Russische AKWs in Osteuropa besonders vom Jahr-2000-Problem gefährdet
Der amerikanische Geheimdienst CIA lobt sich und sieht sonst weltweit viele Mängel, während das Militär Noteinsätze in Simulationen übt
In einem Bericht für das Government Readiness Subcommittee des Senats gab CIA-Direktor John A.Gordon einen Überblick über den Stand der Dinge bei der Bewältigung des Jahr-2000-Problems in den USA und im Ausland. Das Ziel des Geheimdienstes ist die Sicherstellung, daß Militärs und Politiker keine Unterbrechung des Informationsflusses durch das Y2K-Problem erfahren sollen. Während das Problem für die wichtigen US-Systeme bis zum kritischen Datum weitgehend gelöst werden würde, drohen aber, so Gordon, Störungen in den übrigen Staaten der Welt, die oft erst sehr kurzem auf das Problem aufmerksam wurden oder es noch gar nicht angegangen haben.
Naturgemäß kommen die Geheimdienste im CIA-Bericht gut davon. Insgesamt 1508 Systeme, von denen 546 für die Mission zentral sind, würden überprüft. 85 Prozent der letzteren seien bereits getestet und überholt worden. Nur die Überprüfung von 17 zentralen Systemen würde man zum vorgesehenen Datum nicht leisten können. Auch bei den Computersystemen, die nicht "mission critical" seien, würde man nicht alle zum vorgesehenen Datum überprüft und sicher gemacht haben. Jedes System der Geheimdienste werde aber bis zum kritischen Datum wenigstens getestet sein, versprach Gordon, aber er sei auch sicher, "daß es ein unvorhergesehenes Problem geben wird, das am ersten Tag des neuen Jahrs auftreten und uns bedrohen wird."
Neben der Überprüfung der Computersysteme werden umfassende Notfallpläne für den Übergang vom 31.12 zum 1.1. 2000, vom 28.2. zum 29.2. sowie vom 29.2. zum 1.3. vorbereitet, da das Jahr 2000 überdies noch ein Schaltjahr ist. Die Notfallpläne auf lokaler Ebene erstrecken sich nicht nur auf die behördeneigenen Systeme, sondern auch darauf, daß die Geheimdienstaktivitäten auch dann aufrechterhalten werden können, wenn andere Systeme der Infrastruktur, wie Strom- und Wasserversorgung oder Telekommunikation, ausfallen sollten.
Doch vom Y2K-Problem werden alle Länder betroffen sein, weswegen kein Staat, trotz aller Vorkehrungen vor Störungen immun sei. Gordon räumt ein, daß der CIA noch viel zu wenig Information über die Folgen des Jahr-2000-Problems in anderen Ländern gewonnen habe. Viele Staaten hätten sich dem Problem noch gar nicht zugewandt und wären wegen der enormen Kosten auch gar nicht in der Lage, es wirklich in der kurzen Zeit noch zu lösen. Daher könne man in diesen Staaten nur auf die wahrscheinlichen Problemfelder aufmerksam machen, aber keine Voraussagen anbieten. Überdies würden nur wenige Länder überhaupt an Notfallpläne denken. Die meisten Länder hätten sich auch noch nicht des Problems der eingebetteten Chips angenommen. Am geringsten vorbereitet sei man in Osteuropa, Rußland, Lateinamerika, Afrika, im Mittleren Osten und in einigen asiatischen Ländern, wozu auch China gehört. Das ist ja auch schon fast die ganze Welt.
Auch wenn Westeuropa sich besser gerüstet habe, liege man hier weit hinter den USA zurück, zumal die EU ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Einführung des Euro gerichtet habe. Die Wirtschaftskrise hat die Arbeit in den asiatischen Staaten beeinträchtigt, und in China habe man zu spät angefangen, so daß nicht alle Probleme gelöst werden könnten und man damit rechnen müsse, daß Systeme in wichtigen Sektoren wie der Telekommunikation, der Stromversorgung und dem Bankwesen ausfallen.
Besonders eingehend behandelte Gordon die Situation in Rußland. Er gehe zwar nicht davon aus, daß durch Computerprobleme unbeabsichtigt der Abschuß von Raketen oder Atombomben ausgelöst werden könne, aber es könnten vor allem bei den Sensoren und Steuerungen sowie bei den Frühwarnsystemen Y2K-Probleme auftreten (Nukleare Jahrtausendwende?). Schlimmer sei die Situation bei den russischen Atomreaktoren in Zentral- und Osteuropa. Hier könnten interne Komponenten oder Sensoren betroffen sein, die etwa automatisch die Zufuhr von Kühlwasser regeln. In vielen Komponenten wie Pumpen oder Generatoren befinden sich eingebettete Chips. Probleme könnte es auch geben, wenn die Reaktoren keinen Strom mehr von außen erhalten. Zu den besonders gefährdeten Reaktoren gehöre auch das noch in Betrieb befindliche Kraftwerk in Tschernobyl. Man habe den Russen zwar Hilfe angeboten, aber diese sei bislang nur zögerlich angenommen worden. Gefährdet könnte auch das Gas-Pipeline-Netzwerk von Gazprom sein, das ein Drittel der europäischen Gasversorgung liefert. "Der zeitliche Zusammenfall von weitverbreiteten, mit dem Y2K-Problem verbundenen Störungen im Winter 1999-2000 in Rußland und in der Ukraine mit den fortbestehenden ökonomischen Problemen, Lebensmittelengpässen und der jetzt schon schwierigen Situationen für die Bevölkerung könnte zu großen humanitären Problemen für die Staaten führen."
Auch wichtige ölexportierende Länder haben sich ungenügend dem Jahr-2000-Problem gewidmet. Die Ölproduktion liege zwar in den Händen von großen multinationalen Unternehmen, aber sei sehr abhängig von Informationstechnologien und komplexen Systemen, die eingebettete Chips verwenden, sowie von Häfen, Schiffen und der Infrastruktur der einzelnen Länder. Große Häfen und Schifffahrtslinien aber gehören zu den Sektoren, die angeblich sich bislang am wenigsten auf das Y2K-Problem vorbereitet haben.
Auf jeden Fall haben auch die Geheimdienste mit dem Jahr-2000-Problem eine neue Aufgabe gefunden. Man werde, so Gordon, weiterhin intensiv alle Informationen über die Situation und die möglichen Risiken sammeln, wodurch auch die Voraussagen genauer werden.
Auch das amerikanische Militär bereitet sich auf Störungen durch das Jahr-2000-Probleme vor. Mit einem Simulationssystem namens "Positive Response" will man sich darauf vorbereiten, welche Unterstützung die Sicherheitskräfte und die Nationalgarde vom Militär in Notfällen erwarten können. Einige Bundesstaaten haben bereits Vereinbarungen über die Unterstützung durch die Nationalgarde für Notfälle getroffen. Eine weitere Simulation läßt Entscheidungsträger verschiedener Behörden "vernünftige Schlimmstfallszenarien" durchleben, damit die Teilnehmer ein besseres Verständnis für mögliche Folgen des Y2K-Problems für die nationale Sicherheit gewinnen.