Russland: Kann die Antikriegsbewegung Putin bei den Wahlen herausfordern?
Seite 2: Unzufriedenheit kann Erfolge erzielen
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Die Macht von Wahlaufrufen der Unzufriedenen außerhalb von Putins Herrschaftssystem soll nicht unterschätzt werden. Der russische Soziologe Boris Kagarlizky ist in einem Interview überzeugt, dass das schon zum Erfolg führte. So sei auch Sergej Furgal zum vom Kreml ungeliebten Gouverneur der Fernostmetropole Chabarowsk gewählt worden.
An sich ebenfalls für kremlnahe Kräfte aufgestellt, wurde er zu einer Symbolfigur der wirklich Unzufriedenen und seine spätere Absetzung durch Moskau brachte Menschenmassen auf die Straße.
Furgals Zustimmung sei laut Kagarlizky erst kurz vor der Wahl explodiert, ebenso wie die Wahlbeteiligung, als die Unzufriedenen in die Wahllokale strömten und dem Vertreter der Putinpartei "Einiges Russland" eine Niederlage bescherten. Dass das für die Akteure nicht ungefährlich ist, zeigt die Tatsache, dass Furgal aktuell ebenso in Haft sitzt wie Boris Kagarlizky, der seinen Wahlgewinn so treffend analysierte.
Wladislaw Dawankow ist dabei kein persönliches Steckenpferd von Nadeschdin. Auch die einzig aktuell mögliche Straßenopposition gegen den Krieg, die Ehefrauen von Zwangsmobilisierten, besuchten Dawankows Wahlkampf-Hauptquartier.
Verschiebungen bei den Wählerstimmen werden bereits nach diesen ersten beiden Kontakten sichtbar. Eigentlich wurde Dawankow als sicheres Schlusslicht unter den Präsidentschaftskandidaten gehandelt, da er sowohl der unbekannteste als auch der mit der kleinsten Unterstützungspartei war.
Dawankow als plötzliche Nummer zwei hinter Putin
Nun überraschte die neuste Wahlumfrage des staatlichen Instituts WZIOM mit der Nachricht, dass Dawankow die Nummer zwei hinter Amtsinhaber Putin sei, mit aktuell fünf Prozent Unterstützung. Sollte die Abstimmung für Dawankow in Russland zu einem Symbol für die Ablehnung des ukrainischen Krieges werden, ist für den bisher unscheinbaren Politiker wesentlich mehr drin.
Dabei soll nicht der Eindruck erweckt werden, jemand wie Dawankow könne oder wolle überhaupt das System Putin erschüttern. Der Langzeitpräsident landete bei derselben Umfrage, die aufgrund staatlicher Durchführung und Angst von Regimegegnern mit Vorsicht zu genießen ist, bei 75 Prozent Unterstützung.
Alle großen Medien, das gesamte Politestablishment bis in die Provinz, arbeitet ausschließlich für Putin und damit für den eigenen Machterhalt. Dawankow selbst ist ja Teil dieses Systems, nur eben etwas liberaler und aufgeschlossener als andere Vertreter.
Stiller Protest
Doch die konzentrierte Abstimmung für Dawankow könnte den frustrierten und oft resignierten Kriegsgegnern in Russland eine Möglichkeit geben, Präsenz in der Bevölkerung zu zeigen, ohne dafür einen Haftaufenthalt zu riskieren.
So wie es auch über 200.000 Russen getan haben, die Nadeschdin mit ihrer Unterschrift unterstützt haben. Einen Mann, den vor einigen Monaten nur absolute Insider der russischen Politik überhaupt dem Namen nach kannten.
Die Freiheit, jemand anderen als Putin bei der Wahl anzukreuzen, ist hier ein wichtiges Relikt der russischen Demokratie. Dass die Bewerber vom System vorgegeben sind, ist allerdings ein wichtiger Hemmschuh – denn wie viele Unzufriedene am Ende doch daheim bleiben, wird man erst nach der Wahl wissen. Akteure wie Dawankow oder Nadeschdin haben nun etwas Einfluss darauf.