Rundfunkbeitrag: 58 Cent mehr im Monat – wofür?
Expertengremium KEF empfiehlt Beitragserhöhung. Mehrere Länder sagen vorab "Nein". Begründung: die politische Stimmung. Journalistisch wäre viel zu tun und mehr Geld besser.
Der Rundfunkbeitrag sollte nach Empfehlung der KEF, die an die Bundesländer verschickt wurde, ab 2025 um 58 Cent steigen. Von monatlich 18,36 Euro auf 18,94 Euro. Das geht aus einem Entwurf der Kommission hervor, deren Aufgabe darin besteht, den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten zu überprüfen und zu ermitteln. Er wurde am Freitag bekannt.
Die dpa-Meldung, die dazu verbreitet wurde, weist ausdrücklich darauf hin, dass das letzte Wort dazu nicht gesprochen ist. Die endgültige Empfehlung steht noch aus. Sie wird erst Anfang nächsten Jahres erwartet und dann entscheiden die Bundesländer. Alle Länder müssen der Beitragshöhe, die in einem Staatsvertrag festgelegt ist, einstimmig zustimmen.
Gut möglich ist, dass das Bundesverfassungsgericht gerufen wird.
Gegenwind
Es wird eine aufgeregte, heftige politische Debatte erwartet. "Das diesjährige Beitragsverfahren ganz offensichtlich kein normales", bewertet die SZ die Lage.
Aus den Ländern bläst Gegenwind zur Erhöhung. Er kommt nicht nur aus dem Osten und nicht nur von konservativen Parteien. Im Süden hat die CSU signalisiert, dass sie eine Erhöhung ablehnt. Der gesetzliche Auftrag könne auch mit den aktuellen Beiträgen "problemlos erfüllt werden".
In Brandenburg ist der SPD-Regierungschef Dietmar Woike ein Hardliner (SZ) gegen die Erhöhung. Sein Staatssekretär, Benjamin Grimm, begründet das Nein aus Brandenburg mit der besonderen politischen Stimmung im Land, wo der RBB enorm Skandal gemacht hat.
(…) der öffentliche Rundfunk kann seiner Bedeutung für unsere Demokratie nur gerecht werden, wenn er breite Akzeptanz hat. Und ich bin mir sicher, dass es keine Akzeptanz dafür gibt, wenn nach anderthalb Jahren RBB-Skandal mit Berichten darüber, wo überall Geld verschwendet wurde bis hin zu Arbeitsverträgen, die gerichtlich als sittenwidrig eingestuft worden sind, dann die nächste Beitragserhöhung auf den Fuß folgt. Das funktioniert so nicht.
Benjamin Grimm
Mit der Akzeptanz ist es auch in Sachsen und Thüringen nicht gut bestellt. Unter diesen Umständen sei eine Erhöhung "nicht vermittelbar", heißt es von den dortigen Regierungen, die sich wie in Brandenburg nächstes Jahr im September den Wählerinnen und Wählern stellen müssen.
Bis auf wenige Ausnahmen gibt es kaum Fürsprecher für eine Erhöhung. Auch wenn es Gründe für eine Erhöhung gibt: etwa ein besseres Programm, mit größerer Vielfalt, mit mehr Korrespondenten. Dazu kommen die gestiegenen Kosten durch die Teuerungen.
Der Zug fährt jedoch in die andere Richtung: Einsparungen heißt das Motto.
"Tausend Einspar-Möglichkeiten": z.B. die Gehälter
Es gebe "tausend Möglichkeiten" dazu, behauptet der brandenburgische Staatssekretär, Benjamin Grimm. Er nennt ein paar: die Einrichtung einer gemeinsamen Mediathek von ARD und ZDF an. Zugleich müssten aber andere Gemeinschaftseinrichtungen auf den Prüfstand und sowieso: "Gehälter bis hin zu den Immobilien".
So zu tun, als wäre die einzige Sparmöglichkeit eine Reduzierung des Auftrags, hält er für irreführend.
Mit den Gehältern spricht Grimm einen Daueraufreger an. Man müsste da allerdings unterschieden, um eine krasse Kluft ins Spiel zu bringen: zwischen den Gehältern, die freie Journalisten für Beiträge bekommen, oder auch angestellte Journalisten und Kameraleute, und denen, die auf der Führungsebene bis hin zur Intendanz ausbezahlt werden.
Die soziale Kluft, Ignoranz und Regierungsnähe
Der Rundfunkbeitrag muss vermittelbar sein. Und dazu gehört, wenn man denn auf ein breites Publikum ausgerichtet sein will, dass die soziale Kluft, deren Ausprägung in allen Lebensbereichen deutlicher sichtbar wird – inklusive bei Bemerkungen, wonach eine 58-Cent-Steigerung doch nicht der Rede wert sind –, auch wahrgenommen und mit Respekt, nicht erzieherisch, behandelt wird.
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Öffentlich-rechtliche Sender: Wer hat die Macht über den Rundfunkbeitrag?
Die Ignoranz der Führungsebenen zeigt sich nicht nur in opulenten Gehältern und selbstherrlichen Ausführungen über ihre Relevanz, sondern auch in einer Berichterstattung, für die Staatsferne nur ein leerer Begriff ist.
Zwar mögen Rundfunkverantwortliche beteuert haben, dass die Berichterstattung über Coronamaßnahmen und die Corona-Krise nach ihren Kriterien sachlich und ausgewogen war. Aber die Faktenfüchse waren einseitig unterwegs: regierungsnah. Für Kritiker gab es Etiketten, die ihre Stimmen abwerteten.
Da war, wie man es beispielsweise an der Diskussion über Maßnahmen an den Schulen oder zur Impfpflicht, zum Verhalten gegenüber denjenigen, die die Impfung verweigerten, viel engagierter Furor am Werk, der sich im Nachhinein nicht als das herausgestellt hat, was als über alles gestellte Richtigkeit ausgegeben wurde.
Der Umgang mit Kritik
Das hinterlässt Spuren bei den Beitragszahlern und ist auch nur ein Beispiel für eine stark vernehmbare Unterströmung an Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern. Zurückhaltung ist gegenüber der voreiligen und oft gehörten, schematischen Abwehr angebracht, die jegliche grundsätzliche Kritik mit den "Zwangsgebühren"-Kritikern auf einen Platz stellt.
Mehr Vielfalt und mehr journalistische Selbstkritik wäre das eine, was den großen Problemfeldern gehört, die zur Reform der öffentlich-rechtlichen Sender angegangen werden müssten, das andere wäre Transparenz, wie dies in einem FAZ-Betrag zum Anker der Demokratie ausgeführt wird.
Die aktuelle Debatte über den Rundfunk müsste in dessen Programmen geführt werden, fordern die Autoren:
Eigene Formate, in denen die Leistungsbilanz und Zukunftsentwürfe der Öffentlich-Rechtlichen kontrovers diskutiert werden, könnten deren erforderlichen Willen zur Selbstreform deutlicher herausstellen und damit auch deren Glaubwürdigkeit steigern. Das weitgehende "Schweigen" der Sender nährt hingegen den Anschein, der ÖRR wolle keine Transparenz her-stellen und sperre sich gegen notwendige Veränderungen.
Florian Grotz, Wolfgang Schroeder, FAZ
Bei einer NDR-Umfrage von Anfang dieses Jahres sprach sich eine Mehrheit von 85 Prozent dafür aus, dass es grundsätzlich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben sollte.
Das ist eine Basis. Man sollte sie nicht aus einer Hirtenposition heraus wie Schäfchen behandeln.