Russland: Zwischen Auslandseinfluss und Souveränität

Seite 3: Politische Zwecksetzung und politischer Budgetanteil der von 1993 - 2000 aufgelegten Pauschalprogramme USAID Grants, Freedom Support Act, Peace Corps

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Frage nach dem Umgang mit diesen Programmen wurde vor folgendem Hintergrund gelöst:

Der mitintendierte politische Gehalt der zwei nachfolgend skizzierten Globalprogramme steht zumindest grundsätzlich nicht in Frage:

Die Zweckbestimmung des Freedom Support Act/FSA ist regierungsseitig (THE WHITE HOUSE; April 1, 1992 FSA 1992, Fact Sheet) eindeutig definiert als ein großer Kreis von Programmen zur Unterstützung von demokratischen Reformen und Reformern sowie der freien Marktwirtschaft. Der FSA, ein US-Gesetz, ermächtigt die Bildung von Nichtregierungsorganisationen, die der Leitung der US-Regierung unterstehen und dabei Regierungspolitik ausführen sollen.

I am proud that the United States has this historic opportunity to support democracy and free markets in this crucially important part of the world… This democratic peace will be built on the solid foundations of political and economic freedom in Russia… We must continue to support reformers in Russia…This is an investment in our future as well as theirs…This bill will allow us to establish a broad range of people-to-people exchanges designed to bury forever the distrust and misunderstanding that characterized our previous relations with the former Soviet Union. The bill also authorizes the creation of supposedly nongovernmental entities - the Democracy Corps and a foundation that will conduct scientific activities and exchanges - that would be subject to Government direction, established to carry out Government policies, and largely dependent on Government funding.

Präsident George H. Bush am 24. Okt. 1992 bei der Unterzeichnung des Gesetzes

Dem Vorläufer des Freeedom Support Act (1999-2000), den USAID-Grants (1993-1998), kann dieselbe Funktion und Zwecksetzung wie dem FSA zugeordnet werden, da alle übrigen Aktivitäten in den Jahren 1993-1998 eindeutig bestimmten anderen Kategorien und Sektoren zugeordnet sind (Commodity Assistance, Humanitarian, Health etc.). Und bei realistischer Betrachtung kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade auf dem Governance-Feld jegliche Aktivitäten zu Demokratie, Zivilgesellschaft, Wahlen etc. in den Jahren 1993-1998 unterblieben sind.

Wie den Ausführungen von Präsident George H. Bush zu entnehmen ist, ging es beim FSA um die Fortsetzung der bisherigen Unterstützung von Reformern ("continue to support reformers") und das FSA-Gestz diente gerade auch dazu, künftige Operationen - anders als die bereits 1993-1998 unternommenen Aktivitäten - auf ein verfassungsrechtlich gesichertes Fundament zu stellen.

Das Peace-Corps-Programm wurde 1961 als unabhängige Bundesbehörde der USA gegründet und diente zunächst im Kalten Krieg dazu, insbesondere in den dem Sozialismus zuneigenden Staaten Südamerikas für das US-amerikanische System "die Herzen und Köpfe zu gewinnen". Mit dem sich abzeichnenden Beginn des Untergangs der Sowjetunion im Jahr 1989 startete George H. Bush spezielle Peace-Corps-Programme in Osteuropa, Zentralasien und insbesondere Russland. Kevin Quigley (zuvor stellvertretender Vorsitzender des Beratenden Ausschusses für Freiwillige Auslandshilfe der USAID und Mitarbeiter an der Carnegie Endowment for International Peace) und Lex Rieffel (ein Experte für US-Außenhilfsstrategie und internationalen Freiwilligendienst) schrieben unter der Überschrift "Eine intelligente Investition in Soft-Power" in The Brookings Institution: Global Views. No. 5 of 54. September 2008 :

Eine kritische Herausforderung für den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten wird sein, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass wir mehr daran interessiert sind, ein zuverlässiger Partner als eine militärische Supermacht zu sein. Unsere Zukunft, Sicherheit und unser Wohlstand hängen von dem Erfolg dieser Bemühungen ab. Eine Umkehrung der negativen Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten erfordert in vielen Teilen der Welt einen Instrumentenmix aus Hard Power und Soft Power. Das Peace Corps ist seit seiner Gründung eine der wirksamsten Formen der amerikanischen Soft Power geworden.

Eine intelligente Investition in Soft-Power

Quigley hält das Peace Corps bei der Beeinflussung ausländischer Öffentlichkeiten für wirkungsvoller als Geldzahlungen an mit den USA sympathisierende Journalisten. ("Nor will payments to sympathetic journalists in places like Iraq have much impact. There is one exception, however…That program is the Peace Corps.")

Peace Corps fungierte unter dem Deckmantel von Themen wie Gesundheit, Bildung, Wirtschaft und Entwicklung in dem jeweiligen Empfängerland auch als ein Vehikel der Vereinigten Staaten, mit dem in die inneren Angelegenheiten von Staaten eingegriffen wurde. Peace Corps ist nicht (nur) eine internationale Entwicklungsorganisation, sondern eine US "Public Diplomacy"-Agentur (siehe dazu eingehender unten). In Russland war Peace Corps aktiv in den Jahren 1993 bis 2003, unter anderem auch in Zusammenarbeit mit mehreren NGO's. Bereits im Jahr 2002 beschuldigte der russische Inlandsgeheimdienst FSB das Peace Corps der Spionage, es habe versucht, Informationen über russische Beamte zu sammeln (The Moscow Times, 16. Dezember 2002).

Zur quantitativen Abschätzung des politischen Gehalts der vorstehend genannten Programme kann das in zeitlicher Nachfolge von USAID-Grants (1993-1998) und Freedom Support Act (1999-2000) ab 2001 gestartete weitere Programm "Assistance For The Independant States Of The Former Soviet Union" herangezogen werden (hier abgekürzt: Ass. IS FSU). Dieses Programm wird in der US-Auslandshilfe als eigenständiges Finanzierungskonto geführt. Es stellt unter den Programmen mit spezifizierter Auflistung von Kategorien/Sektoren/Zwecken und Aktivitäten im Rahmen der für Russland aufgelegten US-Programme mit 1,6 Mrd. Dollar das größte Programm dar.

Da die von diesem Programm finanzierten Aktivitäten aufgrund der eindeutigen Spezifikationen politischen und nicht politischen Zwecken zugeordnet werden können, lässt sich ein Anteil der politischen Aktivitäten an den finanziellen Gesamtaktivitäten dieses Programms von rund 49,5% ermitteln. Da das Programm Ass IS FSU sich als zeitliche und inhaltliche Fortsetzung der pauschalen Vorläuferprogramme darstellt und im Übrigen das finanzstärkste Programm mit eindeutig ermöglichter Zuordnung von Maßnahmen mit politischem impact ist, wurde dieser Schlüssel von rund 49,5% Anteil für politische Aktivitäten auch auf diese beiden Vorläuferprogramme angewandt und ebenso auf Peace Corps.

Es gibt im Übrigen innerhalb des Progamms Ass IS FSU (1,6 Mrd.) einen kleineren Anteil von "konkreten" Aktivitäten im Umfang von $ 34,6 Mio., die in diesem Programm in Kategorie/Sektor Other/Multisector Aid selbst wiederum nur pauschal als "Ass IS FSU" deklariert sind. Diese wurden in dieser Untersuchung selbst mit einem Anteil von 49,5% dem politischen Bereich zugeordnet.

Die für die Jahre 1996-2000 ermittelten Größenordnungen der politischen Investitionsbudgets bestätigen diesen Ansatz, denn in diesen fünf Jahren von 1996-2000 liegen die Budgets auf einem Niveau, das mit denen in der Folgezeit ab 2001 sehr gut korrespondiert (zwischen $ 35 und 90 Mio).

Dagegen können die ersten drei Jahre der Anlaufphase 1991-1993 mit ihren sehr geringen Budgets (zwischen $ 500 Tsd. und 11 Mio.) außer Betracht bleiben. Ausreißer nach oben sind lediglich die zwei Jahre der eigentlichen Startphase 1994/5 mit außergewöhnlich hohen Budgets (451 bzw. 143 Mio. Dollar). Ob sich dies durch die Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen in 1995/1996 erklären lässt, bleibt Spekulation.

Im Weiteren wurde daher mit dem 49,5%-Ansatz verfahren, da dies in Bezug auf die vier konkret aufgelegten Programme mit ihren konkret ausgewiesenen Budgets eine präzisere Analyse erlaubt. Aufgrund dessen sind die vorstehend angesprochenen Programme mit folgenden Summen berücksichtigt:

Es gibt im Übrigen innerhalb des Programms Ass IS FSU (1,6 Mrd.) einen kleineren Anteil von $ 34,6 Mio., bei dem in Kategorie/Sektor "Other/Multisector Aid" die konkreten Aktivitäten selbst wiederum nur pauschal als "Ass IS FSU" deklariert sind. Diese Aktivitäten wurden ebenso mit einem Anteil von 49,5% dem politischen Bereich zugeordnet.