftskrise die Folge der Finanzkrise, könnte nun die Finanzkrise die Folge der Wirtschaftskrise werden.

"Verwundbarkeiten an den Kreditmärkten, in Schwellenländern und in Banken können zu einer neuen Finanzkrise führen", schreiben der Leiter der IWF-Finanzmarktabteilung Tobias Adrian und der stellvertretende Direktor der Abteilung für Geld und Kapitalmärkte Fabio Natalucci.

Die beiden hatten, für den IWF sehr ungewöhnlich, zum Beispiel auch im Januar schon vor der Geldschwemme der Notenbanken weltweit gewarnt, was unter der früheren IWF-Chefin und heutigen Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu hören war. Die sehr lockere Geldpolitik, die die EZB betreibt und unter Christine Lagarde noch verstärkt wurde, überdecke Risse in der Ökonomie mit dem billigen Geld.

Von vielen unbemerkt, würden die Ausfallraten bei Risikounternehmen längst deutlich zunehmen. Viele Schuldtitel schwächerer Schwellenländer würden inzwischen auf Ausverkaufsniveaus gehandelt. Bedenklich sei auch, dass sich trotz niedriger Zinsen die Bonität von Firmen und Staaten verschlechtere, fügen Adrian und Natalucci an. Deshalb kommen sie jetzt zum Ergebnis, dass das Coronoavirus nur bestehende Probleme verstärkt.

Ihre Chefin fordert deshalb "finanzpolitische Maßnahmen", um den wirtschaftlichen Stillstand und die "Verwüstung" zu überbrücken. Entsprechend sind die Reaktionen und die Rettungsmaßnahmen, die überall zu sehen sind. Wir haben es dabei längst auch wieder mit Bankenrettungen zu tun, die derzeit nur versteckt sind.

Georgieva fürchtet, dass eine Pleitewelle wieder zu massiven Kreditausfällen führen könnte und damit insbesondere Banken wieder in arge Bedrängnis kommen, die nur über "schwache Puffer" verfügen. Die IWF-Chefin nannte keine Namen, aber es ist längst klar, dass es seit langem auch bei der Deutschen Bank nicht zum Besten steht.

In einem Gastbeitrag für die Financial Times forderte Georgieva deshalb gerade auch, dass Banken die Ausschüttung von Dividenden und Aktienrückkäufe einstellen müssten, um die Risikopuffer zu vergrößern. Allein die 30 globalen systemrelevanten Banken hätten dafür im vergangenen Jahr rund 250 Milliarden Dollar ausgegeben.

In Großbritannien habe die Zentralbank die Banken auch dazu aufgefordert, neben Dividenden auch Bonuszahlungen an Führungskräfte auszusetzen. Die Bank of England habe mit Maßnahmen gedroht, sollte sich eine Bank weigern.

"Die Depression, die kommen wird" (Roubini)

Einer derer, der die letzte große Krise prognostiziert hatte, war Nouriel Roubini. Der Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University, der wegen seiner Untergangsprognosen gerne auch "Dr. Doom" genannt wird, hatte frühzeitig das Platzen der US-Immobilienblase und damit den Beginn der Finanzkrise vorhergesagt.

Nun verweist Roubini auf zehn Risiken, "die sich bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 deutlich abzeichneten". Die drohten nun, "einen perfekten Sturm anzuheizen, der die gesamte Weltwirtschaft in ein Jahrzehnt der Verzweiflung treibt", warnt er vor der "kommenden größeren Depression".

Nach der Finanzkrise seien Ungleichgewichte und Risiken, die die Weltwirtschaft durchziehen, durch politische Fehler sogar noch verschärft worden.

Statt die Strukturprobleme in Angriff zu nehmen, die der Finanzkollaps und die anschließende Rezession aufgezeigt hatten, verschoben die Regierungen die Probleme überwiegend in die Zukunft und schufen so erhebliche Abwärtsrisiken, die eine weitere Krise unvermeidlich machten.

Nouriel Roubini

Nun, da die Krise da ist, würden Risiken sogar noch akuter. Sein Ausblick ist seinem Spitznamen gemäß dann auch finster.

Unglücklicherweise wird, selbst wenn die diesmalige, noch gravierendere Rezession zu einer schwachen U-förmigen Erholung im weiteren Jahresverlauf führt, eine L-förmige 'Größere Depression' noch in diesem Jahrzehnt folgen.

Nouriel Roubini

Dies liege in zehn verhängnisvollen und riskanten Trends begründet. Worin er unter anderem Defizite und die daraus resultierenden Risiken wie Schulden und Zahlungsausfälle sieht. Neue Staatsschulden kämen zu einer Staatsverschuldung hinzu, die "in vielen Ländern bereits hoch, wenn nicht gar untragbar ist".

Einkommensverluste vieler Haushalte und Unternehmen führe zu einem untragbaren Schuldenniveau im privaten Sektor und damit potenziell zu massenweisen Zahlungsausfällen und Konkursen. "Zusammen mit der steil steigenden Staatsverschuldung gewährleistet dies praktisch eine noch schwächere Erholung als nach der Großen Rezession vor einem Jahrzehnt.

Nouriel Roubini

Für ihn kommen dazu unter anderem auch eine demografische Zeitbombe in hochentwickelten Volkswirtschaften und eine zunehmende Deflationsgefahr. Die Krise befeuere jetzt den Preiseinbruch bei Rohstoffen wie Öl und Industriemetallen, was zu Währungsabwertungen führen werde. Er sagt voraus, dass die Notenbanken deshalb eine noch unkonventionellere und weitreichendere Geldpolitik machen würden, um eine Depression und eine Deflation zu vermeiden.

Im Laufe der Zeit jedoch werden die fortdauernden negativen Angebotsschocks durch die beschleunigte Entglobalisierung und den neuerlichen Protektionismus eine Stagflation praktisch unvermeidlich machen.

Nouriel Roubini

Von der gefährlichen Stagflation wurde schon zu Beginn der letzten Krise gesprochen. Da der lesenswerte Beitrag in deutscher Übersetzung vorliegt, seien hier nicht alle zehn Trends ausgeführt. Hingewiesen sei darauf, dass Roubini "umweltbedingte Belastungen" als großes Risiko einschätzt.

Die COVID-19-Krise habe gezeigt, dass sie sogar noch "deutlich mehr wirtschaftlichen Schaden" anrichten kann als eine Finanzkrise.

Wiederholte Epidemien (HIV seit den 1980er Jahren, SARS 2003, H1N1 2009, MERS 2011, Ebola 2014-16) sind, wie der Klimawandel, im Wesentlichen menschgemachte Katastrophen, die aus schlechten Gesundheits- und Hygienestandards, dem Missbrauch der natürlichen Systeme und der wachsenden Vernetzung einer globalisierten Welt herrühren.

Nouriel Roubini

Pandemien und viele morbide Symptome des Klimawandels werden in den kommenden Jahren häufiger, schwerwiegender und kostspieliger werden.