Russland will in der Arktis Fakten schaffen

Präsident Medwedew will die Grenzen festlegen, die Russland beansprucht, um die Region zu erschließen und die reichen Bodenschätze ausbeuten zu können

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Da das Eis am Nordpol dank der Klimaerwärmung immer schneller schmilzt, drängen die Anrainerstaaten Kanada, Russland, die USA, Dänemark und Norwegen, sich jeweils einen möglichst großen Anteil zu sichern, um die dort vermuteten riesigen Öl- und Gasressourcen auszubeuten. Nach jüngsten Schätzungen des U.S. Geological Survey (USGS) soll es sich um 90 Milliarden Barrel Öl, 47 Billionen Kubikmeter Gas und 44 Milliarden flüssiges Gas handeln, die zu 84 Prozent nahe der Küsten zu finden seien.

Der russische Präsident Medwedew und Regierungschef Putin auf der Sitzung mit dem Sicherheitsrat. Bild: Kreml

Nach der Internationalen Seerechtskonvention können Staaten Bodenschätze bis zu 200 Seemeilen vor der Küste in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ) auszubeuten. Können sie allerdings belegen, dass der Kontinentalsockel weiter in das Meer hinausreicht, kann sich die Zone auf bis zu 350 Seemeilen oder mehr vergrößern. Da bislang noch ungeklärt ist, wie sich das objektiv bestimmen lassen soll, auch wenn eine UN-Kommission an der Festlegung arbeitet, ist Streit vorprogrammiert. Die jetzt schon schwelenden Konflikte könnten durchaus zu gefährlichen Spannungen führen, denn es geht um gewaltigen Summen und Energiesicherheit, für die schon mehr Kriege geführt wurden (Sicheres und anonymes Suchen).

Darstellung der maritimen Zonen. Bild

Schon vor dem Georgien-Konflikt haben etwa der EU-Außenbeauftragte Solana und die Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, ein Paper mit dem Titel Klimawandel und internationale Sicherheit verfasst. Darin geht es auch um die Arktis und die "geostrategische Dynamik dieser Region" . Man müsse sich, so warnen die Autoren, auf verschärfte Konflikte mit Russland über den Zugang zu und die Kontrolle über die arktischen Energieressourcen gefasst machen (Militärische Klimapolitik in Brüssel).

Russland ist jetzt erneut vorgeprescht, um sich die Ressourcen zu sichern. Präsident Medwedew hat am Mittwoch dem Sicherheitsrat aufgetragen, die russische Arktisgrenze festlegen zu lassen. Es geht um eine Grenze in der Länge von 2000 km und eine Fläche, die 18 Prozent des russischen Territoriums ausmachen würde. Entscheiden müsste eigentlich die UN-Seerechtskommission, dort hat Russland Anspruc auf 1,2 Millionen Quadratkilometer angemeldet. In einer symbolischen Aktion wurde bereits letztes Jahr in einer Tiefe von 4200 Metern die russische Flagge auf dem als besonders ergiebig geltenden Lomonossow-Rücken postiert, den Russland für sich beansprucht – aber auch Dänemark und Kanada.

Zudem wurde die Regierung beauftragt, bis Dezember einen Arktis-Plan auszuarbeiten. Es sollen also schnell die Claims abgesteckt werden. Dabei geht es nicht nur um Öl und Gas. Schon werden in der russischen arktischen Region "elf Prozent der russischen Gesamteinnahmen" und "22 Prozent aller russischen Exportwaren hergestellt. In der Arktis werden über 90 Prozent Nickel und Kobalt sowie 60 Prozent Kupfer gefördert", sagte der Vorsitzende des Sicherheitsrates Patruschew, der frühere Chef des Geheimdienstes FSB.

Die Arktis sei für Russland von "strategischer Bedeutung", erklärte Medwedew, und seine "Bodenschatzreservoir des 21. Jahrhunderts". Nach einem vom Sicherheitsrat angenommenen Grundsatzplan für den Zeitraum bis 2020 soll durch die Bestimmung des Festlandsockels und der Grenze die rechtliche Sicherheit für die weitere Erschließung geschaffen werden. Insbesondere sollen Transportwege und die Kommunikationsinfrastruktur ausgebaut. Ein Schwerpunkt soll die Passage durch das Meer werden. Auch für den Schutz der Umwelt soll gesorgt werden.