Russland kündigt neuen Hilfskonvoi an
Zudem wird die Nachricht verbreitet, dass russische "Friedenstruppen" für einen Einsatz im Ausland vorbereitet seien
Moskau scheint am Erfolg des Hilfskonvois Gefallen gefunden zu haben und hat die ukrainische Regierung benachrichtigt, einen weiteren Konvoi mit Hilfsgütern schicken zu wollen. Nachdem die ukrainische Regierung die Einfahrt über Tage hinweg verzögert hatte, war der Konvoi auch ohne Erlaubnis von Kiew und ohne Begleitung durch den ICRC nach Lugansk gefahren. Das ICRC hatte den Konvoi wegen fehlender Sicherheitsgarantien und den anhaltenden Kämpfen in Lugansk nicht begleitet, beklagt weiter den Artilleriebeschuss von Wohngebieten und weist auf die katastrophale Situation der Bevölkerung hin. Ob das ICRC die Hilfsgüter in Lugansk verteilt oder ob dies nur Mitarbeiter der "Volksrepublik" machen, ist nicht ganz klar. Hoffnungen auf eine politische Lösung setzte heute der Interims-Präsident und Sprecher des Parlament Turtschinow ein Ende. Er sagte, "nur die ukrainischen Streitkräfte und die Nationalgarde können den Krieg beenden und Lugansk und Donezk befreien".
Außenminister Lawrow erklärte, man habe gegenüber Kiew die Güter aufgelistet und hoffe auf eine "faire Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden" und darauf dass es dieses Mal nicht so lange dauern werde. Das ICRC wolle seine Aktivitäten verstärken, Russland sei interessiert, einer der Spender zu sein, nach Lawrow wird die Verteilung der in Lugansk befindlichen Hilfsgüter vom ICRC geleitet. Keine Hilfe zu leisten, wäre eine Verletzung des internationalen Rechts. Er forderte auch ausländische Behörden und Schauspieler zu Spenden auf.
Kiew hat die Einfahrt des russischen Konvois zwar mit scharfen Worten u.a. als "Invasion" verurteilt, auch von EU und den USA wurde die russische Aktion gerügt. Aber man musste sie gewähren lassen, um nicht in den Verdacht zu geraten, den Menschen in ihrer verzweifelten Lage nicht helfen zu wollen. Dass Russland mit dem Konvoi Waffen nach Lugansk liefern könnte, ein Verdacht, der von Kiew erhoben wurde, hat wohl niemand wirklich unterstellt. Der Konvoi kehrte nach Ablieferung der Güter unversehrt wieder nach Russland zurück. Ob dies bei einem zweiten Mal unter gleichen Prämissen auch der Fall sein wird, ist fraglich.
Man darf unterstellen, dass Russland zwar der prorussischen Bevölkerung tatsächlich helfen will, auch um innenpolitisch zu punkten, aber schon der erste Konvoi sollte Kiew blamieren und den Druck auf den von Moskau geforderten Waffenstillstand erhöhen, zumindest für eine zeitweilige Einstellung des Artilleriebeschusses sorgen. Sollte der Konvoi, der dann als Trojanisches Pferd gelten müsste, absichtlich oder zufällig unter Beschuss geraten, könnte dies ein Anlass für Moskau zur Intervention sein. Dass der Gedanke nicht abwegig ist, zeigt ein Bericht in russischen Medien, nach dem russische "Friedentruppen" demnächst für "Blauhelm-Missionen" im Ausland eingesetzt werden könnten.
Mit Verweis auf die Nesawissimaja Gaseta berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti, dass "bis zu drei russische 'Blauhelm'-Verbände in ein Konfliktgebiet geschickt werden (könnten), wo sie nicht nur 'humanitäre, sondern auch militärische Aufgaben' lösen müssten". Erprobt worden sei dies kürzlich bei Manövern in Kasachstan und Kirgisien. Geübt worden sei die Leistung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in einem militärischen Konflikt von Extremisten sowie die Befreiung von Geiseln und die Abwehr von Angriffen, was unübersehbar mit Blick in die Ukraine gesagt wird.
Russland verfüge über sechs "Friedensbataillone" aus Berufssoldaten, das "weltweit größte Kontingent an Friedenstruppen", so stellvertretende Kommandeur der Landungstruppen bei den Friedensoperationen, Generalmajor Alexander Wjasnikow. Aktiv waren sie bislang nur in Transnistrien. Nach dem Kommandeur Wladimir Schamanow sollen die "Friedenstruppen" außerhalb Russlands stationiert werden. An welche Länder oder Einsätze gedacht wird, bleibt aber unbekannt. Hingewiesen wird darauf, dass das russische Verteidigungsministerium sich nicht zu Medienberichten geäußert habe, dass sich Russland auf einen "Friedenseinsatz" in der Ostukraine vorbereitet. Die Meldung jetzt in den Medien zu lancieren, einen Tag vor dem möglichen Treffen von Putin und Poroschenko, ist zumindest als Androhung vielsagend.
Lawrow warf Kiew vor, ungezielt Menschen zu verhaften und verglich das mit einer "Hexenjagd" (er vergaß aber zu erwähnen, dass von den Mitgliedern der "Volksrepubliken" auch oft wahllos Inhaftierungen vorgenommen werden, die Gefangenen werden mitunter zum Ausheben von Schützengräben gezwungen). Die Flüchtlinge in der Westukraine würden schlecht versorgt, die Kinder erhielten keine Plätze in Schulen. Überdies kritisierte er die internationale Untersuchung des Absturzes von MH17, weil weiterhin kein Bericht über die Auswertung der Daten veröffentlicht wurde. Offenbar sei nur Russland an einer Aufklärung interessiert, meinte er.