"Russland wollte die ukrainische Elite kaufen"

Seite 2: "Regierung in Kiew wird nicht wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage stürzen

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Am Runden Tisch beteiligt waren noch andere Oppositionelle aus der Ukraine. Larissa Schessler, die Vorsitzende der Union der ukrainischen Polit-Emigranten und politischen Gefangenen, erklärte, die Situation in der Ukraine sei nicht so dramatisch, wie von Asarow skizziert. Die Gegner der Kiewer Regierung würden sich täuschen, wenn sie glaubten, die Regierung in Kiew werde wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage stürzen. Diese Erwartung sei so falsch, wie die Erwartung des Westens, Russland stehe vor dem wirtschaftlichen Blackout.

Es gäbe zwar einen starken Rückgang der Industrieproduktion in der Ukraine, aber die in der Zeit der Sowjetunion geschaffene Infrastruktur arbeite immer noch zuverlässig. "Die Häuser werden beleuchtet und beheizt. Auf den kalten Straßen von Kiew laufen keine hungrigen Hunde." Auch die staatlichen Strukturen der Ukraine seien wesentlich lebensfähiger, als man gedacht habe.

Larissa Schessler. Bild: U. Heyden

Auch den vielfach beschworenen, endlosen Kampf der Oligarchen gäbe es nicht. Jeder Oligarch sei durch einen unsichtbaren Faden mit den USA verbunden. Das verhindere, dass die Oligarchen gegen die Macht in Kiew vorgehen. "Sie werden nur um ihr eigenes Feld kämpfen."

Die staatlichen Strukturen in der Ukraine verstärkten sich. Die Repression gegen Andersdenkende nähme zu. Die Repression wende sich aber nicht nur gegen Russland-freundliche Kräfte sondern auch gegen Ultranationalisten.

"Vor uns steht eine lange Arbeit zur Transformation der Ukraine", erklärte Schessler. Es sei ein Fehler gewesen zu glauben, man könne die Ukraine allein durch die wirtschaftliche Integration an Russland binden. Heute sei die Ukraine vor allem durch eine andere Ideologie von Russland getrennt. In den ukrainischen Schulen gäbe es nationalistische Propaganda. Das erste, was die Kinder in Zukunft in der Schule lernen müssten, sei, dass "jede anti-russische Propaganda verbrecherisch ist".

"Die Orientierung auf die Elite war falsch"

Auch der Kiewer Politologe Wladimir Skatschko - der per Skype zum Runden Tisch zugeschaltet wurde - sieht große Versäumnisse der Moskauer Politik. "Die russische politische Elite will die politische Elite der Ukraine kaufen." Sie wolle "nicht mit dem Volk" und "nicht mit Soft Power arbeiten." Aber nur so könne man eine Orientierung der Ukraine auf Russland erreichen.

In der Vergangenheit habe Russland darauf gesetzt, die ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma und Viktor Janukowitsch zu kaufen, damit sie das Volk "nach Russland führen". Die Amerikaner hätten andersherum gearbeitet. Sie hätten über NGOs und andere Maßnahmen in den letzten 25 Jahren eine "pro-amerikanische Basis" geschaffen. Aus dieser rekrutiere sie Abgeordnete und Beamte. Die Amerikaner hätten sich eine "Garde" von 50 Parlamentsabgeordneten geschaffen, die in der Rada auf jedes Signal aus Washington höre.