Russlands Krieg: Der Westen eskaliert, die Ukraine blutet

Ukraine-Krieg könnte global eskalieren. Russland verwüstet das Land, der Westen bleibt starr. Sicherheitskonferenz steht für Scheitern von Diplomatie und Vernunft. Eine Analyse.

Die Ukraine setzt sich mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln gegen den völkerrechtswidrigen, russischen Angriffskrieg zur Wehr, um die Souveränität ihres Territoriums wieder herzustellen.

Ukraine. Kampf um Souveränität, Frieden in weiter Ferne?

Wladimir Putins Strategie, die Ukraine zu besiegen und besetzen zu können, ist bis heute fehlgeschlagen. Öffentlich proklamiert er den "vaterländischen Krieg" gegen den "dekadenten" Westen und die Nato. Das Kriegs- und Völkerrecht missachtet er.

Seine Armee tötet unterschiedslos und zerstört Städte und die lebenswichtige Infrastruktur der Ukraine. Wie in jedem Krieg sind schlimmste Kriegsverbrechen an der Tagesordnung.

Rolf Bader ist ehemaliger Geschäftsführer der IPPNW und Offizier a.D. der Bundeswehr.

Die Ukraine wird von der Nato mit Waffen und Munition unterstützt, um sich der russischen Aggression entgegenstellen zu können. Durch die Blockade der Republikaner im Repräsentantenhaus stockt derzeit die von Präsident Biden zugesagte weitere Unterstützung.

Deutschland ist der größte Waffenlieferant in Europa. Gleichzeitig werden in Westeuropa und in den USA tausende ukrainische Soldaten ausgebildet.

Die von der Europäischen Union zugesicherte Lieferung von einer Million Artilleriegranaten konnte bis heute nicht erfüllt werden. Die Ukraine erhielt bisher nur knapp die Hälfte. Bei Munition und logistisch-technischer Unterstützung seitens der Nato gibt es erhebliche Probleme.

Rüstungshilfe: Unzureichende Lieferungen und Defizite

Ein Großteil der deutschen Panzer muss derzeit in Litauen repariert werden. Des Weiteren wurden durch russische Drohnen viele Panzer zerstört.

Der Mangel an Munition für die Artillerie, an Drohnen und einer Luftabwehr auf dem Gefechtsfeld schwächen erheblich die Kampfkraft der ukrainischen Armee.

Die militärische Entwicklung im Ukraine-Krieg (19 Bilder)

Frontverlauf am 26. Februar 2022

Ein großes Problem ist zudem die Rekrutierung neuer, gut ausgebildeter und kampffähiger Soldaten, um die seit über 18 Monaten im Einsatz befindlichen Kräfte zu ersetzen.

Kriegswirtschaft Russlands: Putins Strategie

Wladimir Putin hat den russischen Staat erfolgreich auf Kriegswirtschaft umgestellt. Der russische Haushalt wurde im ersten Kriegsjahr um 113 Milliarden Euro aufgestockt, um auch die Rüstungsproduktion mit staatlichen Aufträgen massiv zu forcieren.

Der Sold der im Einsatz befindlichen Soldaten wurde wesentlich erhöht. Der Kriegsdienst gewann damit vor allem für junge Menschen aus den Provinzen an Attraktivität. Putin vermied vor allem den Einsatz russischer Soldaten im Krieg. Geopfert wurden und werden junge Männer aus den ärmeren Republiken.1

Militärische Disparität und Russlands Übermacht

Vergleicht man die Militärstärke, so zeigt sich eine große Überlegenheit Russlands. Im Januar 2024 betrug die Truppenstärke mit rund 830.000 aktiven Soldaten mehr als das Vierfache der Ukraine.

Auch hinsichtlich der Anzahl an Panzern, Raketenwerfern und Flugzeugen, Bombern für Bodenunterstützung und Hubschraubern liegt Russland im Vergleich deutlich vorn.2

Natürlich sind Zahlen allein nur bedingt aussagekräftig. Die Ukraine hat durch Kampfmoral und Flexibilität in der Kriegführung Russland bisher weitgehend standhalten können.

Die Dilemmata der ukrainischen Verteidigung

Die Unterstützung der Nato-Staaten trug zur operativen Stärkung bei, änderte letztlich aber nichts an der konstatierten militärischen Unterlegenheit der Ukraine.

So ist die Forderung der Ukraine nach Lieferung moderner Kampf- und Jagdflugzeuge und nach dem Waffensystem Taurus militärstrategisch nachvollziehbar, um damit die Nachschubwege russischer Streitkräfte bekämpfen zu können. Durch die große Reichweite des Taurus könnte sogar das russische Staatsgebiet erreicht werden.

Der gefährliche Stellungskrieg

Die Fronten scheinen festgefahren. Es droht seit Längerem ein Stellungs- und Abnutzungskrieg wie im Ersten Weltkrieg. Die Verluste sind auf beiden Seiten enorm. Wahrscheinlich sind schon über eine halbe Million Soldaten zu beklagen.

Aufgrund der Munitionsmängel und der Erschöpfung mehren sich die Hinweise, dass die russischen Streitkräfte an mehreren Frontabschnitten durchbrechen und Geländegewinne erzielen konnten.

Davon auszugehen – wie einige führende Politiker des Deutschen Bundestages immer wieder behaupten –, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen könne, ist militärstrategisch vollkommen unrealistisch. Das Kräfteverhältnis, die Ressourcen, die Rüstungsproduktion sowie die Reserven an Soldaten sprechen eindeutig für Russland.

Realitätscheck: Unwahrscheinlichkeit eines ukrainischen Sieges

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat3, wies schon Anfang 2023 darauf hin, dass westliche Waffenlieferungen die Ukraine nicht in die Lage versetzen würden, ihre militärischen Ziele zu erreichen. Sie würden lediglich den Krieg verlängern.

Auch der ehemalige Generalstabschef der US-Armee, General Mark Milley4, stellte im November 2022 fest, dass die Ukraine militärisch das erreicht hätte, was überhaupt realistisch möglich gewesen sei. Jetzt sei es notwendig, wieder diplomatisch eine Verhandlungsinitiative zu starten, um in einem ersten Schritt einen Waffenstillstand zu erreichen.

Diplomatie: Die Notwendigkeit von Verhandlungen

Diese Stimmen verhallten aber ohne Resonanz. Ob derzeit noch eine Option für eine Verhandlungslösung besteht, ist ungewiss. Die Fronten scheinen verhärtet und es bahnt sich ein langer, gefährlicher Kalter Krieg zwischen Russland und der Nato an.

Russland befindet sich im Status einer Kriegsführungsfähigkeit, über die mit Frontdurchbrüchen erste Erfolge erzielt werden konnte. Die Nato rüstet auf und aktiviert in gleicher Weise Soldaten, Waffen und die Rüstungsproduktion. Die Nato übt derzeit in einem Großmanöver mit 90.000 Soldaten einen Verteidigungskrieg gegen einen russischen Angriff.

Münchener Sicherheitskonferenz: Wendepunkt oder tiefere Krise?

Das ist die aktuelle Gefahrenlage vor der am Freitag beginnenden Münchener Sicherheitskonferenz. Russland bleibt außen vor und wurde vom Veranstalter der Konferenz nicht eingeladen. Sie dient wahrscheinlich primär dazu, eine erweiterte Allianz von teilnehmenden Staaten gegen Russland zu schmieden und den Fokus auf die Kriegsertüchtigung des Westens und der Ukraine zu richten.

Wir befinden uns in einer bedrohlichen Eskalationsspirale. Auch ein Einsatz von Atomwaffen in Europa ist nicht auszuschließen: ein Schreckensszenario mit katastrophalen Folgen!

Wir befinden uns in Alarmstufe rot! Dieser eingeschlagene Weg führt im schlimmsten Fall in den dritten Weltkrieg.

Die letzte Chance für Frieden

Das Gebot der Stunde lautet daher Vernunft und Mäßigung. Auch wenn die Mauer noch so hoch und unüberwindbar erscheinen mag, gibt es immer einen (Um-)Weg. Der Krieg, das Töten und das sinnlose Sterben muss beendet werden.

Die teilnehmenden Staatschefs der Münchener Sicherheitskonferenz könnten versuchen, eine Delegation aus Staaten verschiedener Kontinente zusammenzustellen, die sich auf den Weg nach Moskau machen könnte. Vielleicht böte sich über diese Initiative eine Option, Verhandlungen über einen Waffenstillstand anzubahnen. Es bedarf der Fantasie und des Mutes, dem Frieden eine Chance zu geben!

Die Charta der Vereinten Nationen ist eine bindende Verpflichtung für alle Unterzeichnerstaaten, sich für den Frieden in der Welt einzusetzen.

Rolf Bader, geb. 1950 ist ehem. Offizier der Bundeswehr. Studium der Pädagogik an der Universität der Bundeswehr, München. Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Vorstandsmitglied am Institut für Psychologie und Friedensforschung e.V. (IPF), München (inzwischen aufgelöst),

Er ist ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).

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