Russische Teilmobilmachung oder nur Kanonenbootdiplomatie?

Seite 3: Internationale Reaktionen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion verzichtete die Ukraine auf die auf ihrem Territorium stationierten strategischen Atomstreitkräfte und trat dem Atomwaffensperrvertrag bei. In diesem Zusammenhang wurde am 5. Dezember 1994 am Rande einer KSZE-Konferenz in Budapest das so genannte "Budapester Memorandum" über Sicherheitsgarantien für die Ukraine unterzeichnet. Darin verpflichteten sich die USA, Russland und Großbritannien, die Sicherheit und die territoriale Integrität der Ukraine als eines Nichtkernwaffenstaates zu garantieren.

Ob sich die drei Garantiemächte an ihre völkerrechtlichen Zusagen halten werden, bleibt abzuwarten. Angesichts der gegenwärtigen Krise und ihres Eskalationspotentials fielen die internationalen Reaktionen - je nach politischer Couleur - sehr unterschiedlich aus.

Russland

In vertraulichen Telefonaten mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem britischen Premier David Cameron und dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy brachtee der russische Präsident Wladimir Putin seine Besorgnis über die Lageentwicklung auf der Halbinsel Krim zum Ausdruck. Eine Eskalation müsse unbedingt verhindert werden, forderte Putin nach Pressemeldungen. Gleichzeitig beklagte sich die russische Regierung, die USA wollten der Ukraine unter dem Vorwand einer Demokratisierung einen "westlichen Entwicklungsvektor" aufzwingen.

Dadurch sieht die Moskauer Führung ihre Prädominanz über die Ukraine schwinden. Die russische Staatspropaganda warf der ukrainischen Opposition vor, sie wäre von Hitler-Faschisten unterwandert. Die Auszahlung eines bereits zugesagten Staatskredits wird verweigert. Für den Fall von - durch den russischen Militärgeheimdienst GRU initiierten - Unruhen will sich die Regierung in Moskau als Schutzmacht für die russische Bevölkerung auf der ukrainischen Halbinsel Krim aufspielen. So erklärte Leonid Sluzki, Vorsitzender des Duma-Ausschusses für die Angelegenheiten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS): "Ich denke, Sie seien sich darüber im Klaren, dass Russland in diesem Fall nicht abseits stehen wird."

Außerdem ergriff das russische Parlament auf Vorschlag der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR) eine juristische Initiative, um die Krim zu annektieren. Die Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete dazu am 28. Februar:

Die russische Staatsduma (Parlamentsunterhaus) will nicht nur die Einbürgerung von Ukrainern, sondern auch die Eingliederung neuer Mitglieder der Föderation erleichtern, schreibt die Zeitung "Kommersant" am Freitag. Nach jetzigem Stand kann der Beschluss über die Eingliederung eines anderen Landes bzw. eines Teils davon nach gegenseitigem Einverständnis erfolgen und durch einen völkerrechtlichen Vertrag bestätigt werden. Bei einem vereinfachten Verfahren würde für die Eingliederung allein der Wille des Volkes in Form eines Referendums ausreichen.

Dazu behauptete der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma in Moskau, der als Hardliner bekannte Alexej Puschkow: "Die Stimmungen der Mehrheit der Krim-Bevölkerung sind vollkommen eindeutig: Die Menschen wollen nicht in der 'neuen' ukrainischen Demokratie bleiben."

Der russische Militärexperte Anatoli Zyganok entwarf folgendes Szenario: "Die ukrainischen Rechtsradikalen könnten eine Provokation gegen russische Marinesoldaten in Sewastopol organisieren, so dass unsere Militärs darauf reagieren würden. Dann könnte aber die Nato die Ukrainer in Schutz nehmen."

NATO

Demgegenüber strebt die NATO eine nähere Anbindung der Ukraine an das Bündnis an. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte dazu am 27. Februar 2014:

Bei dem heutigen Treffen der Kommission Nato-Ukraine haben wir unsere Absicht bekräftigt, unsere Partnerschaft im Rahmen der Kommission zu entwickeln. (…) Wir haben eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Ukraine im Bereich der Reformierung des Verteidigungssektors. Die Ukraine nimmt an Nato-Operationen teil. Heute haben beide Seiten erneut bekräftigt, dass wir weiterhin bereit sind, unsere Beziehungen zu entwickeln.

Gleichzeitig mahnte der Nato-Generalsekretär Russland zur Zurückhaltung: "Ich fordere Russland dringend auf, keine Handlungen zu unternehmen, die Spannungen verschärfen oder zu Missverständnissen führen können."

Auch der amerikanische Regierungssprecher Jay Carney warnte am 28. Februar die Regierung in Moskau, eine Intervention hätte unkalkulierbare Folgen:

Wir warnen Russland auch vor der Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt gegen andere Länder. Wir rufen alle Staaten auf, von Handlungen abzusehen, die ein falsches Kalkül zur Folge haben könnten.

Auch Präsident Obama zeigte sich "tief besorgt" über die Berichte von militärischen Bewegungen Russlands in der Ukraine. Er warnte, es würden bei einer Intervention Kosten entstehen: "Jede Verletzung der Souveränität der Ukraine würde zu einer massiven Destabilisierung führen."

Deutschland

Die neue deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen warnte am 27. Februar 2014: "Es ist jetzt wichtig, dass vor allem ein Auseinanderbrechen der Ukraine verhindert wird, und dass die besonnenen Kräfte im Land gestärkt werden. (…) Wir sehen das (gemeint sind die russischen Truppenbewegungen, G. P.) mit Sorge und mit Aufmerksamkeit. Das ist ein Muskelspiel, das dort gespielt wird."

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).