Russland, Ukraine, Sowjetunion: Streit um Flaggen am Tag der Befreiung
Erst alles rund um Berliner Ehrenmale verboten. Dann erlaubt ein Gericht ukrainische Flaggen – kurz darauf russische und sowjetische. Diesen Beschluss focht die Polizei an.
Die Sowjetunion als Teil der Anti-Hitler-Koalition existiert nicht mehr – zu den Gefallenen der Roten Armee gehörten Russen und Ukrainer, damals alle mit sowjetischer Staatsbürgerschaft. Wie das Gedenken in Berlin am Jahrestag der Befreiung 2023 auszusehen hat, ist durch den aktuellen Krieg der Russischen Föderation in der Ukraine zum Gegenstand eines Rechtsstreits vor deutschen Gerichten geworden.
Zunächst hatte die Berliner Polizei in einer Allgemeinverfügung das Mitführen von Flaggen beider Staaten sowie militärischer Abzeichen rund um die Sowjetischen Ehrenmale in Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide für die Gedenktage am heutigen 8. Mai und am 9. Mai untersagt.
Gleiches galt für Symbole der 1991 aufgelösten Sowjetunion, die der deutsche Angriffskrieg in den Jahren 1941 bis 1945 rund 27 Millionen Menschenleben gekostet hatte. Auch das Absingen von Liedern aus den Kriegsjahren, die über Jahrzehnte bei Gedenkveranstaltungen auch in Deutschland gesungen worden waren, wurde zunächst verboten.
Verbote vorerst aufgehoben
Das Verwaltungsgericht Berlin hob am Wochenende aber zunächst das Verbot ukrainischer Symbole auf, nachdem der ukrainische Verein "Vitsche" in einem Eilantrag dagegen geklagt hatte.
Kurz darauf hob das Gericht auch das Verbot russischer und sowjetischer Symbole vorerst wieder auf. Gegen diese Entscheidung hat die Polizei allerdings vor dem Oberverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt – jedenfalls russische Flaggen betreffend. Nach eigenen Angaben befürchtet die Polizei Spannungen und will 1.500 Beamtinnen und Beamte rund um das Weltkriegsgedenken in der deutschen Hauptstadt einsetzen.
Der russische Botschafter Sergej Netschajew hatte in einer Stellungnahme gegen das "Verbot von Symbolen des Tages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg" protestiert und daran erinnert, "dass die Sowjetunion für den friedlichen Himmel mit dem Leben von 27 Millionen ihrer Bürger gezahlt hat, die in Hitlers Vernichtungskrieg auf den Schlachtfeldern fielen, in unerträglicher Zwangsarbeit, an Hunger und Krankheiten starben sowie erschossen, verbrannt und zu Tode gequält wurden".
Ukrainischer Botschafter legt keine Blumen an sowjetische Ehrenmale
Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev und weitere Diplomaten wollen nach Angaben der Botschaft in diesem Jahr bewusst darauf verzichten, Kränze und Blumen an sowjetischen Gedenkstätten niederzulegen. Makeiev will aber an einem Gedenkakt mit Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an der Gedenkstätte Neue Wache teilnehmen und alte Graffiti von Kämpfern der Roten Armee im Reichstagsgebäude besichtigen.
Am Abend will sich Makeiev einem Gedenkmarsch für ukrainische Opfer des Zweiten Weltkriegs anschließen.
Die deutsche Wehrmacht hatte am 8. Mai 1945 ihre bedingungslose Kapitulation gegenüber den Streitkräften der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und Frankreichs erklärt. Weil die nächtliche Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde nach Moskauer Zeit auf den 9. Mai fiel, wird in Russland der Tag des Sieges traditionell an diesem Tag begangen.