Russische Flüssiggas-Exporte nach Europa um 46 Prozent gestiegen

Russland sollte der Geldhahn abgedreht werden, doch nicht nur die Atomgeschäfte boomen. Laut einem französischen Medienbericht versorgt der Konzern TotalEnergies Frankreich und Europa reichlich mit russischem LNG.

Eigentlich sollten, nimmt man die offiziellen Verlautbarungen aus Brüssel, Paris und Berlin ernst, die Geldhähne für Russland nach dem Angriff auf die Ukraine abgedreht werden. Doch fiel auch bisher schon auf, dass der Atomsektor komplett aus den Sanktionen ausgenommen wurde. Wie es aussieht, wird sich daran auch nichts ändern.

Auch im zehnten Sanktionspaket der EU gegen Russland wurden keine Einschränkungen für die russische Atomwirtschaft verhängt.

Sowohl der EU-Rat als auch die EU-Kommission sind damit der Aufforderung des EU-Parlaments nicht nachgekommen und haben wieder einmal gezeigt, was sie von der Aufforderung der gewählten Vertreter halten. Das Parlament hatte Anfang Februar auch Sanktionen gegen russische Staatsunternehmen wie Rosatom gefordert, die weiterhin stark und expandierend auf dem europäischen Markt aktiv sind.

Die US-Publikation aus dem Haus Springer, Politico, hatte schon vor der Bekanntgabe des zehnten Pakets davon berichtet, dass die Sanktionspläne für Atomgeschäfte aufgegeben worden seien.

Deutsche Medien schreiben gleichwohl weiter davon, dass die EU angeblich jetzt ihre "Aufmerksamkeit auf Russlands Atomindustrie" richten würde. So könnte der Atomkonzern Rosatom, der für "Wirtschaft und Militär von zentraler Bedeutung" sei, bald "Ziel westlicher Sanktionen" sein.

Die Energieinteressen Frankreichs

Doch das zeigt bestenfalls Wunschdenken und hat mit der Realität und den Kräfteverhältnissen wenig zu tun. Für das Scheitern der Pläne, auch den Atomsektor zu sanktionieren, wurde schließlich ein angebliches Veto aus Ungarn angeführt.

Dabei ist doch allen klar, dass vor allem das viel einflussreichere Frankreich keinerlei Interesse an solchen Sanktionen hat. Denn die ohnehin marode Atomflotte ist auch von Uran-Lieferungen aus Russland abhängig.

Es ist kein Zufall, dass Uran und die Atomgeschäfte des Kremls nicht auf der Sanktionsliste zu finden sind und dort auch weiterhin nicht auftauchen werden. Tatsächlich boomt das russische Atomgeschäft nämlich, wie zum Beispiel die Nachrichtenagentur Bloomberg ermittelt hat.

"Russlands Nuklearexporte sind seit der Invasion in der Ukraine sprunghaft angestiegen", wird dort berichtet. Die Einnahmen des Kremls seien erhöht und der Einfluss auf eine neue Generation globaler Käufer gefestigt worden. Die Verkäufe ins Ausland seien 2022 um 20 Prozent gestiegen und die "Käufe der Europäischen Union erreichten den höchsten Stand seit drei Jahren".

Damit wäre die Doppelzüngigkeit eigentlich schon ausreichend beschrieben. Aber die lässt sich auch im Gasgeschäft wunderbar aufzeigen, das mit der Taxonomie einem "Greenwashing" unterzogen wurde.

Auch hier rückt Frankreich ins Blickfeld, denn das Land ist wie Spanien besonders hungrig nach russischem Gas. Telepolis hatte im vergangenen Herbst schon aufgezeigt, dass Spanien seine Importe aus Russland massiv gesteigert hat. Hatte das Land vor dem Krieg noch zehn Prozent seines Gases aus Russland importiert, waren es im vergangenen Sommer sogar schon fast 25 Prozent.

So viel Gas hatte das Land noch nie aus Russland importiert. Russland war hinter den USA auf den zweiten Rang vorgerückt. Im gesamten Kriegsjahr 2022 haben die Importe aus Russland nach Spanien um 45 Prozent zugenommen.

Es scheint, dass Spanien keinen Konflikt mit Russland hat, dafür aber mit Algerien. Das Land war früher stets der wichtigste Gaslieferant Spanien. Nun sind es die USA. Die liefern das besonders umweltschädliche LNG-Flüssiggas, das über Fracking gewonnen wird. Das wird dann per Tanker zu den Regasifizierungsanlagen nach Spanien gebracht.

Dieses Gas fließt zum Teil längst nach Frankreich und nach Deutschland weiter und die Leitungskapazitäten sollen unter dem Wasserstoff-"Etikettenschwindel" ausgebaut werden.

Zum Teil wird das Gas auch in Spanien verstromt, um dann ins strombedürftige Frankreich geleitet zu werden (vgl. Blackout-Gefahren steigen in Frankreich). Auch aus Deutschland fließt längst viel Strom, der über Kohle oder Gas erzeugt wurde, über die Grenze.

Die Gas-Geschäfte zeigen ihre ganz besonderen Seiten beim Konzern TotalEnergies. Es handelt sich um das achtgrößte Industrieunternehmen weltweit.

Der Konzern macht derzeit gute Geschäfte mit Gas aus Russland. Die französische Publikation Mediapart hat die dazugehörige politische Doppelbödigkeit, man könnte auch von Heuchelei sprechen, aktuell in einem ausführlichen Artikel herausgearbeitet.

LNG: "paradoxerweise sehr viel aus Russland"

Demnach wurden zwar die Einfuhren von russischem Pipelinegas – auch nach EU-Angaben – inzwischen zwar drastisch gegenüber dem Vorjahr reduziert. Dafür komme, so Mediapart, aber nun sehr viel LNG-Gas aus Russland nach Europa.

Herausgestellt wird in dem Artikel, dass das angebliche Ziel gewesen sei, "die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden" und "die Klimakrise zu bekämpfen". Zitiert wird die EU-Kommission, die noch im vergangenen Oktober erklärte:

Die EU kann nicht weiterhin von einem Lieferanten abhängig sein, der unsere Werte und den Frieden in Europa offen missachtet.

EU-Kommission

Um den Ausfall von Pipeline-Gas aus Russland zu kompensieren, war vorgeschlagen worden, die Versorgungsquellen zu diversifizieren, insbesondere "durch die Erhöhung der Einfuhren von Flüssiggas (...) von nicht-russischen Lieferanten".

In aller Eile wurden vor einem Jahr dann Lieferverträge mit den USA und Katar unterschreiben und LNG-Importterminals wie in Deutschland aus dem Boden gestampft.

Werden die EU-Daten etwas genauer untersucht, wie es das Netzwerk Friends of the Earth getan hat, wird klar, dass aber "paradoxerweise" Russland im vergangenen Jahr "zum zweitgrößten LNG-Lieferanten für europäische Länder" geworden ist.

So sind selbst nach EU-Angaben die LNG-Importe aus Russland nach Europa zwischen Januar und September 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2021 um 46 Prozent gestiegen. Und wie längst auch schon an anderen Stellen herausgearbeitet worden war, war der Preis für dieses Gas viel höher als für das Pipeline-Gas.

"Von Januar bis September gab die EU einen Rekordbetrag von 12,5 Milliarden Euro für russisches LNG aus – fünfmal mehr als im Jahr zuvor", rechnet die Finanzwelt vor.

Deutlicher kann eigentlich nicht klargestellt werden, wie absurd die Politik ist, die Russland angeblich den Geldhahn zudrehen will und damit für eine hohe Inflation und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten in Europa gesorgt hat.

Deshalb sprechen die Friends of the Earth von einem "wahren Unfug", da der Wechsel auf LNG "politisch mit der Notwendigkeit begründet wurde, unsere Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine zu beenden".

Mediapart erklärt diese "Absurdität" mit der Tatsache, dass es zwar ein Embargo gegen russische Kohle und russisches Öl gibt, aber keine Sanktionen gegen russische Gasimporte.

Die NGO Friends of the Earth stellt auch heraus, dass der Nutznießer dieser Politik vor allem die USA sind. Der größte Gasproduzent weltweit hat endlich einen riesigen Abnehmer für besonders klimaschädliches Frackinggas gefunden. Die USA hätten ihren Export nach Europa gegenüber 2021 im vergangenen Jahr sogar um 171 Prozent gesteigert, Russland immerhin um 46 Prozent, während Katar nur einen eher bescheidenen Zuwachs von sieben Prozent verzeichnet hat.

Frankreich: LNG im Wert von 3,7 Milliarden Euro aus Russland seit Kriegsbeginn

Frankreich spielt bei der Einfuhr von russischem LNG-Gas eine besondere Rolle. "Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Frankreich LNG im Wert von 3,7 Milliarden Euro aus Russland bezogen", streicht die NGO in Bezug auf Schätzungen des Centre for Research on Energy and Clean Air heraus.

Damit sei Frankreich ausgerechnet im Kriegsjahr zum fünftgrößten europäischen Importeur von russischem Gas aufgestiegen.

Die Regierung baut bei der Belieferung mit russischem LNG auf TotalEnergies, denn der französische Multi "ist faktisch Eigentümer der russischen LNG-Anlagen im Gassektor", unterstreicht Mediapart.

Zwar behaupte der Konzern, sich als Reaktion auf die russische Aggression gegen die Ukraine aus den Öl- und Gasfeldern Charyaga und Termokarstowoje zurückgezogen zu haben, real besitze TotalEnergies aber immer noch jeweils etwa 20 Prozent des Kapitals des russischen Gasproduzenten Novatek und des Yamal LNG-Konsortiums.

Das Konsortium habe mit 21 Millionen Tonnen exportiertem LNG sogar einen Produktionsrekord erreicht. Für Bloomberg hatten Experten die Daten aus dem LNG-Tankerverkehr analysiert und das Resultat war, dass ein Viertel dieser Produktion direkt nach Frankreich exportiert worden ist. Damit lag das Land sogar noch vor China mit 23 Prozent. Großbritannien habe dagegen nach Auswertung der Daten alle Gaslieferungen von Yamal LNG eingestellt, als der Krieg ausbrach.

Mediapart streicht heraus, dass trotz der Russland-Sanktionen TotalEnergies 2022 aus den Beteiligungen insgesamt 1,5 Milliarden Dollar an Dividenden eingestrichen haben. Insgesamt mache die Firma mitten im Krieg Milliardengewinne mit einem Produkt, das als "Klimabombe" bezeichnet wird.

Unterstrichen wird auch in diesem Artikel, dass LNG, auf das auch die angeblich grünen Klimaschützer in Deutschland setzen, "äußerst schädlich für das Klima" ist. Denn bei der Produktion "werden riesige Mengen Methan freigesetzt".

Dieses Treibhausgas sei über 20 Jahre lang sogar 84 Mal schädlicher für das Klima als CO2.

"Der Kohlenstoff-Fußabdruck von LNG ist 2,5 Mal höher als der von Pipeline-Gas."

So lässt sich konstatieren, dass wir nun für teureres Geld eine noch klimaschädlichere Politik betreiben. Dabei wird nicht, wie behauptet, der Geldhahn für Russland abgedreht, allerdings machen die USA jetzt das ganz große Geschäft.