Und dann waren es schon 2,4 Billionen Euro...
Seite 3: Die Lage ist ernst
Dass die Lage ernst ist, ist seit längerer Zeit auch für diejenigen keine Frage mehr, die eigentlich stets versuchen, die Lage schönzureden. Inzwischen geht sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) von den schlimmsten Folgen seit der Großen Depression nach 1929 aus.
Und gerade hat die geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgieva vor der UNO erklärt, dass die bisherige Prognose, wonach die Weltwirtschaft um 3% einbrechen dürfte, nach unten korrigiert werden müsse. Sie setzte nun auch eine mögliche neue Pleitewelle "schwacher" Banken auf die Tagesordnung, wie wir sie aus der Finanzkrise ab 2008 kennen.
Auch ihre Experten schließen nicht mehr aus, dass in diesem Fall eine ausgewachsene Finanzkrise die Folge sein dürfte, wenn die "wirtschaftliche Kontraktion länger andauert und tiefer als erwartet" gehe. War ab 2008 die Wirtschaftskrise die Folge der Finanzkrise, könnte nun die Finanzkrise die Folge der Wirtschaftskrise werden.
"Verwundbarkeiten an den Kreditmärkten, in Schwellenländern und in Banken können zu einer neuen Finanzkrise führen", schreiben der Leiter der IWF-Finanzmarktabteilung Tobias Adrian und der stellvertretende Direktor der Abteilung für Geld und Kapitalmärkte Fabio Natalucci.
Die beiden hatten, für den IWF sehr ungewöhnlich, zum Beispiel auch im Januar schon vor der Geldschwemme der Notenbanken weltweit gewarnt, was unter der früheren IWF-Chefin und heutigen Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu hören war. Die sehr lockere Geldpolitik, die die EZB betreibt und unter Christine Lagarde noch verstärkt wurde, überdecke Risse in der Ökonomie mit dem billigen Geld.
Von vielen unbemerkt, würden die Ausfallraten bei Risikounternehmen längst deutlich zunehmen. Viele Schuldtitel schwächerer Schwellenländer würden inzwischen auf Ausverkaufsniveaus gehandelt. Bedenklich sei auch, dass sich trotz niedriger Zinsen die Bonität von Firmen und Staaten verschlechtere, fügen Adrian und Natalucci an. Deshalb kommen sie jetzt zum Ergebnis, dass das Coronoavirus nur bestehende Probleme verstärkt.
Ihre Chefin fordert deshalb "finanzpolitische Maßnahmen", um den wirtschaftlichen Stillstand und die "Verwüstung" zu überbrücken. Entsprechend sind die Reaktionen und die Rettungsmaßnahmen, die überall zu sehen sind. Wir haben es dabei längst auch wieder mit Bankenrettungen zu tun, die derzeit nur versteckt sind.
Georgieva fürchtet, dass eine Pleitewelle wieder zu massiven Kreditausfällen führen könnte und damit insbesondere Banken wieder in arge Bedrängnis kommen, die nur über "schwache Puffer" verfügen. Die IWF-Chefin nannte keine Namen, aber es ist längst klar, dass es seit langem auch bei der Deutschen Bank nicht zum Besten steht.
In einem Gastbeitrag für die Financial Times forderte Georgieva deshalb gerade auch, dass Banken die Ausschüttung von Dividenden und Aktienrückkäufe einstellen müssten, um die Risikopuffer zu vergrößern. Allein die 30 globalen systemrelevanten Banken hätten dafür im vergangenen Jahr rund 250 Milliarden Dollar ausgegeben.
In Großbritannien habe die Zentralbank die Banken auch dazu aufgefordert, neben Dividenden auch Bonuszahlungen an Führungskräfte auszusetzen. Die Bank of England habe mit Maßnahmen gedroht, sollte sich eine Bank weigern.
"Die Depression, die kommen wird" (Roubini)
Einer derer, der die letzte große Krise prognostiziert hatte, war Nouriel Roubini. Der Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University, der wegen seiner Untergangsprognosen gerne auch "Dr. Doom" genannt wird, hatte frühzeitig das Platzen der US-Immobilienblase und damit den Beginn der Finanzkrise vorhergesagt.
Nun verweist Roubini auf zehn Risiken, "die sich bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 deutlich abzeichneten". Die drohten nun, "einen perfekten Sturm anzuheizen, der die gesamte Weltwirtschaft in ein Jahrzehnt der Verzweiflung treibt", warnt er vor der "kommenden größeren Depression".
Nach der Finanzkrise seien Ungleichgewichte und Risiken, die die Weltwirtschaft durchziehen, durch politische Fehler sogar noch verschärft worden.
Statt die Strukturprobleme in Angriff zu nehmen, die der Finanzkollaps und die anschließende Rezession aufgezeigt hatten, verschoben die Regierungen die Probleme überwiegend in die Zukunft und schufen so erhebliche Abwärtsrisiken, die eine weitere Krise unvermeidlich machten.
Nouriel Roubini
Nun, da die Krise da ist, würden Risiken sogar noch akuter. Sein Ausblick ist seinem Spitznamen gemäß dann auch finster.
Unglücklicherweise wird, selbst wenn die diesmalige, noch gravierendere Rezession zu einer schwachen U-förmigen Erholung im weiteren Jahresverlauf führt, eine L-förmige 'Größere Depression' noch in diesem Jahrzehnt folgen.
Nouriel Roubini
Dies liege in zehn verhängnisvollen und riskanten Trends begründet. Worin er unter anderem Defizite und die daraus resultierenden Risiken wie Schulden und Zahlungsausfälle sieht. Neue Staatsschulden kämen zu einer Staatsverschuldung hinzu, die "in vielen Ländern bereits hoch, wenn nicht gar untragbar ist".
Einkommensverluste vieler Haushalte und Unternehmen führe zu einem untragbaren Schuldenniveau im privaten Sektor und damit potenziell zu massenweisen Zahlungsausfällen und Konkursen. "Zusammen mit der steil steigenden Staatsverschuldung gewährleistet dies praktisch eine noch schwächere Erholung als nach der Großen Rezession vor einem Jahrzehnt.
Nouriel Roubini
Für ihn kommen dazu unter anderem auch eine demografische Zeitbombe in hochentwickelten Volkswirtschaften und eine zunehmende Deflationsgefahr. Die Krise befeuere jetzt den Preiseinbruch bei Rohstoffen wie Öl und Industriemetallen, was zu Währungsabwertungen führen werde. Er sagt voraus, dass die Notenbanken deshalb eine noch unkonventionellere und weitreichendere Geldpolitik machen würden, um eine Depression und eine Deflation zu vermeiden.
Im Laufe der Zeit jedoch werden die fortdauernden negativen Angebotsschocks durch die beschleunigte Entglobalisierung und den neuerlichen Protektionismus eine Stagflation praktisch unvermeidlich machen.
Nouriel Roubini
Von der gefährlichen Stagflation wurde schon zu Beginn der letzten Krise gesprochen. Da der lesenswerte Beitrag in deutscher Übersetzung vorliegt, seien hier nicht alle zehn Trends ausgeführt. Hingewiesen sei darauf, dass Roubini "umweltbedingte Belastungen" als großes Risiko einschätzt.
Die COVID-19-Krise habe gezeigt, dass sie sogar noch "deutlich mehr wirtschaftlichen Schaden" anrichten kann als eine Finanzkrise.
Wiederholte Epidemien (HIV seit den 1980er Jahren, SARS 2003, H1N1 2009, MERS 2011, Ebola 2014-16) sind, wie der Klimawandel, im Wesentlichen menschgemachte Katastrophen, die aus schlechten Gesundheits- und Hygienestandards, dem Missbrauch der natürlichen Systeme und der wachsenden Vernetzung einer globalisierten Welt herrühren.
Nouriel Roubini
Pandemien und viele morbide Symptome des Klimawandels werden in den kommenden Jahren häufiger, schwerwiegender und kostspieliger werden.